Montagsblog: Neues vom BGH

Pünktlich zum Beginn der Wachstumsperiode hat der BGH einen Nachbarstreit entschieden.

Anspruch auf Zurückschneiden herüberragender Äste
Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 136/18

Mit der Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten und der Verjährung befasst sich der V. Zivilsenat in einem Nachbarstreit.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zurückschneiden von in sein Grundstück hineinragenden Ästen einer Fichte in Anspruch. Die Grundstücke der Parteien stoßen rechtwinklig aufeinander. Der Baum, um den es geht, steht teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück eines weiteren Nachbarn. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Mit dem LG sieht der BGH die Klage allerdings als zulässig an. Die Eigentümer der beiden Grundstücke, auf denen der Baum steht, sind nicht notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Fall 1 ZPO. Nach § 923 BGB ist jeder Nachbar alleiniger Eigentümer des jeweils auf seinem Grundstück stehenden Teils des Baums. Deshalb darf der Kläger jeden von ihnen gesondert auf Beseitigung derjenigen Störungen in Anspruch nehmen, die von dem im Eigentum des jeweiligen Beklagten stehenden Teil des Baums ausgehen. Ob die herüberragenden Äste die Benutzung des klägerischen Grundstücks beeinträchtigen und ob der Kläger eine solche Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinnehmen muss, lässt der BGH offen. Er tritt dem LG darin bei, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 195 und § 199 BGB verjährt ist. Ein Beseitigungsanspruch unterliegt – anders als Ansprüche auf Unterlassung einer Dauerhandlung – grundsätzlich der Verjährung. Die Sonderregelung in § 26 Abs. 3 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes, wonach Ansprüche auf Beseitigung herüberragender Zweige nicht verjähren, betrifft nur Ansprüche aus diesem Gesetz, nicht aber einen Anspruch, der sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt. Eine landesrechtliche Regelung, die die Verjährung eines solchen Anspruchs erleichtern, erschweren oder ausschließen würde, wäre wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes unwirksam.

Praxistipp: Der Kläger sollte stets klarstellen, ob er seinen Anspruch auf das BGB, die landesrechtlichen Vorschriften über das Nachbarrecht oder beide Regelungen stützen will. Hierzu gehört der Vortrag eines die jeweilige Regelung ausfüllenden Lebenssachverhalts.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

BGH: … einmal wieder zur Wiedereinsetzung

Dem Anwalt der Antragstellerin war in einer Familiensache ein Beschluss am 25.7. zugestellt worden, das Empfangsbekenntnis wurde versehentlich auf den 25.6. datiert. Er legte am 27.7. sofortige Beschwerde ein. Das OLG wies zunächst darauf hin, dass die Beschwerde verspätet sei und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In einem von einem Kanzleiangestellten mit „i. A.“ unterzeichneten Schriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss erst am 25.7. zugestellt wurde, was sich auch aus dem Verfahrensablauf ergab. Gleichzeitig wurde beantragt, die Stellungnahmefrist um drei Wochen, mithin bis zum 20.9. zu verlängern. Das OLG bestätigte daraufhin, dass die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden sei und verlängerte die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß. Die Beschwerdebegründung ging am 13.10. ein. Die Antragstellerin beantragte Wiedereinsetzung und begründete dies wie folgt: Sie habe den Kanzleiangestellten angewiesen (was leider unerledigt geblieben sei), einen weiteren Verlängerungsantrag zu stellen und anschließend auch noch von der Geschäftsstelle des OLG die Auskunft erhalten, die Frist liefe bis zum 16.10.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und das Rechtsmittel verworfen. Der BGH (Beschl. v. 19.12.2018 – XII ZB 53/18, MDR 2019, 302) billigt dies. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdebegründungsfrist ohnehin bis zum 25.9. lief. Die vom Gericht ausgesprochene Verlängerung bis zum 20.9. ging damit in jedem Fall ins Leere. Abgesehen davon bezog sich der Verlängerungsbeschluss, da eine antragsgemäße Verlängerung erfolgte, nur auf den von der Antragstellerin gestellten Verlängerungsantrag. Dieser Verlängerungsantrag war jedoch kein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist, sondern lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem Beschluss.

Eine Wiedereinsetzung scheidet vorliegend aus, da die Frist schuldhaft versäumt wurde. Dem Kanzleiangestellten hätte der Anwalt nicht die Fristverlängerung überlassen dürfen, denn dieser konnte eine solche gar nicht wirksam beantragen. Dieser Antrag unterliegt nämlich nach § 114 Abs. 1 FamFG dem Anwaltszwang. Das hätte der Anwalt wissen müssen. Die angeblich falsche Auskunft der Geschäftsstelle vermag den Anwalt schließlich auch nicht zu entlasten. Nachdem der gestellte Antrag selbst bei großzügigster Auslegung sich lediglich auf den 20.9. bezogen hatte, durfte der Anwalt sich keinesfalls auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen, sondern hätte selbst den Lauf der Frist gewissenhaft prüfen müssen.

Zwei Dinge sind hier einer Erinnerung wert: Zum einen darf nicht vergessen werden, dass auch der Fristverlängerungsantrag regelmäßig dem Anwaltszwang unterliegt. Zum anderen ist für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung grundsätzlich der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich. Da hier aber die Mitteilung des Gerichts sich auf den Antrag bezog, wird dieser sozusagen einbezogen und damit zum Maßstab der ausgesprochenen Fristverlängerung. In diesem Fall wäre mithin mehr anwaltliche Sorgfalt angezeigt gewesen. Im Übrigen kann nicht oft genug vor der Unsitte gewarnt werden, anwaltliche Schriftsätze mit „i. A.“ von Kanzleiangestellten unterzeichnen zu lassen.

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei allgemeine prozessrechtliche Fragen geht es in dieser Woche.

Drittwiderklage gegen den Zedenten
Urteil vom 11. Oktober 2018 – I ZR 114/17

Mit einer nicht alltäglichen Reaktion auf ein verbreitetes prozesstaktisches Mittel befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte auf Vermittlung des beklagten Versicherungsmaklers eine Hausratversicherung für eine von ihm und seiner Ehefrau genutzte Wohnung abgeschlossen. Einige Monate später wurden bei einem Einbruch in die Wohnung Wertsachen und Bargeld aus einem Tresor entwendet. Die Versicherung erstattete dem Kläger aufgrund einer in den Versicherungsbedingungen enthaltenen „Tresorklausel“ insgesamt nur 21.000 Euro. Der Kläger warf dem Beklagten unzureichende Beratung vor und klagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf Erstattung des restlichen Schadens, den er mit rund 168.000 Euro bezifferte. Der Beklagte trat der Klage entgegen und beantragte im Wege der Drittwiderklage die Feststellung, dass auch der Ehefrau keine Ansprüche zustehen. Klage und Widerklage hatten in erster Instanz teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 114.000 Euro. Die Widerklage wies es als unbegründet ab, weil der Ehefrau aufgrund der wirksamen Abtretung an den Kläger keine Ansprüche mehr zustünden.

Die nur hinsichtlich der Drittwiderklage zugelassene Revision des Beklagten hat Erfolg. Der BGH spricht antragsgemäß die Feststellung aus, dass der Ehefrau über den dem Kläger zugesprochenen Betrag hinaus keine weitergehenden Ansprüche aus dem der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt zustehen. Mit dem OLG hält der BGH eine Drittwiderklage gegen den Zedenten einer eingeklagten Forderung für zulässig, weil eine dem Kläger negative Entscheidung nur dann zu Lasten des Zedenten Rechtskraftwirkung entfaltet, wenn die Abtretung wirksam war und nicht wirksam angefochten wird, und der Beklagte in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Abweichend vom OLG ist ein solcher Widerklageantrag in der Regel dahin auszulegen, dass es nur um den Bestand der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung geht. Die Entscheidung über die Drittwiderklage hat deshalb inhaltlich der Entscheidung über die Klage zu folgen. Die Drittwiderklage ist nur insoweit abzuweisen, als die Klage Erfolg hat. Soweit die Klage abgewiesen wird, ist hingegen die mit der Drittwiderklage begehrte Feststellung auszusprechen. Die Wirksamkeit der Abtretung ist hierbei grundsätzlich nur dann zu prüfen, wenn diese Frage auch für die Entscheidung über die Klage klärungsbedürftig ist. Letzteres war hier nicht der Fall, weil die Beklagte die Wirksamkeit der Abtretung nicht bestritten hat.

Praxistipp: Mit der vom BGH zugelassenen Drittwiderklage gegen den Zedenten kann der Beklagte den vom Kläger mit einer Abtretung häufig angestrebten Vorteil, nämlich die Möglichkeit, den Zedenten als Zeugen zu benennen, in praktisch allen Konstellationen zunichtemachen.

Erledigung nach Klage beim unzuständigen Gericht
Beschluss vom 28. Februar 2019 – II ZR 16/18

Der III. Zivilsenat strebt eine Änderung der Rechtsprechung an.

Die Klägerin hatte die beklagte Stadt vor dem AG auf Schadensersatz in Höhe von rund 1.100 Euro wegen Beschädigung eines Fahrzeugs bei Mäharbeiten in Anspruch genommen. Nach Zahlung des Klagebetrags durch die Haftpflichtversicherung hatte sie den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Das AG verwies den Rechtsstreit an das LG, weil dieses für Amtshaftungsansprüche ausschließlich zuständig ist. Das LG wies den einseitigen Erledigungsantrag als unbegründet ab, weil die Klage im Zeitpunkt der Erledigung mangels Zuständigkeit des AG unzulässig gewesen sei. Das OLG stellte hingegen antragsgemäß die Erledigung des Rechtsstreits fest.

Der III. Zivilsenat des BGH will die Revision der Beklagten zurückweisen. Er sieht sich daran durch eine Entscheidung des XII. Zivilsenats gehindert, der vor nicht allzu langer Zeit (Beschluss vom 21. Juni 2017 – XII ZB 231/17, Tz. 11 – MDR 2017, 1441) die gleiche Auffassung vertreten hat wie das LG im Streitfall. Der III. Zivilsenat hält demgegenüber die Auffassung des OLG für zutreffend, weil die Unzuständigkeit des AG im Zeitpunkt der Erledigung durch einen Verweisungsantrag behoben werden konnte und deshalb nicht zur Abweisung der Klage geführt hätte. Deshalb hat er beim XII. Zivilsenat angefragt, ob dieser an seiner Auffassung festhält.

Praxistipp: Sollte der XII. Zivilsenat bei seiner Auffassung bleiben, wäre der Große Zivilsenat des BGH zur Entscheidung der Rechtsfrage berufen.

Verstöße gegen die DSGVO abmahnfähig? Aktueller Rechtsprechungsüberblick

Update: 18. März 2019 mit Entscheidung des LG Magdeburg

Durch eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg kommt wieder Bewegung in die Diskussion. Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung haben Unternehmer zum 25. Mai 2018 viele neue Pflichten auferlegt bekommen. Eine vollkommen rechtskonforme Umsetzung sollte gut durchdacht sein. Gerade die Verarbeitung personenbezogener Daten kumuliert zwei Risiken: Einerseits sind Tools zur Verarbeitung personenbezogener Daten teils äußerst innovativ und somit wenig transparent, sodass Pflichtinformationen gem. Art. 13 DSGVO nur schwierig erteilt werden können und auch eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung schwerer fällt. Andererseits ist gerade eine Verarbeitung personenbezogener Daten an der Außenflanke eines Unternehmens auch der meistens häufigste Berührungspunkt Dritter zu einem Unternehmen und damit Einfallstor für ein genaueres Hinsehen durch Wettbewerber, Aufsichtsbehörden oder Verbände.

Können Verstöße gegen Vorgaben der DSGVO von Wettbewerbern und Verbänden abgemahnt (und später gerichtlich verfolgt) werden? Hierzu ist zu klären, ob die Regelungen der DSGVO Marktverhaltensnormen nach § 3a UWG sind.

Es war zu erwarten, dass nach Inkrafttreten der Neuregelungen Abmahnungen ausgesprochen werden, wenn auch der Umfang der Abmahntätigkeit erstaunlich niedrig blieb. Auch die ersten gerichtlichen Entscheidungen liegen vor.

LG Würzburg: Ja grundsätzlich wettbewerbswidriges Verhalten

Das LG Würzburg bejahte ohne ausschweifende Begründung lediglich durch Verweis auf früher zum BDSG ergangene Entscheidungen einen Verstoß gegen Marktverhaltensnormen bei einer unzureichenden Aufklärung gem. Art. 13 DSGVO (LG Würzburg, Beschluss v. 13.09.2018, 11 O 1741/18).

LG Bochum: Nein, kein lauterkeitsrechtliche Relevanz der Vorgaben des Datenschutzrechts

Hiernach war das LG Bochum anderer Meinung, verwies dabei auf einen Aufsatz von Köhler. Das dortige Hauptargument ist der Umstand, dass die Art. 77 bis 84 der DSGVO abschließend Regelungen für Verstöße enthalte, Wettbewerber dort jedoch unberücksichtigt lässt (LG Bochum, Urt. v. 07.08.2018, I-12 O 85/18).

OLG Hamburg: Ja, aber…

Nunmehr hat das OLG Hamburg die Ansicht des LG Würzburg, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegen kann und damit auch seine früher zum BDSG ergangene Rechtsprechung bestätigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verstoß tatsächlich zu einem unmittelbaren Wettbewerbsvorteil erfolgt (OLG Hamburg Urt. v. 25.10.2018 , 3 U 66/17, auszugsweise bei Dr. Bahr)

LG Magdeburg: Nein

Das LG Magdeburg dürfte die jüngste Entscheidung hierzu verkündet haben und hält die Regelungen der DSGVO nicht für solche, die von Wettbewerbern im Rahmen des § 3a UWG herangezogen werden können. Das Sanktionssystem der DSGVO sei abschließend, lauterkeitsrechtliche Maßnahmen würden die Vorgaben des Verordnungsgebers unterlaufen.

(LG Magdeburg, Urt. v. 18.01.2019, 36 O 48/18)

Praxistipp:
Insbesondere dann, wenn durch den Umgang mit personenbezogenen Daten Wettbewerbsvorteile entstehen, ist ein besonders sorgfältiges Vorgehen des Unternehmers angezeigt. Klassische Beispiele dürften hier Webanalysetools und das Direktmarketing sein.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um einen nicht alltäglichen Fall der Staatshaftung geht es in dieser Woche.

Staatshaftung bei fehlerhafter Zustellung
Urteil vom 21. Februar 2019 – III ZR 115/18

Mit den formellen Voraussetzungen einer Zustellung im Parteibetrieb und den haftungsrechtlichen Folgen eines Fehlers befasst sich der III. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte eine durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung erwirkt und eine im Dienst des beklagten Bundeslandes stehende Gerichtsvollzieherin mit der Zustellung an den Verfügungsschuldner beauftragt. Nach Ablauf eines Monats beantragte der Schuldner erfolgreich die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, mit der Begründung, diese sei mangels wirksamer Zustellung nicht rechtzeitig vollzogen worden. Der Kläger begehrt deshalb vom Beklagten Ersatz der Kosten des Verfügungsverfahrens. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er tritt dem OLG darin bei, dass zur ordnungsgemäßen Zustellung der einstweiligen Verfügung die Übersendung einer beglaubigten Abschrift erforderlich war. Ob ein diesbezüglicher Zustellungsmangel auch bei einer durch Beschluss erlassenen einstweiligen Verfügung nach § 189 ZPO geheilt werden kann, lässt der BGH offen. Selbst wenn eine Heilung möglich ist, führt diese nur zur Wirksamkeit der Zustellung, nicht aber zum Wegfall des aufgrund der fehlerhaften Handhabung durch den Gerichtsvollzieher begründeten Haftung aus § 839 BGB. Die Heilung kann allerdings zur Folge haben, dass im Ergebnis kein ersatzfähiger Schaden eintritt. Letzteres setzt aber voraus, dass die Heilungswirkung im weiteren Verlauf erkannt worden ist. Das OLG wird nach der Zurückverweisung deshalb die zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen haben, ob eine beglaubigte oder eine nicht beglaubigte Abschrift zugestellt wurde und welche Aussichten ein Rechtsmittel des Klägers gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gehabt hätte.

Praxistipp: Wenn die zuzustellende Entscheidung farbige Abbildungen oder dergleichen enthält, sollte sichergestellt werden, dass diese auch in der Abschrift farbig wiedergegeben sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei anwaltliche „Betriebsunfälle“ geht es in dieser Woche.

Antrag auf Ergänzung eines Verlustigkeitsbeschlusses
Urteil vom 18. Dezember 2018 – II ZB 21/16

Mit der Frist für einen Antrag auf Ergänzung eines nicht zustellungsbedürftigen Beschlusses befasst sich der II. Zivilsenat.

Mehrere Aktionäre hatten die Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten angefochten. Nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage legte einer der Kläger zunächst Berufung ein, nahm diese aber später zurück. Das Berufungsgericht erklärte ihn des Rechtsmittels für verlustig und legte ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auf. Rund vier Monate später beantragte ein Streithelfer der Beklagten, der dem Rechtsstreit schon in erster Instanz beigetreten war und in zweiter Instanz einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt hatte, die Ergänzung des Beschlusses dahin, dass der Kläger auch die im Berufungsverfahren angefallenen Kosten des Streithelfers zu tragen hat. Das OLG verwarf den Antrag als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Streithelfers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass ein nach § 516 Abs. 3 ZPO ergangener Beschluss nicht gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustellungsbedürftig ist, sondern gemäß § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO formlos mitgeteilt werden kann. Der Beschluss enthält keine Terminbestimmung und setzt auch keine Frist in Lauf. Dass ein Antrag auf Ergänzung eines solchen Beschlusses entsprechend § 321 ZPO innerhalb von zwei Wochen gestellt werden muss, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Notwendigkeit einer Ergänzung im Sinne von § 321 ZPO erweist, stellt eine Ausnahmesituation dar, an der die formalen Anforderungen für die Übermittlung nicht auszurichten sind. Die Zweiwochenfrist des § 321 ZPO beginnt deshalb mit der formlosen Mitteilung des Beschlusses. Im Streitfall war sie bei Stellung des Ergänzungsantrags seit langem abgelaufen.

Praxistipp: Anders als bei einem Rechtsmittel in der Hauptsache beginnt die Frist für den Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung für den Streithelfer nicht schon mit der Übermittlung der Entscheidung an die Hauptpartei, sondern erst mit Zugang beim Streithelfer.

Überprüfung des Zeitpunkts, zu dem eine Kündigung zugegangen ist
Urteil vom 14. Februar 2019 – IX ZR 181/17

Mit der Pflicht eines Rechtsanwalts, Angaben seines Mandanten zu überprüfen, befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin betraute den beklagten Rechtsanwalt Anfang Januar mit einer Kündigungsschutzklage gegen ihren Arbeitgeber. Sie teilte mit, das Kündigungsschreiben sei ihr am 23. Dezember zugestellt worden. Der Beklagte reichte die Kündigungsschutzklage am 13. Januar ein. Einen im Gütertermin geschlossenen Vergleich widerrief er fristgerecht. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, weil es zu der Überzeugung gelangt war, dass der vom Arbeitgeber beauftragte Bote das Kündigungsschreiben bereits am 22. Dezember gegen 11 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen hatte und die Klage deshalb einen Tag zu spät erhoben worden war. Daraufhin verlangte die Klägerin vom Beklagten zunächst die Zahlung des Betrags, den sie aufgrund des widerrufenen Vergleichs erhalten hätte. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. In einem zweiten Rechtsstreit verlangte sie wegen verspäteter Einreichung der Kündigungsschutzklage Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von rund 26.000 Euro. Dieses Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen ebenfalls ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hätte der Beklagte den genauen Zeitpunkt, zu dem das Kündigungsschreiben zugegangen ist, aufklären und bei verbleibenden Zweifeln die Klagefrist anhand des frühestmöglichen Termins berechnen müssen. Ein Rechtsanwalt braucht zwar Tatsachenangaben seines Mandanten nicht durch eigene Nachforschungen überprüfen, sofern keine Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit erkennbar sind. Etwas anderes gilt aber für so genannte Rechtstatsachen, d.h. Umstände, für deren zutreffende Erfassung rechtliche Kenntnisse erforderlich sind. Dazu gehört nicht nur der Zeitpunkt, zu dem eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung zugestellt wurde, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem eine Willenserklärung zugegangen ist. Im Streitfall musste der Beklagte die Angabe der Klägerin deshalb eigenständig überprüfen. Hierbei hätte er erkennen können und müssen, dass das Kündigungsschreiben vom 22. Dezember datiert und den Vermerk „per Boten“ trägt. Ausgehend davon hätte er von einem Zugang noch an diesem Tag ausgehen müssen, wenn die Klägerin nicht zweifelsfrei ausschließen konnte, dass das Schreiben bis zum Abend dieses Tages noch nicht in ihren Briefkasten gelangt war.

Praxistipp: Die rechtskräftige Abweisung einer Schadensersatzklage steht einer erneuten Klage nicht entgegen, wenn diese auf eine andere Pflichtverletzung gestützt wird.

BGH: Notwendige Angaben für einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Rahmen der Zwangsvollstreckung

Im Zwangsvollstreckungsverfahren entstehen regelmäßig zahlreiche Anwaltsgebühren und Auslagen, die oftmals für sich gesehen nicht sehr hoch sind. Um diese insgesamt erfolgreich zu vollstrecken, sind sie immer vollständig bei einem Vollstreckungsauftrag anzugeben. Dies ist mitunter recht mühsam und erfordert umständliche Rechen- und Zeitarbeit. In derartigen Fällen empfiehlt es sich, gelegentlich über alle bisher entstandenen Gebühren einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss zu beantragen (§ 788 ZPO). Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese Positionen dann – sozusagen – festgeschrieben werden.

So wollte auch der Gläubiger im hier zu besprechenden Fall (BGH v. 13.9.2018 – I ZB 16/18, MDR 2019, 127) verfahren. Er legte eine – nicht unterzeichnete – Aufstellung über die bisher entstandenen Vollstreckungskosten vor (Datum, Stichwort, Betrag) und fügte verschiedene Belege dafür bei. Den der gesamten Vollstreckung zugrundeliegenden Titel nannte er allerdings nicht. Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Der begehrte Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), der in formeller und materieller Rechtskraft erwächst. Es muss sich daher aus dem Beschluss und damit auch schon aus dem Antrag ergeben, welche Positionen im Einzelnen Gegenstand desselben sind und aufgrund welchen Titels der Beschluss ergehen soll. Maßgeblich für die Bezeichnung ist § 10 Abs. 2 RVG. Diese Vorschrift lautet: „In der Berechnung sind die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Nummern des Vergütungsverzeichnisses und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Bei Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Angabe des Gesamtbetrags.“ Die in dieser Vorschrift enthaltenen Angaben müssen vorliegen. Auch muss die Berechnung aus sich heraus verständlich sein. Es ist nicht ausreichend, dass sich die Angaben aus den beiliegenden Vollstreckungsunterlagen ergeben. Einer solchen Möglichkeit stehen die § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG entgegen. Darüber hinaus muss der Titel bezeichnet werden, der die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss sein soll.

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen der § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG auch für Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten. Auch hier muss der Gläubiger also ein Mindestmaß an Arbeit investieren, um zu seinem Ziel zu gelangen. Im alltäglichen Massengeschäft der Zwangsvollstreckung müssen gewisse Mindestformalien eingehalten werden. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen. Wer sich an die gängigen Formulare und Musterempfehlungen hält, wird in aller keine Schwierigkeiten haben, einen schlüssigen Antrag zu stellen.

Ordnungsgeld bei Nichterscheinen der Partei

Nach Auffassung des OLG Schleswig (Beschluss vom 22.01.2019 — 16 W 146/18) kann ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden, wenn die zu einem Güteversuch geladene Partei nicht erscheint, der erschienene Prozessbevollmächtigte von der Partei jedoch zum Vergleichsabschluss bevollmächtigt wurde (so auch schon BGH NJW-RR 2011, 1363; str.). § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO knüpfe lediglich im Hinblick auf die Tatsachenaufklärung, nicht aber im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen an die Fähigkeit eines zum Vergleichsabschluss bevollmächtigten Vertreters zur inhaltlichen Erörterung an. Im übrigen komme es nicht darauf an, ob es dann in der Verhandlung tatsächlich zum Vergleich komme.

Rechtspolitisch sollte der Gesetzgeber eine Änderung von § 141 ZPO überdenken. Dem in der ZPO niedergelegten Interesse an einer gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sollte der entsprechende Nachdruck verliehen werden, mit dem die Bereitschaft der Parteien zur Teilnahme an Gerichtsterminen erhöht wird.

Zur Pfändbarkeit von Haustieren

Die im Auftrag der Stadt Ahlen vorgenommene Pfändung des Mopses Edda, u.a. wegen ausstehender Hundesteuer macht derzeit Schlagzeilen. Während Nutz- und Hilfstiere sehr umfassenden Pfändungsschutz nach § 811 ZPO genießen (dazu hier), gibt es für Haustiere in der Tat Ausnahmen:

  • 811c
    Unpfändbarkeit von Haustieren

(1) Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen.

(2) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres zu, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.

 

Die Pfändung darf also nur durch ein Gericht und jedenfalls nur dann zugelassen werden, wenn das Tier einen hohen Wert hat. Tierschutz, Gläubiger- und Schuldnerinteresse sowie Wert des Tieres müssen zueinander in Relation gebracht werden – kommt es dabei durch die Unpfändbarkeit zu einer ungerechtfertigten Härte für den Gläubiger, ist nach § 811c Abs. 2 ZPO auch das Haustier pfändbar.

Es ging dem Gesetzgeber bei dieser erst 1990 eingeführten Regelung um die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Haustier und um den Tierschutz. Die Ausnahme in Absatz 2 wollte lediglich die Folgen eines zu weitgehenden Pfändungsverbotes zu vermeiden (BT-Drucks. 11/5463, S. 7). Es war also nur an wenige Fälle gedacht, in denen der Schuldner das Pfändungsverbot letztlich bewusst ausnutzt. Ansonsten sollte es nach der Neuregelung (anders als in der Vorgängerregelung des § 811 Nr. 14 ZPO aF) gerade nicht mehr auf den Wert des Tieres ankommen. Ein Fall, in dem ein vorhandenes Affektionsinteresse des Schuldners hinter dem Zugriffsinteresse des Gläubigers zurücksteht, ist insofern kaum vorstellbar. Zu beachten sind außerdem die Belange des Tierschutzes, das heißt insbesondere die Folgen, die es für das Tier hat, aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen zu werden. „Die Tiere“ werden inzwischen auch durch das Grundgesetz ausdrücklich geschützt, Art. 20a GG. Mögen sie auch keine Grundrechtssubjekte sein, so ist doch erforderlich, dass eine Maßnahme des einfachen Rechts mit dem Tierschutzgedanken in Einklang steht. Es ist nicht vorstellbar, dass diese Voraussetzungen vorlagen, ja, dass sie bei einem sozialisierten Haushund – dessen Domestizierung bis zur Hochkultur des Mopses begann wahrscheinlich vor mehr als 100.000 Jahren – überhaupt vorliegen können. Ohne dass die Details der Abwägungsentscheidung im Falle des Mopses Edda näher bekannt sind, bedeutet das, dass seine Pfändung nach geltendem Recht rechtswidrig war.

Übrigens: Dass es sich um eine Pfändung durch die öffentliche Hand wegen einer Steuerforderung handelte, macht keinen entscheidenden Unterschied. Sowohl die Abgabenordnung (§ 295 AO) als auch die Verwaltungsvollstreckungsgesetze Bund/Land (§ 5 VwVG/§ 27 VwVG NRW) verweisen auf § 811 c ZPO. Nur dass eben an Stelle des Vollstreckungsgerichts die Vollstreckungsbehörde entscheidet – hier lag wohl das Problem. Es geht auch im Zwangsvollstreckungsrecht um Gesetzesinterpretation und nicht nur um -exekution.

Mops Edda hätte bei richtiger Gesetzesauslegung nicht gepfändet werden dürfen.