Montagsblog: Neues vom BGH

GbR als Verbraucher
Urteil vom 30. März 2017  – VII ZR 269/16

Mit dem Begriff des Verbrauchers im Sinne von § 13 BGB befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die klagende GbR, die aus einer Freiberuflerin und einer GmbH bestand, war Bauherrin eines Einfamilienhauses, das von der Gesellschafterin und deren Ehemann als Familienheim und Büro genutzt werden sollte. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, eine Architekten-GbR mit der Planung. Nach Errichtung des Gebäudes nahm die Klägerin die Beklagte wegen Mangeln an der Glasfassade in Anspruch. Die Beklagte berief sich unter anderem auf eine formularmäßig vereinbarte Beschränkung ihrer Haftung auf einen Höchstbetrag. Das LG stellte antragsgemäß fest, dass die Beklagten die aufgrund des Mangels entstandenen Schäden in voller Höhe zu tragen haben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das OLG sah in der vereinbarten Haftungsbeschränkung eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Dabei ließ es offen, ob die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert war. Es sah die Klägerin als Verbraucherin an und hielt eine Inhaltskontrolle deshalb gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch für den Fall für zulässig, dass die Klausel nur für einen Vertrag vorformuliert wurde.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung kann die klagende GbR schon deshalb nicht als Verbraucher angesehen werden, weil zu ihren Gesellschaftern eine juristische Person gehört. Deshalb ist unerheblich, zu welchem Zweck der Architektenvertrag geschlossen wurde.  Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats, wonach eine Wohnungseigentümergemeinschaft schon dann als Verbraucher anzusehen ist, wenn ihr mindestens eine natürliche Person angehört, die ein Rechtsgeschäft zu nicht gewerblichen Zwecken abschließt, hält der BGH für nicht einschlägig, weil der Gesellschafter einer GbR anders als ein Wohnungseigentümer grundsätzlich selbst entscheiden kann, mit wem er sich zusammenschließt.

Praxistipp: Die Entscheidung ist zu der bis 12.6.2014 geltenden Fassung von § 13 BGB ergangen. Sie dürfte aber uneingeschränkt auch für die neue Fassung gelten. Diese stellt lediglich klar, dass es bei Verträgen mit gemischter Zwecksetzung auf den überwiegenden Zweck ankommt.

Streitwert im Verfahren nach § 283a ZPO

Beantragt der Rechtsanwalt für seinen Mandanten im Rahmen eines Hauptsacheklageverfahrens zugleich eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO, erhält der Anwalt für diese Tätigkeit keine zusätzlichen Gebühren über die Verfahrens- und die Terminsgebühr nach dem Wert des Klageverfahrens hinaus (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG). Es ist nicht etwa dem Wert des Klageverfahrens noch ein Wert des Sicherungsanordnungsverfahrens hinzuzuaddieren. Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Sicherungsanordnung erhält der Anwalt die Verfahrensgebühr Nr. 3500 VV RVG. Es handelt sich um einen anderen Rechtszug. Das OLG Dresden hält für das Beschwerdeverfahren einen Wert in Höhe von 50 % der verlangten Sicherheit für gerechtfertigt, weil die Anordnung nach § 283a ZPO dem einstweiligen Rechtsschutz zuzuordnen ist und es lediglich um die Sicherheit gegen eine Ausfallgefahr geht. Im Einzelfall (z.B. Uneinbringlichkeit) könne auch ein höherer Wert gegeben sein (vgl. zum Ganzen den Beschluss des OLG Dresden v. 8.1.2016 – 5 W 1212/15).

Montagsblog: Neues vom BGH

„Blindes“ Unterschreiben eines Zeichnungsscheins
Urteil vom 23. März 2017  – III ZR 93/16

Mit den Voraussetzungen eines Verjährungsbeginns aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen befasst sich der III. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Beteiligungen an einer inzwischen insolventen Gesellschaft in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß. Es bejahte einen Beratungsfehler, weil die für die Beklagte tätige Beraterin die Anlage unzutreffend als sicher und risikolos dargestellt habe. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab, weil die Klägerin schon den im Zeichnungsschein enthaltenen Risikohinweisen habe entnehmen können und müssen, dass die Beratung unzutreffend sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sieht er es nicht als grob fahrlässig an, dass die Klägerin den ihr zur Unterschrift vorgelegten Zeichnungsschein nicht durchgelesen hat. Die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass die Auskünfte der Beraterin zutreffend sind, und musste nicht damit rechnen, dass der Text des Zeichnungsscheins hiervon substantiell abweichende Hinweise enthält. Grobe Fahrlässigkeit könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Beraterin die Klägerin ausdrücklich aufgefordert hätte, den Text vor der Unterschrift durchzulesen, und ihr die hierfür erforderliche Zeit eingeräumt hätte, oder wenn das Dokument deutlich ins Auge springende Warnhinweise enthalten hätte. Die Beraterin hatte den Zeichnungsschein indes am Ende des Gesprächs ohne weitere Hinweise zur Unterschrift vorgelegt, und die Warnhinweise waren nur im kleingedruckten Text enthalten.

Praxistipp: Je eindeutiger die Warnhinweise in den unterzeichneten Dokumenten sind, umso größer sind die erforderlichen Anstrengungen, um eine hiervon abweichenden Beratungsinhalt beweisen zu können. Im Streitfall hatte die Anlegerin das Glück, dass die als Zeugin vernommene Beraterin ihren Vortrag bestätigt hat.

Nutzung justizinterner Postübermittlung für fristgebundene Schriftsätze
Beschluss vom 29. März 2017  – XII ZB 567/16

Mit den Sorgfaltsanforderungen eines Anwalts bei der Einreichung fristgebundener Schriftsätze befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einem Berufungsverfahren hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers und Berufungsklägers die Berufungsbegründung nach seinem Vorbringen zwei Tage vor Ablauf der Frist kurz vor 8 Uhr morgens in ein beim örtlichen AG eingerichtetes Postaustauschfach eingelegt. Der Schriftsatz ging erst einen Tag nach Ablauf der Frist beim zuständigen OLG ein. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Nach Auskunft des AG werde das Postaustauschfach zwar grundsätzlich jeden Vormittag geleert und sein Inhalt an das OLG übermittelt. Ohne entsprechende Nachfrage habe der Prozessbevollmächtigte aber nicht auf eine rechtzeitige Weiterleitung seines Schriftsatzes vertrauen dürfen, zumal durch Aushang ausdrücklich darauf hingewiesen werde, in das Fach sollten keine Fristsachen eingelegt werden.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bestätigt die vom OLG herangezogene Rechtsprechung, wonach ein Anwalt, der einen Schriftsatz am letzten Tag der Frist in ein solches Austauschfach einlegt, nur dann auf eine rechtzeitige Weiterleitung vertrauen darf, wenn ihm dies von Seiten des Gerichts auf Nachfrage ausdrücklich zugesichert wird. Im Streitfall gelten jedoch geringere Anforderungen, weil der Schriftsatz schon zwei Tage vor Ablauf der Frist eingelegt wurde und damit noch drei volle Arbeitstage für die Weiterleitung zur Verfügung standen. Der Anwalt musste zwar damit zu rechnen, dass es aus dienstlichen Gründen zu Verzögerungen bei der Weiterleitung kommen könnte. Er durfte aber darauf vertrauen, dass die Übermittlung jedenfalls an einem der drei noch zur Verfügung stehenden Tage erfolgen würde. Aus dem Hinweis, in das Fach sollten keine Fristsachen eingelegt werden, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es zu weitergehenden Verzögerungen kommen könnte.

Praxistipp: Auch wenn ein Verschulden im konkreten Fall verneint wurde, wäre es in der beschriebenen Situation wohl weitaus wirtschaftlicher und sicherer, das Porto für eine Übermittlung per Post nicht zu scheuen.

Der VGH München hat noch einmal klargestellt, dass eine Festsetzung des Streitwerts nur erfolgt, wenn sich die in Betracht kommende Gerichtsgebühr nach einem Streitwert richtet (Beschluss v 24.02.2017, Az: M 5 V 16.5324). Insofern kommt eine Streitwertfestsetzung nicht in Betracht, wenn keine Gerichtsgebühren entstehen oder wenn die Gerichtsgebühr nur in Höhe eines Festbetrages entsteht.

Nur auf Antrag hat das Gericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen.

Wahrung der Vollziehungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren

Die Vorschriften der Absätze 2 und 3 des § 929 ZPO sind für die Praxis des einstweiligen Verfügungsverfahrens sehr bedeutungsvoll und für den Rechtsanwalt, der den Gläubiger/Antragsteller/Verfügungskläger vertritt, sehr regressträchtig.

In einem Verfahren vor dem OLG Dresden (Urt. v. 7.2.2017 – 4 U 1422/16, MDR 2017, 421) berief sich die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz auf die nicht gewahrte Vollziehungsfrist. Dieser Einwand darf auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden.

Die angefochtene einstweilige Verfügung war hier durch Urteil ergangen, das lediglich von Amts wegen zugestellt wurde. Einige Tage später stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln, darüber hinaus leitete er der Beklagten ein formloses Aufforderungsschreiben zu. Diese Maßnahmen alleine waren allerdings nicht ausreichend, um den Anforderungen des § 929 Abs. 2 und Abs. 3 zu genügen! Es wäre hier vielmehr nach h. M. erforderlich gewesen, die einstweilige Verfügung, auch wenn sie durch ein von Amts wegen zuzustellendes Urteil ergangen ist, erneut im Parteibetrieb zuzustellen, um den Willen, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen, ausreichend kund zu tun. Das formlose Aufforderungsschreiben reicht als Vollziehung selbstredend nicht aus.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln kann zwar als Vollziehung nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO angesehen werden, bleibt aber gemäß § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO ohne Wirkung, wenn nicht die einstweilige Verfügung in der dort genannten Frist zugestellt wird, was hier – wie bereits erwähnt – nicht geschehen ist.

Besonders zu beurteilen, sind allerdings Fälle, in denen eine Erledigung der Hauptsache eintritt. Dann muss natürlich nicht mehr zugestellt bzw. vollzogen werden. Eine solche Erledigung der Hauptsache konnte aber im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Denn: Da weder die einstweilige Verfügung zugestellt noch die Vollziehungsfrist eingehalten wurde, war der Antrag auf Feststellung der Erledigung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (hier: ein Verzicht auf die Ansprüche!) nicht zulässig und begründet gewesen.

BGH: Kein Anspruch gegen Anschlussinhaber, wenn Kind Zahlungen per Handy durchführt

In einer aktuellen Entscheidung lehnt der BGH (Urt. v. 6.4.2017 – III ZR 368/16) einen Zahlungsanspruch gegen einen Verbraucher ab, mit dessen Telefon ein 13-jähriges Kind über 0900-Premiumrufnummern Zahlungen für ein Onlinespiel durchgeführt wurden.

Der BGH lehnt eine Stellvertretung ab, insbesondere soll nicht die Figur der Anscheinsvollmacht zur Anwendung gelangen. Die speziellen Regelungen des § 45i Abs. 4 S. 1 TKG, die die Beweislast auf den Anschlussinhaber verlagern, sollen ebenfalls nicht zur Anwendung gelangen, da es hier primär um einen Zahlungsvorgang geht, der vorrangig durch z.B. § 675u BGB geregelt wird. Nach § 675u BGB scheidet ein Anspruch jedoch aus.

Unter dem Strich ist dies eine äußerst verbraucherfreundliche Entscheidung. Sie darf aber nicht verallgemeinert werden: Wird das Telefon nicht als reines Zahlungsmittel verwendet, werden Leistungen direkt am Telefon erbracht (Hotline, Zugriff auf Premium-Dienste vom Handy aus) dürfte der Telekommunikationsvorgang wieder im Vordergrund stehen, sodass nicht die Regelungen zu Zahlungdiensten, sondern das TKG einschlägig ist. Auch könnte im Einzelfall durchaus die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht eingreifen, insbesondere bei Umsätzen, die über mehrere Abrechnungszeiträume hinweg erkennbar gewesen wären.

Hinweis: Gerade aufgrund des massiven Missbrauchs mit Premiumdiensten, ist Anschlussinhabern in den meisten Fällen dazu zu raten, diese einfach sperren zu lassen.

Quelle: Die aktuelle Meldung über die Entscheidung des BGH v. 6.4.2017 – III ZR 368/16 finden Sie hier.

BGH: Fremde Bewertungen können solche des Portablbetreibers werden

Plattformbetreiber haften für fremde Meinungsäußerungen nur beschränkt. Rechtsprechung und Literatur haben ein ausgewogenes System entwickelt, das einerseits die Rechte des Bewerteten, andererseits aber auch die Meinungsfreiheit der Bewertenden wahrt.

In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall berief sich ein Plattformbetreiber auf diese lediglich vermittelnde Stellung zwischen Nutzer und bewertetem Unternehmen. Ausnahmsweise soll der Plattformbetreiber hier jedoch als unmittelbarer Störer doch haften.

Was ist passiert?

Der Plattformbetreiber hat auf eine Beschwerde hin eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Bewertenden die Bewertungsformulierung angepasst, die Bewertung hiernach veröffentlicht.

„Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt, hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten.“

Praxistipp:

Plattformbetreiber – auch abseits von Bewertungsportalen kann dies z.B. Forenbetreiber treffen – sollten im Falle von Beanstandungen die beanstandeten Inhalte zunächst sperren und den jeweiligen Nutzer zu einer Stellungnahme auffordern. Sollte diese ausbleiben, sollten die Inhalte dauerhaft gesperrt bleiben. Es ist tunlichst von einer eigenmächtigen Anpassung von Äußerungen abzusehen.

Für Personen, die von rechtverletzenden Äußerungen betroffen sind, erhöht dies die Rechtsschutzmöglichkeiten, da Bewertende sich teils nach einer solche Bewertung „den Frust von der Seele geschrieben“ haben und Tage, Wochen oder Monate später oft nur eine sehr geringe Bereitschaft besteht, sich mit den Inhalten nochmals auseinanderzusetzen. Die Löschung von Äußerungen wäre dann die Folge.

 

BGH Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 (Pressemitteilung)

Montagsblog: Neues vom BGH

Gesonderte Entscheidung über Wiedereinsetzungsgesuch
Beschluss vom 1. März 2017  – XII ZB 448/16

Eine haftungsträchtige prozessuale Situation behandelt der XII. Zivilsenat.

In einem familiengerichtlichen Verfahren über Trennungs- und Kindesunterhalt hatte das AG das Begehren der Antragstellerin teilweise zurückgewiesen. Die Antragstellerin beantragte Verfahrenskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren. Am letzten Tag der Rechtsmittelfrist legte sie zusätzlich Beschwerde ein, allerdings nicht, wie in § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG vorgeschrieben, beim AG, sondern beim OLG. Das OLG wies die Anträge auf Verfahrenskostenhilfe und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Einige Wochen später verwarf es die Beschwerde als unzulässig.

Der BGH verwirft die (gemäß § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG und § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO ohne Zulassung statthafte) Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, weil die Entscheidung des OLG keine grundsätzlichen Fragen aufwirft und inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Das OLG hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des AG zu Recht als unzulässig angesehen, weil das Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wurde. Einwendungen gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags sind der Antragstellerin versagt, weil sie diesen Beschluss nicht rechtzeitig angefochten hat. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG und § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO wäre zwar auch dieser Beschluss mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde anfechtbar gewesen. Die Antragstellerin hat diese Möglichkeit aber nicht genutzt. Deshalb ist der Zurückweisungsbeschluss bindend geworden und die Antragstellerin kann sich auf den darin beschiedenen Wiedereinsetzungsgrund nicht mehr berufen.

Praxistipp: Trotz rechtskräftiger Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsgesuchs kann die betroffene Partei weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend machen, wenn die hierfür in § 234 ZPO vorgesehene Frist noch nicht abgelaufen ist.

BGH: Eltern müssen Namen der rechtsverletzenden Kinder nennen

In Filesharingfällen besteht zunächst die Vermutung, dass der Anschlussinhaber zugleich auch Verletzer der fremden Urheberrechte ist. Es ist Aufgabe des Anschlussinhabers im Rahmen de sekundären Darlegungslast, diese Vermutung zu erschüttern.

In einem typischen Filesharingfall hatte der Anschlussinhaber mitgeteilt, dass ein volljähriges Kind die Verletzung begangen habe, ohne aber den Namen zu nennen. Der Beklagte berief sich auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, teilte aber zugleich mit, den Verletzer zu kennen.

Das reichte dem BGH nicht aus, der auch die Eigentumsrechte der Rechteinhaber berücksichtigte, sodass es bei der Haftung des Anschlussinhabers verblieb.

Jens Ferner weist zutreffend darauf hin, dass sich aus den Entscheidungsgründen noch weitere wichtige Erkenntnisse ergeben könnten, die zum Stand der Veröffentlichung dieses Beitrages noch nicht vorlagen.

Praxistipp:
Der Praxistipp ergibt sich aus der Quintessenz des Urteils: Kennt der Anschlussinhaber den Täter namentlich, muss dieser auch angegeben werden. Nachforschungen auf fremdem PCs z.B. sind nicht vom Anschlussinhaber geschuldet. Anschlussinhaber sollten möglichst wenig zur Sachverhaltsaufklärung unternehmen. Beckmann und Norda kommentieren den Fall zutreffend: „Leider ist der Anschlussinhaber im vorliegenden Fall bei der Abwehr der Ansprüche nicht sonderlich geschickt vorgegangen.“
Aufgrund der höchstrichterlichen Klärung dieser Fallgestaltung, dürfte es in Zukunft nur noch in wenigen Fällen zu einer identischen Konstellation kommen, da das Aufklärungsinteresse des kundigen Anschlussinhabers gegen null tendieren dürfte.
BGH , Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16

Veranstaltergleich angebotene Ferienwohnungen müssen Pauschalreisen bleiben!

Es besteht die Gefahr, dass bei der derzeitigen Reform des Pauschalreiserechts durch die Richtlinie 2015/2302 durch die Koalition in Berlin Ferienwohnungen von Veranstaltern und Agenturen aus dem Pauschalreiserecht herausgenommen werden. Damit würde nach Meinung von Reiserechtlern ein über 40 Jahre bewährtes Verbraucherschutzrecht auf unerträgliche Weise abgesenkt. Der Bundesgerichtshof bestätigt seit Jahrzehnten diesen deutschen Sonderweg in der EU und wendet das den Verbraucher schützende Reisevertragsrecht auch auf Ferienwohnungen und Hotelzimmer bei Urlaubsreisen an, wenn diese Unterkünfte aus dem Angebot eines Reiseveranstalters oder einer Agentur stammen.

Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesregierung sich erst über Jahre hinweg in Brüssel bei der Schaffung der neuen Pauschalreiserichtlinie erfolgreich für diesen besonderen deutschen Verbraucherschutz einsetzt, Brüssel ihn dann auch in der Richtlinie ausdrücklich zulässt und er nun gestrichen würde. Im Juni letzten Jahres wurde im Referentenentwurf des neuen Pauschalreisegesetzes dieser Verbraucherschutz auch gesetzlich absichert. Auf Druck der CDU/CSU und der touristischer Lobbyisten wurde dann im Gesetzgebungsverfahren diese wichtige Urlaubsart sang und klanglos ohne Begründung im Gesetzesentwurf gestrichen!

Bei der Anhörung der juristischen Sachverständigen im Rechts- und Verbraucherausschuss kämpften nicht nur die Juristen der Verbraucherzentralen, sondern Prof. Dr. Klaus Tonner (Universität Rostock) und ich für die analoge Anwendung des Pauschalreiserechts, um diesen langjährigen Verbraucherschutz aufrechtzuerhalten. Bis heute ist im Gesetzgebungsverfahren meines Wissens noch keine Entscheidung zwischen SPD und CDU gefallen, obwohl die Reform bis Juni spätestes unter Dach und Fach sein muss, da der Wahlkampf vor der Türe steht und die EU eine Frist bis Jahresende gesetzt hat.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Urlauber nur bei Anwendung des Pauschalreiserechts umfangreiche Informationsrechte besitzt, seine Kundengelder bei Insolvenz des Veranstalters oder der Agentur abgesichert sind, das bessere Stornorecht gilt und er Reisemängel der Ferienwohnungen nach deutschem Reiserecht am Sitz des Veranstalters durchsetzten kann. Käme nur das mietrechtliche Beherbergungsrecht zur Anwendung, würde bei ausländischen Ferienwohnungen das dortige Gericht nach ausländischem Recht entscheiden. Auch könnten sich die Anbieter durch AGB-Klauseln aus dem deutschen Recht „heraus wählen“. Bei den gar nicht seltenen Pleiten der Agenturen, wäre der gezahlte Reisepreis nicht Insolvenz geschützt und es könnte keine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend gemacht werden.

Vielfach wird zu Unrecht behauptet, dass Ferienwohnungen von Privatvermietern und deren Vermittlung durch die Reform betroffen seien. Dem ist energisch zu widersprechen. Es geht nur um Ferienwohnungen aus dem Angebot von Reiseveranstaltern und Agenturen, deren Geschäftszweck darin besteht, Pauschalreisen sowie einzelne Reiseleistungen dieser Kombination als Eigengeschäft anzubieten. Damit ist die Vermittlung von Ferienwohnungen von Privatvermietern und Hotels nicht von der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Pauschalreiserechts betroffen. Bei der richtig durchgeführten Vermittlung solcher Ferienunterkünfte wird dem Mieter der Vermieter namentlich im vermittelten Beherbergungsvertrag genannt. Die Reform will dagegen nur solche Ferienwohnungen erfassen, welche veranstaltergleich als Eigengeschäft dem Urlauber angeboten werden, also ohne Offenlegung eines Vermieters.