EU-Lieferkettengesetz – Einigung im Trilog zwischen Rat und Parlament über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (Corporate Sustainabilty Due Diligence Directive – CSDDD)

Nach dem Vorbild einzelner Mitgliedstaaten (Frankreich, Niederlande, Bundesrepublik Deutschland) hat die EU-Kommission bereits am 23.2.2022 einen Vorschlag für eine große, sektorübergreifende Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vorgelegt (Vorschlag für eine Richtlinie des Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, COM(2022) 71 final), der einerseits deutlich über die nationalen Vorbilder wie das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (LkSG) hinausging und deshalb auf ein überaus kritisches Echo aus den Reihen der Wirtschaft gestoßen ist, andererseits aber großen Teilen des Europäischen Parlaments und den in Brüssel durchaus einflussreichen „Akteuren der Zivilgesellschaft“ zu unambitioniert erschien. Die damit notwendigen Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Rat, Kommission und Parlament, die sich zunächst durchaus zäh gestalteten, sind nunmehr am 14.12.2023 mit einer vorläufigen Einigung erfolgreich abgeschlossen worden (knappe Pressemitteilung des Rates „Corporate Sustainability Due Diligence: Council and Parliament strike deal to protect environment and human rights“; zusätzliche Informationen in der gemeinsamen Pressekonferenz von Lara Wolters, Berichterstatterin für das Parlament, Justizkommissar Didier Reynders, und dem Spanischen Staatssekretär Gonzalo García Andrés).

Im Folgenden werden nach einem kurzen Überblick über Ziele und Mechanik der CSDDD die wesentlichen Parameter der Trilog-Einigung vorgestellt.

Gegenstand

Wie französisches loi de vigilance und deutsches LkSG zielt auch die CSDDD darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Verhalten zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung von Unternehmen (stärker) zu verankern. Unternehmen sollen potenzielle negative Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen, insbesondere auch in ihren Lieferketten innerhalb und außerhalb Europas. Wie in den nationalen Lieferkettengesetzen liegt der Schwerpunkt der CSDDD damit in der Inpflichtnahme von Unternehmen für die Sicherstellung menschenrechtskonformen und umweltverträglichen Handelns nicht nur innerhalb ihres eigenen unmittelbaren Verantwortungsbereichs, sondern auch auf Ebene ihrer Lieferanten. Der ordnungspolitische Gleichlauf von Haftung und Herrschaft wird also bewusst suspendiert. Hierzu legt die CSDDD Pflichten großer Unternehmen hinsichtlich tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte für ihre Lieferkette fest. Auf Drängen des Parlaments erstrecken sich die Sorgfaltspflichten dabei nicht allein auf die Lieferkette (supply chain) im engeren Sinne, also praktisch die Beschaffungsseite, sondern teilweise auch auf nachgelagerte Aktivitäten des Unternehmens, etwa Recycling sowie auch vor allem den Vertrieb. Die Instrumente, mit denen diese Zielsetzungen umgesetzt werden (sollen), entsprechen im Ausgangspunkt denen des deutschen LkSG, also die Statuierung von Sorgfaltspflichten, deren Einhaltung insbesondere durch Risikoanalyse und Lieferketten-Risikomanagement realisiert werden soll.

Erfasste Unternehmen, Ausklammerung des Finanzsektors

Zu den zwischen Rat und Parlament, aber auch in der allgemeinen politischen Debatte besonders kontrovers diskutierten Punkten gehörte von Beginn an die Reichweite bzw. der Anwendungsbereich der anspruchsvollen Richtlinie. Nach dem Trilog-Kompromiss sind die neuen Pflichten grundsätzlich von EU/EWR-Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 150 Mio. € zu beachten, womit der allgemeine Schwellenwert des ursprünglichen Kommissionsentwurfs übernommen wird (Art. 2 Abs. 1 lit. a) CSDDD-E). Unternehmen aus Drittstaaten unterliegen den Vorgaben hingegen (nur) dann, wenn sie EU/EWR-weite Umsätze von 300 Mio. € realisiert haben. Noch weitergehenden Forderungen nach einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der CSDDD, der bereits in der Kompromissfassung deutlich über den des LkSG hinausreicht, haben sich Kommission und Rat mit der Erwägung verschlossen, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) von den voraussichtlich nicht unerheblichen Bürokratiekosten einer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Richtlinie freizuhalten. Soweit KMU mittelbar – d.h. als Teile der Lieferkette CSDDD-verpflichteter großer Unternehmen – mit den weitreichenden Sorgfaltspflichten konfrontiert sind, hat die Kommission zudem angekündigt, durch Guidance – etwa in Form von Technical Standards – unterstützen zu wollen.

Nach der allerdings etwas uneinheitlichen Kommunikation von Rat und Parlament bis auf Weiteres ausgeklammert bleiben soll der Finanzsektor. Dies bedarf der Konkretisierung. Für die eigene, typischerweise wirtschaftlich nicht zentrale Lieferkette im eigentlichen Sinne („upstream“) haben auch Unternehmen des Finanzsektors bei Überschreiten der Größenkriterien die entsprechenden Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Womit sich das Parlament hingegen vorläufig nicht durchzusetzen vermocht hat, ist die „Wertschöpfungskette“ (value chain) des Finanzsektors insgesamt, d.h. auch „downstream“ zu erfassen, also praktisch Kredit- und Portfolioentscheidungen gleichfalls dem Pflichtenregime der CSDDD zu unterstellen. Das Parlament betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass auch für den Finanzsektor die Verpflichtung gilt, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, wovon man sich ersichtlich zumindest mittelbare Effekte für Kreditvergabe und Asset Management erhofft.

Schädliche Umweltauswirkungen

Nach Art. 7 Abs. 1 CSDDD i.d.F. des Kommissionsentwurfes haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die erfassten Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu vermeiden oder, falls sie nicht oder nicht unmittelbar vermieden werden können, zumindest angemessen abzuschwächen. Hinsichtlich des bis zuletzt umstrittenen Begriffs der schädlichen Umweltauswirkungen sieht die Einigung nunmehr vor, dass unter Umweltauswirkung in diesem Sinne jede messbare Umweltverschlechterung wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen oder übermäßiger Wasserverbrauch oder andere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen zu verstehen ist.

Emissionsreduktionsplan (Climate Transition Plan)

Ersichtlich ein Alleinstellungsmerkmal der CSDDD ist die weitere Verpflichtung erfasster Unternehmen, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, der sicherstellen soll, dass Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind (Art. 15 Abs. 1 CSDDD-E). In diesem Zusammenhang soll auch die Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitungsorgane u.a. davon abhängen, ob ein entsprechender Emissionsreduzierungsplan aufgestellt und umgesetzt wird.

Sanktionen

Praktisch nach dem mittlerweile bekannten Sanktionsmodell der Europäischen Union sieht die Trilog-Einigung für Verstöße gegen die Richtlinie zunächst am Umsatz orientierte Bußgelder vor, die eine Höhe von maximal 5% des Nettoumsatzes des Unternehmens erreichen können. Wie der Rekurs auf den Begriff des Unternehmens offenbart, ist Berechnungsgrundlage dabei der Umsatz der Gruppe und nicht etwa der Einzelgesellschaft, die für einen bußgeldbewährten Verstoß verantwortlich zeichnet. Mit 5% des Nettoumsatzes geht die Richtlinie deutlich über die umsatzbezogenen Bußgelder gem. § 24 Abs. 3 LkSG (bis zu 2%) hinaus.

Anders als das LkSG sieht die CSDDD zudem ausdrücklich zivilrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen vor. „Betroffene“ können innerhalb einer Frist von fünf Jahren zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Einigermaßen fragwürdig ist, dass als Betroffene nicht nur Gewerkschaften, sondern – hinreichend unspezifisch – auch „Organisationen der Zivilgesellschaft“ klagebefugt sein sollen. Die traditionellen und durchaus nicht unbegründeten Vorbehalte gegen Popularklagen scheint man in Brüssel ersichtlich nicht (mehr) zu teilen. Auch bei der Darlegungs- und Beweislast will der Trilog-Kompromiss „Anwälten der Öffentlichkeit“ deutlich entgegenkommen.

Als weitere Sanktion können Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten gemäß CSDDD schließlich mit einem Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren geahndet werden. Dies spiegelt letztlich § 22 LkSG, der gleichfalls bei Verstößen einen Ausschluss bei der Berücksichtigung öffentlicher Aufträge vorsieht.

Stakeholder-Beteiligung

Von der CSDDD erfasste Unternehmen sollen zudem verpflichtet werden, als Bestandteil des Due-Diligence-Prozesses eine sinnvolle Beteiligung (meaningful engagement), einschließlich eines Dialogs und einer Konsultation mit den „betroffenen Interessengruppen“ durchzuführen. Dies dürfte in der Praxis darauf hinauslaufen, dass Unternehmen neben ihren Arbeitnehmern im Einzelfall auch mehr oder weniger legitimierte NGO – wie etwa „environmental defenders“ (Lara Wolters) – konsultieren müssen.

Ausblick

Da die Trilog-Verhandlungen als informelles Verständigungsverfahren keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten, müssen die Institutionen im nächsten Schritt die Ergebnisse des Kompromisses formell annehmen. Im Anschluss sind die Mitgliedstaaten zur Überführung in nationales Recht verpflichtet, wobei der Kommissionsentwurf hierfür zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der CSDDD einräumt (vgl. Art. 30 CSDDD-E). Ob das europäische Lieferkettenregime den großen Erwartungen seiner Befürworter gerecht zu werden vermag oder sich in einer schematisch ablaufenden Auditierungsübung („check the box“ mittels Länder-Clustern etc.) erschöpfen wird, wird erst die Zukunft zeigen. Der Vorschlag der Kommission ist insoweit recht großzügig und sieht eine Evaluierung des neuen Regimes erst sieben Jahre nach Inkrafttreten und damit fünf Jahre nach Umsetzung in nationales Recht vor.

Zukunftsfinanzierungsgesetz: Änderungen im Parlament

Nach dem Eckpunktepapier vom Juni 2022 (s. etwa Kuthe, AG 2022, R208), dem Referentenentwurf vom April 2023 (dazu u.a. Harnos, AG 2023, 348; Joser, ZIP 2023, 1006; von der Linden/T. Schäfer, DB 2023, 1077) und dem Regierungsentwurf vom August 2023 (hierzu u.a. Kuthe/Reiff, AG 2023, R308; von der Linden/T. Schäfer, DB 2023, 2292) hat der Bundestag am 17.11.2023 das Zukunftsfinanzierungsgesetz beschlossen und dabei einige Änderungen vorgenommen, die auf Vorarbeiten des Finanzausschusses zurückgehen (BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363). Nun steht das ZuFinG auf der Tagesordnung der 1038. Bundesratssitzung am 24.11.2023 (TOP 58). Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf werden im Folgenden dargestellt.

Aktienrecht

Die Neuregelungen der Mehrstimmrechtsaktie, eAktie und SPACs haben das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren weitgehend unverändert verlassen. Die Änderungen, die der Finanzausschuss angestoßen hat, sind redaktioneller Natur:

  • Die Neuregelung in § 67 Abs. 1 Satz 7 AktG, der eine Informationsversorgung von Emittenten elektronischer Aktien sicherstellen soll (hierzu Begr. RegE ZuFinG, BT-Drucks. 20/8292, 109 f.), wird auf § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG i.d.F. des MoPeG erstreckt. Damit sollen Emittenten elektronischer Aktien auch mit Informationen über Aktionäre, die eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sind, versorgt werden (s. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 127 – Vorabfassung).
  • Im Vergleich zum Regierungsentwurf neu gefasst wurde § 12 Satz 2 AktG. Die Mehrstimmrechtsaktien sind darin nun vor den Vorzugsaktien genannt, was ausweislich des Ausschussberichts deutlich machen soll, dass die Mehrstimmrechtsaktie keine Unterart der Vorzugsaktie ist (BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 127 – Vorabfassung; zur anderweitigen Deutung des § 12 Satz 2 AktG i.d.F. des RegE ZuFinG s. von der Linden/T. Schäfer, DB 2023, 2292). Nach § 135a Abs. 4 AktG n.F. berechtigen – und nicht berechtigten – die Mehrstimmrechtsaktien bei Beschlüssen nach § 119 Abs. 1 Nr. 5, § 142 Abs. 1 AktG zu nur einer Stimme. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 WpHG n.F., der an § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG n.F. angelehnt ist, muss der Inlandsemittent bei einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten die Gesamtzahl der Stimmrechte unter Angabe der auf diese entfallenden Anzahl von Mehrstimmrechten veröffentlichen.

Auch im Bereich des Kapitalerhöhungsrechts bleiben einige Elemente des Regierungsentwurfs erhalten: Der Bundestag hat es bei der Anhebung der Wertgrenzen in § 186 Abs. 3 Satz 4, § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG n.F. belassen (dazu statt vieler Harnos, AG 2023, 348 Rz. 17 ff.) und auch nicht den Riegel des § 202 Abs. 1 Satz 2 AktG n.F. entfernt, wonach die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien nicht im Rahmen des genehmigten Kapitals vorgesehen werden kann (hierzu etwa Kuthe/Reiff, AG 2023, R308, R309; von der Linden/T. Schäfer, DB 2023, 2292, 2293). Größere Anpassungen inhaltlicher Art hat das parlamentarische Verfahren im Kontext des Wertverwässerungsschutzes gem. §§ 255 ff. AktG n.F. nach sich gezogen. Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, die im Wesentlichen den Vorschlägen von Bungert/Strothotte, DB 2023, 2422, 2424 entsprechen, verringern aus der Perspektive der Emittenten und Inferenten die Hürden und Risiken bei Sachkapitalerhöhungen, führen aber auch zu einer spürbaren Absenkung des Aktionärsschutzniveaus:

  • Nach § 255 Abs. 2 und 4 AktG n.F. sollen die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre auch in Fällen des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses i.S.d. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG n.F. weder den Kapitalerhöhungsbeschluss anfechten noch einen Barausgleich verlangen können. Dies soll augenscheinlich auch dann gelten, wenn der Börsenkurs – dem der Wert der neu geschaffenen Aktien gem. § 255 Abs. 5 Satz 1 AktG n.F. grundsätzlich entsprechen muss – gem. § 255 Abs. 5 Satz 3 AktG n.F., also bei Verletzung der Ad-hoc Pflicht (Nr. 1), Marktmanipulation (Nr. 2) oder Marktenge (Nr. 3), nicht allein maßgeblich ist und deshalb eine Unternehmensbewertung durchgeführt werden muss.
  • Überdies ist § 255 Abs. 4 Satz 3 AktG i.d.F. des RegE ZuFinG weggefallen. Die Vor-schrift sah einen Freistellungsanspruch der gem. § 255 Abs. 4 Satz 2 AktG i.d.F. des RegE ZuFinG barausgleichspflichtigen Gesellschaft gegen den neu eintretenden Aktionär vor.

Investmentrecht

Gemäß §§ 231, 260b, 261, 284 KAGB i.d.F. des RegE ZuFinG sollten Immobilienfonds zu Investitionen in Grundstücke ermächtigt werden, auf denen sich ausschließlich Erneuerbare-Energien-Anlagen befinden oder auf denen solche Anlagen alsbald errichtet werden sollen (Freiflächenanlagen). Zudem sollte die Zulässigkeit von Erwerb und Betrieb von mit Immobilien verbundenen Erneuerbare-Energien-Anlagen (Aufdachanlagen) und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sowie von Direktinvestitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen durch Infrastrukturfonds klargestellt werden. All diese Regelungen, die die Energiewende durch privates Kapital ankurbeln sollten (s. Begr. RegE ZuFinG, BT-Drucks. 20/8292, 154 ff.), wurden auf Vorschlag des Finanzausschusses gestrichen (vgl. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 130 – Vorabfassung). Die Koalitionsfraktionen haben aber zu Protokoll erklärt, dass die Erweiterung der Investmentoptionen für Immobilienfonds im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 aufgegriffen werden soll (BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 106 – Vorabfassung).

Bank- und Kapitalmarktrecht

Im Bereich des Crowdfunding hat der Bundestag die Neufassung der Regelungen über die Haftung für Angaben im Anlagebasisinformationsblatt in §§ 32c ff. WpHG, die namentlich auf Vermeidung der persönlichen Geschäftsleiteraußenhaftung bei Crowdfunding-Plattformbetreibern abzielen (im Einzelnen Begr. RegE ZuFinG, BT-Drucks. 20/8292, S. 94), mit der neuen Übergangsregelung in § 143 WpHG flankiert. Damit hat er den zeitlichen Geltungsbereich der reformierten Haftungsvorschriften auf Fälle erstreckt, in denen das fehlerhafte Anlagebasisinformationsblatt vor dem Inkrafttreten des ZuFinG erstellt, der Crowdfunding-Vertrag aber nach dem Inkrafttreten abgeschlossen wurde (BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 127 – Vorabfassung).

In Umsetzung des Koalitionsvertrags (vgl. dort S. 135) hat der Bundestag das Koppelungsverbot des § 492a BGB in einem neuen Abs. 1a auf Fälle erstreckt, in denen der Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags vom Abschluss eines Restschuldversicherungsvertrags abhängig gemacht wird (BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 126 – Vorabfassung). Flankiert wird diese Regelung durch die Neufassung des § 7a Abs. 5 VVG: Künftig darf ein Versicherer einen Restschuldversicherungsvertrag, der sich auf einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag bezieht, nur dann abschließen, wenn der Versicherungsnehmer die Vertragserklärung frühestens eine Woche nach Abschluss des Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags abgegeben hat (im Einzelnen BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 131 – Vorabfassung). Etwaige Verstöße gegen die neuen Verbotsgesetze führen nach § 492a Abs. 2 BGB n.F., § 7a Abs. 5 Satz 2 VVG n.F. zur Nichtigkeit des Restschuldversicherungsvertrags, nicht aber des Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags.

Mit den Änderungen der §§ 16 ff. ZKG n.F. wird das Konzept des zertifizierten privaten Betriebs von Vergleichswebseiten über Zahlungskontenentgelte aufgegeben. Künftig wird ausschließlich die BaFin eine Vergleichswebseite betreiben (vgl. auch BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 130 – Vorabfassung).

Die Bereichsausnahme für die AGB-Kontrolle in der Finanzbranche in § 310 Abs. 1a BGB n.F. wurde minimalinvasiv geändert: Nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 1a Satz 1 BGB i.d.F. des RegE ZuFinG sollte die Bereichsausnahme eingreifen, wenn ein Vertragspartner eine Finanzdienstleistung i.S.d. § 310 Abs. 1a Satz 2 BGB n.F. rechtmäßig gewerbsmäßig tätigt. Nunmehr soll es darauf ankommen, ob der Vertragspartner die Finanzdienstleistung rechtmäßig gewerbsmäßig tätigen kann. Überdies wird der Kreis privilegierter Unternehmen in § 310 Abs. 1a Satz 4 Nr. 5 BGB n.F. auf Zentralbanken der EWR-Staaten und des Vereinigten Königreichs erweitert (s. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 126 – Vorabfassung).

Steuerrecht

Der Regierungsentwurf wollte die Leistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten von der Umsatzsteuer befreien, um die Rahmenbedingungen für Konsortialführer an den Standard in den anderen EU-Mitgliedstaaten anzugleichen (Begr. RegE ZuFinG, BT-Drucks. 20/8292, 133), und schlug eine entsprechende Erweiterung des Ausnahmekatalogs in § 4 Nr. 8 UStG vor. Der Bundestag hat diese steuerlichen Erleichterungen für die Kreditbranche wegen der potenziellen finanziellen Auswirkungen und der angespannten Haushaltslage gestrichen (zum Entfall der Steuermindereinnahmen i.H.v. 100 Mio. € vgl. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 130 – Vorabfassung). Spielte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des zweiten Nachtragshaushalts 2021 insoweit eine zentrale Rolle?

Überdies wollte die Ministerialbürokratie im Zuge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes einige Hebel im Steuerrecht bewegen, um die Anreize für Aktieninvestitionen zu erhöhen (hierzu etwa Lay/Neubauer/Schäfer, AG 2023, R156 ff.): Bei Mitarbeiterkapitalbeteiligung sollte die Regelung zur Lösung des Dry-Income-Problems in § 19a EStG verbessert werden. Außerdem sollte der Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG i.d.F. des RegE ZuFinG von 1.440 € auf 5.000 € pro Kalenderjahr angehoben werden.

Der Bundestag hat die Dry-Income-Regelung nachjustiert. Nach § 19a Abs. 1 Satz 3 EStG n.F. gilt ein nicht steuerbarer Vorteil i.S.d. § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. auch dann als zugeflossen, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen. Mit dieser begrüßenswerten Änderung hat das Parlament auf den Umstand reagiert, dass Mitarbeiter von Start-ups in aller Regel mit vinkulierten Anteilen vergütet werden, was nach § 19a EStG a.F. dazu führte, dass sie nicht in den Genuss der aufgeschobenen Besteuerung kamen (vgl. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 129 – Vorabfassung). Diese Änderung dürfte in der Tat die Aktienkultur fördern. Gegenläufig könnten sich indes weitere Änderungen des Einkommensteuerrechts gegenüber dem Regierungsentwurf auswirken:

– Die Nachversteuerungsfrist des § 19a Abs. 4 EStG wurde im Vergleich zum Regierungsentwurf von 20 auf 15 Jahre verkürzt.

– Die Konzernklausel, die noch in § 19a Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des RegE ZuFinG vorgesehen war, ist weggefallen. Damit genießen Arbeitnehmer, die nicht mit Anteilen des Arbeitgebers, sondern eines Konzernunternehmens i.S.d. § 18 AktG vergütet werden, keine steuerliche Privilegierung nach § 19a EStG.

– Der Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG wird auf lediglich 2.000 € angehoben. Auch insoweit könnte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des zweiten Nachtragshaushalts 2021 eine gewisse Rolle gespielt haben (zum Wegfall der Steuermindereinnahmen i.H.v. 225 Mio. € durch Absenkung des Freibetrags gegenüber dem Regierungsentwurf vgl. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 129 – Vorabfassung).

Schließlich wird die Einkommensgrenze bei der Arbeitnehmer-Sparzulage für die Anlage der vermögenswirksamen Leistungen in Vermögensbeteiligungen und Bausparverträge nach § 13 Abs. 1 Satz 1 5. VermBG verdoppelt (40.000 € statt 20.000 € bei Einzelveranlagung und 80.000 € statt 40.000 € bei Zusammenveranlagung, vgl. BeschlussE FinanzA ZuFinG, BT-Drucks. 20/9363, 132 – Vorabfassung).

Squeeze Out: BGH zur Relevanz des Barwerts der Ausgleichszahlung – ist damit alles geklärt?

Bei einem Squeeze Out sowie bei Vorliegen eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags (kurz: „Unternehmensvertrag“) stellt sich die Frage der Relevanz der in der Regel festen Ausgleichszahlung (auch „Garantiedividende“) für die Bemessung der Barabfindung. Der BGH (v. 12.1.2016 – II ZB 25/14, AG 2016, 359) hatte in der „Nestlé“-Entscheidung 2016 die Frage, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen (kurz: „BdA“) neben dem Börsenkurs als (weitere) Untergrenze zu berücksichtigen ist, explizit noch offengelassen. In der Folge hatte das OLG Düsseldorf (v. 15.11.2016 – 26 W 2/16, AG 2017, 672) unter Bezugnahme auf rechtliche Argumente die Auffassung bekräftigt, der BdA sei prinzipiell nicht zu berücksichtigen. Dagegen hatte das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 20.11.2019 (21 W 77/14, AG 2020, 298) ausgeführt, der BdA sei als Mindestwert zu berücksichtigen, und die Rechtsfrage dem BGH vorgelegt.

In seinem Beschluss vom 15.9.2020 (II ZB 6/20, AG 2020, 949 – „Wella III“) hält der BGH nunmehr zunächst allgemein fest, die angemessene Barabfindung könne nach dem BdA bestimmt werden, wenn dieser höher als der anteilige Unternehmenswert ist, der Unternehmensvertrag zum nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt bestand und von seinem Fortbestand auszugehen war. Die Diskontierung der festen Ausgleichszahlungen sei eine Methode zur Errechnung des Barwerts des Fruchtziehungsrechts. Ob der BdA, der quotale Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahren oder eine Kombination aus beiden den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbilde, sei eine Frage des Einzelfalls.

Im Hinblick auf die Relevanz des BdA als Untergrenze argumentiert der BGH mit dem OLG Frankfurt über die Vermögensposition des außenstehenden Aktionärs. Infolge der Übertragung der Aktie verliere der Minderheitsaktionär seine Stellung als außenstehender Aktionär und damit den Anspruch auf die Garantiedividende. Für den Minderheitsaktionär bestimme sich der Wert der Unternehmensbeteiligung primär durch die Erträge, die er ohne Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär zukünftig erhalten hätte. Während der Laufzeit des Unternehmensvertrags seien das die Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG. Der Ausgleichsanspruch ersetze (allerdings) nur die Aussicht auf Dividende, nicht aber den Anteil an der Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch bestehe. Daher stelle der BdA regelmäßig nur den Mindestwert der Abfindung dar.

Im Ergebnis hat der BGH mit der „Wella III“-Entscheidung die vorgelegte Rechtsfrage nunmehr im Sinne einer notwendigen Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen entschieden. Allerdings ergeben sich für die Bewertungs- und Rechtspraxis weiterhin interessante Auslegungs- und Umsetzungsfragen, die in diesem Blog-Beitrag nur angerissen werden können. Für eine ausführlichere Diskussion der BGH-Entscheidung sowie für eine Diskussion weiterer Entscheidungen und Entwicklungen in Spruchverfahren aus dem Jahr 2020 verweisen wir auf unseren Beitrag   „Unternehmensbewertung im Spiegel der Rechtsprechung – Entwicklungen im Jahr 2020“ in AG 2021, 296.

In methodischer Hinsicht stellt sich zunächst die Frage, ob eine zeitlich erst nach dem Squeeze Out im Spruchverfahren zum Unternehmensvertrag rechtskräftig erhöhte Ausgleichszahlung (nachträglich) heranzuziehen ist. Darüber hinaus ist der für die Diskontierung der Ausgleichszahlungen (risiko-)adäquate Zinssatz zu ermitteln. Daneben eröffnen die Entscheidungen des BGH in Sachen „Nestlé“ und „Wella III“ Interpretationsspielräume, ob der Börsenkurs ggf. keine Untergrenze im Sinne des BGH darstellt.

Ob der BdA, der anteilige Ertragswert oder eine Kombination aus beiden den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, ist nach der Auffassung des BGHs eine Frage des Einzelfalls. Sofern aus der Sicht des Bewertungsstichtags (vereinfachend) von einer unendlichen Laufzeit des Unternehmensvertrags ausgegangen wird und der BdA (berechnet über die Formel der ewigen Rente) über dem anteiligen Ertragswert und dem Börsenkurs liegt, greift entsprechend dem BGH – im Sinne einer Meistbegünstigung – der BdA als Untergrenze der Abfindung. Wird dagegen eine begrenzte Laufzeit prognostiziert, dürfte der Kombinationswert greifen. Dabei wird für die prognostizierte Laufzeit des Unternehmensvertrags der Barwert der festen Ausgleichszahlungen angesetzt und der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert des anteiligen Ertragswerts nach der erwarteten Beendigung des Unternehmensvertrages addiert. Der Prognose einer realistischen Laufzeit des Unternehmensvertrags unter Abstraktion von dem Squeeze Out kommt somit eine maßgebliche Bedeutung zu. Wirtschaftlich entscheidend sind dabei die planerischen Überlegungen der herrschenden Gesellschaft. Von gewichtiger Bedeutung ist daher der vom BGH bei den Ausführungen zum Verhältnis zwischen BdA und Börsenkurs gegebene Hinweis auf die wirtschaftliche Interessenlage der betroffenen Parteien. Dazu wird vom BGH darauf hingewiesen, dass ein Unternehmensvertrag, der erheblich über dem Ertragswert liegende Ausgleichszahlungen gewährt, nicht dauerhaft von Bestand sein werde. Dahinter steht die wirtschaftliche Überlegung, dass für ein vertraglich herrschendes Unternehmen in einem solchen Fall die festen Ausgleichszahlungen „teurer“ sind als der entsprechende Anspruch der außenstehenden Aktionäre an der beherrschten Gesellschaft ohne Unternehmensvertrag. Für das herrschende Unternehmen bzw. den Mehrheitsaktionär wäre in einem solchen Fall grundsätzlich die Beendigung des Unternehmensvertrags ökonomisch rational.

Aus einer entscheidungstheoretischen Sicht ist die somit vom BGH angeregte Vornahme von wirtschaftlichen Rationalitätsüberlegungen zu begrüßen. Genauso wie der Ertragswert über den Börsenkurs und/oder Multiplikatoren und der Börsenkurs über den Ertragswert zu plausibilisieren ist, besteht die Notwendigkeit den (rein technisch) ermittelten BdA ökonomisch zu plausibilisieren. Bei dieser Plausibilisierung ist der BdA dem quotalen Ertragswert gegenüberzustellen. Dabei sollten nicht nur die Plausibilität der unterstellten Laufzeit, sondern auch die weiteren im Rahmen der Ermittlung des BdA angesetzten Parameter (im Wesentlichen der Diskontierungszins) gewürdigt werden.

Liegt der BdA im konkreten Fall erheblich über dem anteiligen Ertragswert und wird von einer adäquaten Festlegung der weiteren Bewertungsparameter ausgegangen, dürfte dies entsprechend ein starkes Indiz für die sachgerechte Annahme einer begrenzten Laufzeit sein. Dies wäre grundsätzlich selbst dann der Fall, wenn noch keine konkretisierten Überlegungen des herrschenden Unternehmens bekannt oder dokumentiert sind. Vereinfachend könnte in diesen Fällen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände sowie rechtlichen Beendigungsmöglichkeiten bspw. eine frühestmögliche Beendigung des Unternehmensvertrags nach der Detailplanungsphase oder eine alternative typisierende Laufzeitannahme sachgerecht sein.

Bei Wella lag der vom OLG Frankfurt herangezogene BdA bei rund 94 € je Aktie und der anteilige Ertragswert bei rund 65 € je Aktie. Der BdA lag somit um rund 46 % über dem anteiligen Ertragswert. Ob demnach bereits eine „erhebliche“ Diskrepanz vorlag, die letztendlich aufgrund wirtschaftlicher Plausibilisierungsüberlegungen für die Prognose einer begrenzten Laufzeit des Unternehmensvertrags oder eine Diskussion der weiteren bei der Ermittlung des BdA angesetzten Bewertungsparameter sprechen könnte, wird vom BGH nicht weiter ausgeführt.

Hinweis: Für eine ausführliche Darstellung der Entscheidung des BGH in Sachen „Wella III“ sowie  zu weiteren Entwicklungen in Spruchverfahren aus dem Jahr 2020 verweisen wir auf Ruthardt/Popp, Unternehmensbewertung im Spiegel der Rechtsprechung – Entwicklungen im Jahr 2020, AG 2021, 296. Zu Bewertungsmethoden in der Rechtsprechung verweisen wir umfassend auf Popp/Ruthardt in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2019, § 12.