Änderungen im ARUG II auf der Zielgeraden

Horaz schrieb vor etwas mehr als 2000 Jahren „Es kreißen die Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen“ (Ars poetica). Daran fühlte sich bislang erinnert, wer die Beratungen des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verfolgte, die trotz zweijähriger Umsetzungsfrist in Berlin nicht fristgerecht zum 10.6.2019 abgeschlossen werden konnten. Ein Schelm, wer angesichts des Zeitverzugs an das Menetekel BER denkt.

Dem Rechtsausschuss gebührt freilich das Verdienst mit seinen Beschlussempfehlungen vom 13.11.2019, denen man im Bundestag in zweiter und dritter Lesung am 14.11.2019 folgte, nochmals Fachwelt und Unternehmen in Aufregung zu versetzen (exemplarisch Michael H. Kramarsch, www.handelsblatt.com; 15.11.2019, 10:23 Uhr).

Damit sind natürlich nicht die kleineren redaktionellen Verbesserungen angesprochen, die ohnehin vielfach durch den Bundesrat angeregt und mithin nicht neu waren, sondern drei wesentliche Änderungen:

  1. Neuer (Pflicht)Bestandteil des vom Aufsichtsrat zu beschließenden Vergütungssystem ist nach § 87a Abs. 1 Nr. 1 AktG n.F. die Festlegung einer Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder. Diese Maximalvergütung kann die Hauptversammlung – auf Antrag nach § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG (sic!) – herabsetzen.

    Zwar kann man die Gesetzesbegründung wohl nur so deuten, dass durch den Beschluss als solchen zwar „nur“ das Vergütungssystem bindend geändert wird, nicht aber mit Vorständen abgeschlossene Verträge. Wer jetzt aufatmet, übersieht aber, dass § 87 Abs. 2 AktG bereits lange Zeit de lege lata eine Eingriffsbefugnis des Aufsichtsrats in abgeschlossene Verträge enthält. Die Folgefrage, ob ein Aufsichtsrat einem Herabsetzungsbeschluss der Hauptversammlung nachfolgend diese Voraussetzungen prüfen sollte, beantwortet das Gesetz nicht. Es liegt auf der Hand, dass der befragte Anwalt sie unterschiedlich beantworten wird, je nachdem auf welcher Seite des Tisches man sitzt. Ein Indiz findet sich möglicherweise etwas versteckt an anderer Stelle im Gesetz; § 162 Abs. 1 Nr. 7 AktG n.F. sieht für den Vergütungsbericht vor „… eine Erläuterung, wie die festgelegte Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder eingehalten wurde.

    Interessant ist auch, dass es der Politik mit dem Herabsetzungsbeschluss sichtlich nicht um eine Feinadjustierung der Rechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung bzw. Aktionären ging, denn ansonsten müsste die Hauptversammlung auch das Recht haben, die Maximalvergütung anzuheben. Dass dafür aus Sicht internationaler Investoren, die jedenfalls im DAX schon länger die Mehrheiten stellen, mitunter Bedarf bestünde, blendet man in Berlin anscheinend geflissentlich aus.

    Im Zuge der Neuregelungen zum Vergütungssystem wurde im Übrigen (in § 87a Abs. 1 Nr. 2 AktG) auch feinjustiert, dass das System den Beitrag zur Förderung der Geschäftsstrategie und zur langfristigen Entwicklung der Gesellschaft aufzeigen soll.
     

  2. Vermeintlich nur redaktionell wurde am Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG geändert; tatsächlich will der Bundestag hiermit aber, Zitat, „deutlich machen, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vergütung, insbesondere der Wahl der Vergütungsanreize auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat.“

    Der Zyniker könnte angesichts dessen versucht sein zu vermuten, dass die Großkoalitionäre schon einmal für die Mitarbeit in einer Bundesregierung üben, die ein grüner Kanzler führt. Jedenfalls führt das Zusammendenken dieses Fingerzeigs mit dem Drängen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex auf eine Aufwertung aktienbasierter Vergütung im Zweifel geradewegs in eine aktienbasierte Vergütung, die sich dem Zeitgeist folgend am CO2 – Ausstoß festmacht („green share“).
     

  3. Schließlich wurde nach mehr als zweijähriger Beratung in den beiden letzten Tagen des Gesetzgebungsverfahrens die Wertschwelle des § 111b AktG für Zustimmungsvorbehaltes des Aufsichtsrats bei Geschäften mit nahestehenden Personen (vulgo „related parties transactions“) um glatte vierzig (40) Prozent abgesenkt. Das wird absehbar jene Unternehmen eiskalt erwischen, die sich sorgfältig auf das ARUG II vorbereitet hatten, aber auf eine Nichtbetroffenheit in Folge der tradierten Wertgrenze vertraut hatten. Dass man es hier trotzdem dabei belassen hat, dass es für die Anwendung der neuen Bestimmungen keine Übergangsregelung gibt, ist eigentlich ein kleiner Skandal. Denn Art. 2 sieht für die Anwendung des ARUG II im EG AktG umfangreiche Übergangsregelungen und -fristen vor, nicht aber für den Überraschungscoup des Rechtsausschusses vom 13.11.2019, dem sich der Bundestag anschloss – und das obwohl die Gesetzesbegründung ganz offen ausspricht, dass man damit die Anwendung des neuen Regimes auf weitere Unternehmen ausweiten will.

Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019

Der Bundesrat hat den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 am 11.10.2019 zugestimmt (BR-Drs. 387/19 (Beschluss)). Die ErbStR 2019 treten an die Stelle der bislang geltenden ErbStR 2011.

Die neuen ErbStR 2019 berücksichtigen insbesondere die Änderungen durch das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2016“ (BGBl. I 2016,  2464). Die Finanzverwaltung hatte dazu mehrere Anwendungserlasse veröffentlicht (BStBl. I 2017, 902). Diese wurden nunmehr in die ErbStR 2019 übernommen. Die abweichende Auffassung der bayerischen Finanzverwaltung hatte dabei keinen Bestand. Die ErbStR 2019 gelten jetzt wieder bundesweit einheitlich.

Die jetzt beschlossene Fassung der ErbStR 2019 entspricht weitgehend dem bereits im Dezember 2018 veröffentlichten Entwurf. Die zahlreichen Änderungsvorschläge – zuletzt etwa des Finanzausschusses des Bundesrats (BR-Drs. 387/1/19 vom 30.9.2019) – wurden demnach nicht berücksichtigt.

Die Hinweise zu den ErbStR 2019 liegen bislang noch nicht vor. Dem Vernehmen ist mit einer Veröffentlichung erst Ende 2019/Anfang 2020 zu rechnen.

Die ErbStR 2019 dienen der „sachgerechte(n) und umfassende(n) Unterrichtung der Finanzämter sowie der Steuerpflichtigen und ihrer Berater“. Für die Finanzverwaltung sind die Richtlinien bindend, nicht aber für die Gerichte. Steuerpflichtige sollten sich daher auf die Richtlinienbestimmungen zu ihren Gunsten berufen. Bei Regelungen zu ihren Lasten sollten sie dagegen stets eine gerichtliche Prüfung in Betracht ziehen.

Das neue Verbandssanktionengesetz – Reform mit Augenmaß oder Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Lange hatte es den Anschein, als bliebe Deutschland seinem eingeschlagenen Sonderweg treu und verzichte trotz eines gegenläufigen weltweiten Trends darauf, ein Verbandsstrafrecht zu schaffen. Trotz zahlreicher Anläufe aus Wissenschaft und Praxis, auch hierzulande die Verbandsstrafbarkeit zu etablieren, behielten stets die Skeptiker die Oberhand. Mit der Vorlage eines „Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ vom 15.8.2019 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat sich das Blatt nunmehr gewendet. Dass dieser Entwurf genauso sang- und klanglos in den Schubladen der Ministerialbürokratie verschwinden wird, wie weiland der Entwurf eines Unternehmensstrafrechts aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium steht nicht zu erwarten. Doch hält der Entwurf, was er verspricht – nämlich „eine angemessene Ahndung von Verbandsstraftaten zu ermöglichen“ (RefE, S. 1)?

Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG sieht bei vorsätzlichen Verbandsstraftaten einen Sanktionsrahmen vor, der von zehntausend Euro bis zu zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes reicht. Zwar trifft dieser Sanktionsrahmen nur wirtschaftlich tätige Unternehmen, die einen durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als einhundert Millionen Euro erwirtschaften. Gleichwohl hat sich an § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG erhebliche Kritik entzündet, die der Vorschrift nicht weniger als einen Verstoß gegen die Artt. 103 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG vorwirft (umf. Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 240). Richtig daran ist: Der weite Sanktionsrahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG gilt für jede vorsätzlich begangene Verbandsstraftat, auch wenn diese lediglich dem Bereich der leichten bzw. mittleren Kriminalität entstammt (dazu Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 239). Allerdings erscheint die Prognose, die Gerichte würden bei der Festsetzung der Verbandsgeldbuße eher nach oben tendieren (Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 240), dann doch etwas zu pessimistisch.

Problematischer als der weite Sanktionsrahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG, der es den Gerichten immerhin ermöglicht, auf unterschiedliche Kriminalitätsformen angemessen und mit Augenmaß zu reagieren, ist § 9 Abs. 2 Satz 2 E-VerSanG. Danach bemisst sich der durchschnittliche Jahresumsatz, der Grundlage der Verbandsgeldsanktion gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG ist, am weltweiten Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände, die mit dem beschuldigten Verband als wirtschaftliche Einheit operieren. Damit ermöglicht es § 9 Abs. 2 Satz 2 E-VerSanG seinem Wortlaut nach, die Höhe der Verbandsgeldsanktion auch gegen konzernabhängige Gesellschaften anhand des Gesamtkonzernumsatzes festzusetzen, da diese Gesellschaften mit der herrschenden Gesellschaft ebenfalls als „wirtschaftliche Einheit operieren“. Die Wirtschaftskraft von Gesellschaften die knapp die Umsatzschwelle des § 9 Abs. 2 Satz 1 E-VerSanG überschreiten, dürfte das nicht selten überfordern. Sollte der Wille des Gesetzgebers indes dahingehen, eine Umsatzzurechnung nur von unten nach oben zu ermöglichen, wäre eine entsprechende Klarstellung wünschenswert.

Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Andreas Früh und Dr. Thorsten Seyfried im Interview zu aktuellen Entwicklungen im Bankrecht und im Kapitalmarktrecht

Im Bankrecht und im Kapitalmarktrecht immer auf dem neuesten Stand zu bleiben, ist selbst für Experten eine Herausforderung. Aktuell müssen sich Berater insbesondere mit neuen Entwicklungen bei den Bankprodukten und den bankrechtlichen Rahmenbedingungen, dem im Frühjahr verabschiedeten sog. Banking Reform Package sowie mit zahlreichen Neuerungen im Commercial Banking auseinandersetzen. Ich habe mit den Herausgebern des Handbuchs zum Bank- und Kapitalmarktrecht, Prof. Dr. Peter O. Mülbert[1], Prof. Dr. Andreas Früh[2] und Dr. Thorsten Seyfried[3], über die wichtigsten Veränderungen und deren Aufbereitung im neuen „Kümpel“ gesprochen.

Peters: Zum Einstieg würde ich gerne wissen, ob es wichtige allgemeine Tendenzen im Bank- und Kapitalmarktrecht gibt, die man unabhängig von einzelnen Bankdienstleistungen gewissermaßen „vor die Klammer ziehen“ könnte?

Mülbert: Ja, die gibt es und einige davon haben wir im „Kümpel“ in der Tat in der Einführung „vor die Klammer gezogen“: Zunächst ist zu nennen die Internationalisierung und dabei vor allem die weitere Europäisierung des Bankrechts. Diese geht im Übrigen einher mit einer weiteren Tendenz, nämlich der zunehmenden Auflösung der Grenzen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bankrecht – ganz einfach, weil das europäische Recht diese Unterscheidung so nicht kennt, sondern in Zielen denkt. Und schließlich driftet das verbraucherschützende Element des Bankrechts immer mehr in die Richtung eines paternalistischen Konzeptes eine Entwicklung, die so gar nicht zur Grundidee des BGB passen will.

Peters: Auch in der 5. Auflage stellt der „Kümpel“ der Darstellung der einzelnen Produkte des Commercial und des Investment Banking einen Teil zum Bankaufsichtsrecht voran. Was ist denn hier an Neuerungen besonders hervorzuheben?

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 Früh: Richtig, uns war es wichtig, den bankaufsichtsrechtlichen Rahmen systematisch gegliedert, mit bewusster Schwerpunktsetzung voranzustellen, wohingegen der Leser die Besprechung einzelner Vorschriften richtigerweise in Kommentaren suchen wird; ähnliches haben wir mit den Grundzügen des Kapitalmarktrechts vor dem Investment Banking gemacht. Als ganz aktuelles Thema ist sicherlich das sog. Banking Reform Package zu nennen, das erst am 16. April vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde; wir sind daher froh, dass dieses dennoch bereits in die Neuauflage Eingang finden konnte. Hier wird es eine Vielzahl von Neuerungen in den Bereichen Eigenkapital, Liquidität und Verschuldung, sowie beim SREP-Prozess und im Meldewesen geben, die mit entsprechenden Befugnissen der Bankenaufsicht sowie Änderungen bei der Bankenabwicklung einhergehen. Dabei geht es letztlich darum, den Weg insbesondere für ein Einheitliches Europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS) zu ebnen und damit die Europäische Bankenunion „zu vollenden“.

Peters: Welche Entwicklungen waren denn im Commercial Banking vor allem zu berücksichtigen?

Seyfried: Wirklich unzählige, da Gesetzgeber, Gerichte und Aufsichtsbehörden außerordentlich aktiv waren und sind. Insofern können wir hier nur einige wenige nennen: Bei den übergreifenden Themen wurden vor allem die Aufklärungspflichten der Banken deutlich ausgebaut und die von den Banken vereinnahmten Entgelte einer immer kritischeren Würdigung unterzogen. Im Zahlungsverkehr gibt es nicht nur eine Vielzahl technisch bedingter neuer Produkte und Haftungsfragen, sondern zugleich neue rechtliche Rahmenbedingungen. Im Einlagengeschäft sowie – spiegelbildlich – im Kreditgeschäft macht es das sog. Negativzinsumfeld notwendig, zu überlegen, wie man dieser Entwicklung rechtlich Rechnung tragen kann. Ganz generell sollen viele Produkte en-to-end digitalisiert werden; insbesondere das BGB ist hierauf noch nicht ausgerichtet.

Peters: Um noch einmal auf den „Kümpel“ zurückzukommen: Der ist ja gerade unter dem neuen Herausgeberteam erschienen. Ist die 5. Auflage im Wesentlichen eine Aktualisierung des Werkes oder gibt es neben den bereits genannten noch weitere Neuerungen?

Früh: Wir haben versucht, zunächst alle Stärken – und davon gibt es viele dieser von Siegfried Kümpel begründeten Gesamtdarstellung des Bankrechts und des Kapitalmarktrechts zu erhalten. Gleichzeitig wollten wir eine Reihe von Ideen umsetzen: Mit der noch konsequenteren Ausrichtung der Darstellung auf die Produkte und Dienstleistungen (und weniger auf die Rechtsgebiete) soll das Werk noch praxisbezogener sein. Auch das neue Autorenteam schafft eine Verbreiterung der Bankpraxis. Gleichzeitig soll durch die neuen Herausgeber und die Autoren eine Verbindung zur Wissenschaft und damit ein Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs gewährleistet werden. Den neuen Entwicklungen bei den Bankprodukten und den bankrechtlichen Rahmenbedingungen trägt eine behutsame Anpassung der Schwerpunktsetzung Rechnung.

 

[1] Prof. Dr. Peter O. Mülbert ist Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bankrecht, Universität Mainz, und Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens.

[2] Prof. Dr. Andreas Früh ist Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt und Honorarprofessor an der Universität Augsburg.

[3] Dr. Thorsten Seyfried ist General Counsel Germany & EMEA, General Counsel Wealth Management & PCC Int. und Managing Director bei der Deutschen Bank.

Das Interview hat Dr. Birgitta Peters, Geschäftsbereichsleiterin Recht im Verlag Dr. Otto Schmidt, geführt.

Neues vom BGH – Nicht nur zur Gesellschafterliste

Die Streitigkeiten um die Gesellschafterliste scheinen kein Ende zu nehmen. Dies gilt nicht für die Praxis, sondern auch für die Gerichte. Selbst der BGH muss sich immer wieder mit der Gesellschafterliste befassen (jüngst BGH, Urt. v. 2.7.2019 – II ZR 406/17, demnächst in der GmbHR).

Der jüngste Fall betraf einen Gesellschafterstreit bei einem Berliner Familienunternehmen, der den Lesern der GmbHR bereits aus zahlreichen Aufsätzen bekannt ist (siehe etwa Fluck, GmbHR 2017, 67; Kleindiek, GmbHR 2017, 815; Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505; Otto, GmbHR 2018, 123).

Dabei ging es um die zwangsweise Einziehung des Anteils eines Mehrheits-Gesellschafters einer GmbH. Die Wirksamkeit der Einziehung ist (wie in der Praxis fast immer) zwischen den Beteiligten streitig. Über die Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss wurde bislang noch nicht entschieden.

Der Minderheits-Gesellschafter, der die Einziehung betrieben hat, hat den Ausgang des Rechtsstreits um die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses aber gar nicht erst abgewartet. Vielmehr hat der Minderheits-Gesellschafter einfach vollendete Tatsachen geschaffen und die eingezogenen Geschäftsanteile des Mehrheitsgesellschafters aus der Gesellschafterliste gestrichen. Mit der Streichung aus der Liste und deren Aufnahme im Handelsregister war der von der Einziehung betroffene Gesellschafter faktisch entrechtet. Denn: Die Gesellschafterrechte stehen nur den gelisteten Gesellschaftern zu. Die nicht (mehr) gelisteten Gesellschafter haben keine Gesellschafterrechte. Dies gilt unabhängig von der Wirksamkeit der Einziehung. Materielle Rechtslage und formelle Legitimation sind voneinander „entkoppelt“. Der BGH hat jetzt nochmals bestätigt, dass die formelle Legitimationswirkung der Gesellschafterliste auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen eingreift (grundlegend BGH, Urt. v. 20.11.2018 – II ZR 12/17, GmbHR 2019, 335, ausführlich dazu Lieder/Becker, GmbHR 2019, 441 und GmbHR 2019, 505).

Folge dieses „Coups“ war, dass die Minderheit die Mehrheit übernommen hatte. Der frühere Minderheits-Gesellschafter war jetzt der formell alleine legitimierte Gesellschafter und konnte in der Gesellschaft nach seinem Belieben schalten und walten. Dies hat er auch getan. Er hat weitreichende Geschäftsführungsentscheidungen getroffen und die Satzung grundlegend geändert. Diese Beschlüsse sind und waren wirksam. Die Beschlüsse bleiben selbst dann wirksam, wenn ein Gericht in der Hauptsache später entscheiden sollte, dass die Einziehung unwirksam und die Liste unrichtig war.

Der Mehrheits-Gesellschafter versuchte sich gegen die Einziehung und die Aufnahme der neuen Liste zu wehren. Allerdings hatte er damit nur wenig Erfolg. Immerhin hat das LG Berlin auf seinen Antrag eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach die Aufnahme einer Gesellschafterliste in das Handelsregister ohne ihn als Gesellschafter verboten ist. Die Gesellschaft hat sich daran aber nicht gehalten und „dennoch“ eine solche Liste zum Registergericht eingereicht. Der BGH hat darin zu Recht ein „unredliches Verhalten“ gesehen. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich die Gesellschaft daher ausnahmsweise nicht auf die Legitimationswirkung der Liste berufen.

Der BGH hat dies in seinem amtlichen Leitsatz wie folgt formuliert:

„Wird einer GmbH nach Einziehung eines Geschäftsanteils durch eine einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste, die den von der Einziehung Betroffenen nicht mehr als Gesellschafter ausweist, beim Amtsgericht zur Veröffentlichung im Handelsregister einzureichen, ist die Gesellschaft nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen, wenn entgegen der gerichtlichen Anordnung eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und im Registerordner aufgenommen worden ist.“

Die Entscheidung des BGH überzeugt sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung. Dies gilt auch für den zweiten Teil der Entscheidung, der mit der Gesellschafterliste überhaupt nichts zu tun hat. Vielmehr ging es dabei um die Einrichtung eines (fakultativen) Aufsichtsrats bei einer GmbH auf Grundlage einer Öffnungsklausel in der Satzung.

Die Satzung der GmbH enthielt eine Regelung, wonach die Gesellschafter einen Aufsichtsrat bilden können. Auf der Grundlage dieser Öffnungsklausel haben die Gesellschafter sodann einen Aufsichtsrat eingerichtet und diesem u.a. die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer übertragen.

Umstritten war nunmehr, ob für diesen (ausführenden) Gesellschafterbeschluss die Vorschriften für Satzungsänderungen (erneut) eingehalten werden müssen. Der BGH hat dies klar verneint und dies in seinem Leitsatz wie folgt zum Ausdruck gebracht.

„Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist keine Satzungsänderung und ohne Beachtung der für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften zulässig, wenn die Ermächtigung ausreichend bestimmt ist und der Einrichtungsbeschluss nicht gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt.“

Die jüngste Entscheidung des Gesellschaftsrechtssenats des BGH ist zwar vergleichsweise lang (der amtliche Urteilsausdruck umfasst 39 Seiten), aber gleichwohl unbedingt lesenswert. Eine wertvolle Fundgrube für jeden GmbH-Berater!

Neuerungen bei der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG

Die Regelung des § 6b EStG soll die Übertragung von stillen Reserven vor allem in Grundstücken ermöglichen. Im Gegensatz zu anderen Fördernormen – wie etwa § 7g EStG – ist die Übertragung der Höhe nach nicht begrenzt. Sie steht zudem – erneut im Gegensatz zu § 7g EStG – auch allen Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflichtigen offen, soweit sie Gewinneinkünfte erzielen, unabhängig von ihrem Gewinn oder ihren bilanziellen Gegebenheiten. Auch die Unterscheidung nach der persönlichen Steuerpflicht – unbeschränkt oder beschränkt – spielt grundsätzlich keine Rolle. Insoweit ist das 6b-Regime also sehr liberal.

Allerdings ergeben sich faktische Einschränkungen in grenzüberschreitenden Konstellationen. Rechtlich verlangt § 6b Abs. 4 EStG in seiner Nr. 3 eine Zuordnung der angeschafften Wirtschaftsgüter „zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte“. Bei (Re-)Investitionen in ausländischen Betriebsstätten im „Outbound-Fall“ wird hingegen die Übertragung nach § 6b EStG verweigert. Auf unionsrechtlichen Druck hin hat der Gesetzgeber allerdings im „Steueränderungsgesetz 2015“ einen Ausweg in § 6b Abs. 2a EStG ins Gesetz implementiert, die der BFH mit seinem Urteil v. 22.6.2017 – VI R 84/14, BStBl. II 2018, S. 171, gutgeheißen hat. Die damit verbundene „Ratenzahlung“ über fünf Jahre ist allerdings nicht dasselbe wie die im Inland mögliche Übertragung auf ein neu angeschafftes Grundstück. Zudem ist im Jahressteuergesetz 2018 nun auch eine Verzinsungsregelung hinzugekommen. Wer die Regelung „ins Blaue hinein“ nutzt, läuft damit Gefahr, die Verzinsungsfolge zu erleiden. Insoweit ist Absatz 2a demnach der „normalen“ Rücklagenbildung nach § 6b EStG angeglichen. Dort ist die Verzinsungsfolge aus § 6b Abs. 7 EStG bereits seit langem gefürchtet.

In „Inbound-Fällen“ ergibt sich bei den internationalen Bezügen eine ähnliche Lage. Hier fordert § 6b Abs. 4 EStG in seiner Nr. 2, dass die „veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben“ müssen. Die für § 6b EStG erforderliche inländische Betriebsstätte wird oft bewusst vermieden, um der Gewerbesteuer zu entkommen. Auf die ansonsten im Bereich der Vermietung von Grundstücken zur Verfügung stehende „erweiterte Kürzung“ (§ 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG) will man sich insoweit nicht immer verlassen. Ob der Ausschluss von Steuerpflichtigen ohne inländische Betriebsstätte von § 6b EStG unionsrechtskonform ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Meinung reichen von „nein“ – von Seiten der EU-Kommission – bis hin zu „ja“ – von Seiten des FG München in einem brandaktuellen Urteil vom 30.04.2019.

All diese Fragen beleuchte ich in einem neuen Beitrag in AG 2019, 601.

 

Einsetzung eines GmbH-Aufsichtsrats mithilfe von Öffnungsklauseln

Die Einsetzung eines Aufsichts- oder Beirats als Zusatzorgan einer GmbH bedarf notwendig einer Verankerung im Gesellschaftsvertrag. Einfache Beschlüsse oder schuldrechtliche Vereinbarungen genügen nicht, auch nicht für den Beirat, sofern ihm Organqualität zukommen soll (sog. organisationsrechtlicher Satzungsvorbehalt; vgl. dazu etwa Cziupka in Scholz, 12. Aufl. 2018, § 3 GmbHG Rz. 59).

Hinreichende Verankerung im Gesellschaftsvertrag kann aber bereits eine sog. Öffnungsklausel gewährleisten, die es den Gesellschaftern gestattet, zu gegebener Zeit durch Beschluss über das Ob und Wie des Zusatzorgans zu entscheiden. Die gesetzlichen Kautelen für Gesellschaftsvertragsänderungen (Beschlussfassung mit Dreiviertelmehrheit, notarielle Beurkundung sowie konstitutive Handelsregistereintragung nach Maßgabe der §§ 53, 54 GmbHG) sind für den Akt der Ausnutzung der Öffnungsklausel nicht zu beachten. Diese Wirkungs- und Reichweite statutarischer Öffnungsklauseln hat der BGH in seiner Entscheidung v. 2.7.2019 – II ZR 406/17 nun mit ausführlicher Begründung bestätigt und damit erhebliche Verunsicherung in der Praxis behoben, die eine anderslautende Entscheidung des Kammergerichts ausgelöst hatte (GmbHR 2018, 361, 365 f.: Beschluss in Ausnutzung der Öffnungsklausel müsse den Anforderungen an Gesellschaftsvertragsänderungen entsprechen, womit die Öffnungsklausel aber letztlich funktionslos bliebe; zutr. gegen die Entscheidung des Kammergerichts daher Otto, GmbHR 2016, 19; bei fehlerhaft eingesetzten Aufsichts- oder Beiräten hätte sich vor allem die Frage gestellt, wie zwischenzeitliche Beschlüsse dieser Zusatzorgane zu behandeln wären, dazu allg. Geißler, GmbHR 2019, 861; s. zur grundsätzlichen Unanwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ auf Aufsichtsratsbeschlüsse bei der AG: BGHZ 196, 195 = AG 2013, 387 m. Besprechungsaufsatz Cziupka, DNotZ 2013, 579).

Der Beschlussmehrheit darf indes keine Blankoermächtigung zur formlosen Einsetzung eines belieben, nicht näher konturierten Zusatzorgans erteilt werden. Die groben Züge des potentiellen Zusatzorgans müssen daher bereits im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck kommen, ebenso die maßgebenden Mehrheitserfordernisse für den Einsetzungsbeschluss – ansonsten führte der Einsetzungsbeschluss zu einem dauerhaft satzungswidrigen Zustand, sodass er nichtig, nicht nur anfechtbar wäre.

Die Stärkung der Bedeutung von Öffnungsklauseln durch den BGH schafft für die Praxis begrüßenswerte Flexibilität und ist auch dogmatisch überzeugend: Die Ausnutzung der Öffnungsklausel ist nicht selbst Gesellschaftsvertragsänderung, sondern bleibt ihrem Wesen nach einfacher Gesellschafterbeschluss. Damit wird die Satzungsautonomie nicht ausgehöhlt, vielmehr ihre Ausnutzung lediglich vorverlagert.

 

Rechtsanwalt Dr. Schwedhelm im Interview zu den Herausforderungen des Umwandlungsrechts und den Chancen des neuen Realteilungserlasses

Das Umwandlungsrecht ist eine extrem herausfordernde und komplexe Materie. Für eine sachgerechte Beratung sind sowohl vertiefte Kenntnisse im Zivil- als auch im Steuerrecht vonnöten. Und gerade letzteres ist ständig im Wandel. Aktuell müssen sich Berater z.B. mit dem neuen Realteilungserlass auseinandersetzen. Anlässlich der Neuauflage des Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, habe ich hierüber mit dem Autor des Buches Rechtsanwalt Dr. Rolf Schwedhelm[1] gesprochen.  

Melkko: Lieber Herr Dr. Schwedhelm, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch nehmen. Was ist für Rechtsanwälte, die im Umwandlungsrecht tätig sind, die größte Herausforderung?

Schwedhelm: Den Überblick zu behalten. Die Umwandlung einer Gesellschaft bedarf solider Kenntnisse im Zivilrecht und im Steuerrecht. Vor allem das durch Rechtsprechung und ständige Gesetzesänderungen geprägte Steuerrecht macht es unerlässlich, sich laufend mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dabei ist es nicht ausreichend, das Umwandlungssteuerrecht zu kennen. Regelmäßig stellen sich auch umsatz- und grunderwerbsteuerliche Fragen, die nicht selten übersehen werden.

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Melkko: Wo liegen denn die größten steuerrechtlichen Fallstricke?

Schwedhelm: Die Klassiker in Steuerstreit- oder Steuerberaterhaftungsverfahren bleiben die nicht erkannte Betriebsaufspaltung sowie das nicht erkannte Sonderbetriebsvermögen. Häufig werden z.B. GmbH-Anteile über Jahre zu Unrecht nicht als Betriebsvermögen qualifiziert. Das Finanzamt greift das oftmals auch nicht auf – entweder weil es die Betriebsvermögenseigenschaft ebenfalls nicht erkennt oder weil sie sich bei der laufenden Besteuerung nicht auswirkt. Kommt es dann zu einer Unternehmensumwandlung, werden diese Fragen jedoch von der Betriebsprüfung meist sehr genau untersucht. Die Steuerschäden, die dabei aufgedeckt werden, sind oft erheblich.

Melkko: Eine weitere Schwierigkeit liegt ja vielleicht auch in der Dynamik des Rechtsgebiets. Ich denke da z.B. an den neuen Realteilungserlass. Wie wirkt dieser sich auf die Beratung aus?

Schwedhelm: Die Realteilung spielte in der Vergangenheit in der Gestaltungsberatung eine untergeordnete Rolle. Die Finanzverwaltung hat die Voraussetzungen so eng ausgelegt, dass kaum rechtssicher gestaltet werden konnte. Dass die Finanzverwaltung – wenn auch erst auf mehrfachen Druck des BFH – diese enge Sichtweise nun aufgegeben hat, ist insbesondere für Freiberuflersozietäten eine große Erleichterung. Dass die Finanzverwaltung nach wie vor die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft nicht zulässt, bleibt allerdings eine steuerliche Absurdität.

Melkko: Der neue Realteilungserlass ist auch in der vor kurzem erschienenen 9. Auflage Ihres Werks „Die Unternehmensumwandlung“ berücksichtigt worden. Das Werk zeichnet sich vor allem durch seine ABC-Form aus. Wie ist diese Idee entstanden und welche Vorteile hat das für den Nutzer?

Schwedhelm: Die Idee zur ABC-Form stammt vom Herausgeber der Reihe, Michael Streck. Das Buch ist entstanden aus der praktischen Arbeit. Im Laufe der Zeit hatte sich eine ganze Anzahl von Umwandlungsfällen bei mir angesammelt. Streck hatte daraufhin die Idee, dass ich aus diesem angesammelten Knowhow ein Buch mache und zwar in ABC-Form. Mir leuchtete diese Idee sofort ein. In der praktischen Arbeit ist Ausgangspunkt immer die Frage, wie komme ich von der Rechtsform A in die Rechtsform B. Hierzu muss ich mir dann die passenden zivilrechtlichen und steuerlichen Normen suchen. Diesem Ziel dient das Buch. Es soll ein Wegweiser durch den Dschungel des Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrechts sein.

Melkko: Der „Schwedhelm“ bietet einen Überblick über mehr als 300 Umwandlungsfälle. Gleichzeitig ist das Umwandlungsrecht ja ein eher statisches Rechtsgebiet. Gibt es aktuelle Beratungsschwerpunkte, die in der Neuauflage berücksichtigt sind?

Schwedhelm: Gott sei Dank ist das Umwandlungsrecht – im Gegensatz zum Umwandlungssteuerrecht – in den Kernbereichen von Gesetzesänderungen verschont worden. Dennoch bieten Rechtsprechung und Gesetzgeber immer wieder Anlass, das Buch zu aktualisieren. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist aktuell die Internationalisierung des Umwandlungsrechts, insbesondere verbunden mit den Fragestellungen im Zusammenhang mit einem Brexit.

Melkko: Sie hatten vorhin ja schon auf die große Bedeutung steuerrechtlicher Kenntnisse für die Beratung hingewiesen. Wird das Steuerrecht im „Schwedhelm“ ebenfalls berücksichtigt?

Schwedhelm: Das Steuerrecht wird in „Die Unternehmensumwandlung“ nicht nur berücksichtigt, sondern stellt sicherlich einen Schwerpunkt der Ausführung dar. Mindestens 50 % des Inhaltes beschäftigen sich mit den steuerrechtlichen Fragen. Das Steuerrecht ist und bleibt das größte Umwandlungshindernis. Das Buch soll helfen, diese Hindernisse zu erkennen und zu meistern.

Melkko: Lieber Herr Dr. Schwedhelm, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

 

[1] Dr. Rolf Schwedhelm ist Namensgeber und Autor des Standardwerkes Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie Partner bei Streck Mack Schwedhelm Köln und sowohl auf das Umwandlungsrecht als auch auf das Umwandlungssteuerrecht spezialisiert. Das Interview hat Ass. iur. Katharina Melkko, Redakteurin und Lektorin im Verlag Dr. Otto Schmidt, geführt.

Der BFH klärt Streitfragen zum Antrag auf Rückbeziehung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG

Mit seinem Urteil vom 19.12.2018 (I R 1/17) hat der BFH einige ganz grundlegende Fragen zum Rückbeziehungsantrag nach § 20 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG gestellt. Das Urteil enthält vier zentrale Aussagen:

  1. Der Antrag ist von der übernehmenden Gesellschaft zu stellen.
  2. Der Antrag ist nicht fristgebunden.
  3. Ein Formerfordernis besteht nicht.
  4. Die nachträgliche Änderung eines gestellten Antrags ist unzulässig.

In den ersten drei Punkten ist dem BFH zuzustimmen. Begrüßenswert ist v.a. die Ansicht, dass der Antrag keiner Frist unterliegt. Die Konsequenz ist, dass die Rückbeziehung bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft geltend gemacht werden kann. M.E. ist die weitere Folge, dass durch die Stellung des Rückbeziehungsantrags u.U. auch ein bereits ausgeübtes Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nochmals geändert werden kann, wenn sich durch die Änderung des Einbringungszeitpunkts auch der Zeitpunkt der maßgeblichen Schlussbilanz ändert.

Dass der BFH den einmal gestellten Rückbeziehungsantrag für nicht mehr änderbar hält, überzeugt hingegen nicht. Der BFH argumentiert, dass sich durch die Rückbeziehung der für die Besteuerung relevante Sachverhalt ändere und der übernehmenden Gesellschaft eine nachträgliche Einwirkung auf den damit verbundenen Steueranspruch verwehrt sei. Dabei verkennt der BFH m.E., dass die einzige Sachverhaltsänderung, die bei einer Antragsänderung eintritt, eben diese Änderung des Antrags ist. Der Sachverhalt selbst bleibt unverändert.

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Für die Gestaltungsberatung bringt die Entscheidung wenig Neues. Hier gilt – wie schon bislang – dass der Antrag auf Rückbeziehung wohl überlegt sein und schriftlich bei dem für die Gesellschaft zuständigen Finanzamt gestellt werden sollte. So lassen sich unnötige Diskussion mit dem Finanzamt vermeiden. Es verwundert daher auch nicht, dass es 12 Jahre gebraucht hat, bis der BFH zu solch grundlegenden Fragen des UmwStG 2006 Stellung nehmen konnte. In der Regel gelingt es der Beraterschaft – unterstützt durch Fachseminare und Praxishandbücher (wie z.B. den gerade in 9. Auflage erschienenen „Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung“) – den Mandanten den sichersten Weg durch den Steuerdschungel zu bahnen. Der Weg zu Gericht ist dann entbehrlich. Kommt es dennoch zum Streit, kann die Ansicht des BFH, dass der Rückbeziehungsantrag nicht fristgebunden ist, ein Rettungsanker sein.

Umfassend zu dieser Entscheidung: Stenert in Ubg 2019, 409 (411).

Gewerbesteuer auf ausländische Dividenden – § 9 Nr. 7 GewStG vor dem Umbruch

§ 9 Nr. 7 GewStG, die Vorschrift zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Ausschüttungen, ist erneut in der steuerrechtlichen Diskussion. Durch das EuGH-Urteil vom 20.9.2018 – C-685/16, BStBl. II 2019, S. 111, war „unionsrechtlicher Druck“ auf die Regelung entstanden. Dieser ging aber – ähnlich wie bei der Genese des § 8b Abs. 4 KStG vor einigen Jahren – nur in Richtung „Gleichbehandlung“, nicht zwingend „Besserbehandlung“. Der Gesetzgeber will nun die gewerbesteuerliche Freistellung für ausländische Ausschüttungen der inländischen anpassen – „15% zu Beginn des Erhebungszeitraums“ soll die magische Formel in Zukunft sein.

Ob die Gleichschaltung des § 9 Nr. 2a GewStG und § 9 Nr. 7 GewStG in seinen Varianten für in- und ausländische leistende Körperschaften einen großen Einfluss auf die Steuerbelastung haben wird, ist unklar. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen deutschen ertragsteuerlichen Doppelbesteuerungsabkommen, die sachlich auch auf die Gewerbesteuer anwendbar sind. All diesen Fragen geht mein Beitrag in „GmbHR im Blickpunkt“ in Ausgabe 12/2019 nach.