Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Umfang des Schadensersatzanspruchs nach erfolgreicher Anfechtung eines Grundstückskaufvertrags wegen arglistiger Täuschung

Ersatz von Maklerkosten und Grunderwerbsteuer nach Arglistanfechtung
Urteil vom 24. September 2021 – V ZR 272/19

Mit dem Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer und Erstattungsansprüchen gegen Dritte befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte vom Beklagten ein Grundstück gekauft. Später focht sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und nahm den Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung aller im Zusammenhang mit dem Erwerb getätigten Aufwendungen in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Erstattung der Notar- und Gerichtskosten. Hinsichtlich der Maklerkosten und der Grunderwerbsteuer wies es die Berufung zurück.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung bzw. zur Feststellung der Erledigung, soweit der Beklagte einen Teil der Forderung bereits beglichen hat.

Die vom Beklagten verübte arglistige Täuschung stellt eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten dar. Zu dem deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Vertrauensschaden gehören grundsätzlich alle Aufwendungen, die die Klägerin im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses getätigt hat. Darunter fallen auch die Maklerprovision und die Grunderwerbsteuer.

Dass der Klägerin aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrags ein Erstattungsanspruch gegen die Maklerin bzw. die Finanzkasse zusteht, steht der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Der Geschädigte muss sich entsprechend dem Rechtsgedanken des § 255 BGB nicht auf die Geltendmachung solcher Ansprüche und die damit verbundenen Risiken verweisen lassen. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ist der Schädiger allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der Erstattungsansprüche zum Schadensersatz verpflichtet.

Praxistipp: Um eine Verjährung der Erstattungsansprüche zu vermeiden, kann der Schädiger den Schuldnern dieser Ansprüche den Streit verkünden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs

Feststellungsinteresse bei mehreren Methoden zur Schadensberechnung
Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20

Mit den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat in einem sogenannten Dieselfall.

Der Kläger kaufte im Jahr 2011 bei einem Vertragshändler der Beklagten einen neuen VW Touran mit einem Dieselmotor des Typs EA189. Im Jahr 2015 gab das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten auf, die in der Software zur Steuerung des Motors enthaltene Abschalteinrichtung zu entfernen, und drohte anderenfalls den Widerruf der Typgenehmigung an. Der Kläger hat das hierfür erforderliche Softwareupdate bislang nicht vornehmen lassen. Im Jahr 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs auf. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Hilfsweise verlangt er unter anderem Zahlung von 34.000 Euro Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach die begehrte Feststellung aus.

Der BGH weist die Feststellungsklage als unzulässig ab und verweist den Rechtsstreit (nur) zur Entscheidung über die Hilfsanträge an das OLG zurück.

Der BGH verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil es dem Kläger zumutbar ist, sofort Leistungsklage zu erheben.

Das Interesse des Klägers, sich weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen kleinem und großem Schadensersatz offenzuhalten, also hinsichtlich der Frage, ob er das Fahrzeug behält und lediglich eine Wertdifferenz ersetzt verlangt oder es zurückgibt und den Kaufpreis abzüglich der erlangten Nutzungsvorteile fordert, ist nach Auffassung des BGH nicht schutzwürdig. Dem Kläger ist zuzumuten, diese Entscheidung bereits bei Erhebung der Klage zu treffen.

Dem Kläger ist es ferner möglich, den Schaden zu beziffern. Die Ermittlung der Wertdifferenz und die Ermittlung der Nutzungsvorteile sind zwar mit Unsicherheiten verbunden. Diese kann der Kläger aber jedenfalls dadurch überwinden, dass er die Bemessung dieser Beträge in das Ermessen des Gerichts stellt.

Ein hinreichendes Feststellungsinteresse ergibt sich nach Auffassung des BGH schließlich auch nicht daraus, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Zwar besteht die Möglichkeit, dass weitere Schäden entstehen, etwa in Gestalt von Steuernachforderungen oder Stilllegungskosten. Diese sind aber nur für den großen Schadensersatz relevant. Diesbezügliche Unsicherheiten rühren demnach entscheidend daher, dass sich der Kläger bewusst nicht für eine der beiden Berechnungsarten entschieden hat.

Praxistipp: Zulässig sein dürfte nach dieser Entscheidung jedenfalls die Kombination einer Leistungsklage auf großen Schadensersatz verbunden mit einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz aller weiteren Schäden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Obliegenheit zur Schadensminderung durch Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit

Obliegenheit zur Schadensminderung nach Unfallverletzungen
Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 91/19

Mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der 1969 geborene Kläger litt seit seiner Geburt an genetisch bedingten Krankheiten. Der Grad der Behinderung betrug 60%. Im Jahr 2004 erlitt er bei einem Motorradunfall schwere Verletzungen, die gesundheitliche Komplikationen und depressive Störungen zur Folge hatten. Ab 2007 erhält er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Von der beklagten Versicherung, die für die Folgen des Unfalls einzustehen hat, begehrt er Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von rund 1.500 Euro pro Monat. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG sprach dem Kläger für den Zeitraum ab Januar 2013 nur 25 % des geltend gemachten Betrags zu und wies die weitergehende Klage ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH erachtet schon die Erwägungen, mit denen das OLG einen Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bejaht hat, als nicht tragfähig. Der Kläger ist zwar gehalten, eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen und sich zumutbaren Behandlungen zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zu unterziehen. Das OLG hat sich aber nicht mit der Frage befasst, welche konkreten therapeutischen Maßnahmen im Streitfall in Betracht kommen. Es hätte ferner dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, die behandelnden Ärzte hätten eine zukünftige Besserung der Leistungsfähigkeit ausgeschlossen. Selbst wenn eine bestimmte Therapie indiziert wäre, hätte der Kläger für die Verweigerung oder Verzögerung derselben grundsätzlich nicht einzustehen, wenn dies eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung wäre. Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres unterstellen dürfen, dass der Kläger bei vollständiger oder teilweiser Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit eine neue Beschäftigung gefunden hätte.

Die Art und Weise, in der das OLG dem von ihm bejahten Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung berücksichtigt hat, hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Hätte der Kläger bei Einhaltung aller zumutbaren Maßnahmen Einkünfte erzielen können, muss er sich diese in voller Höhe anrechnen lassen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung ist in dieser Konstellation nicht zulässig.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften liegt beim Schädiger. Den Verletzten trifft aber eine sekundäre Darlegungslast. Er muss darlegen, was er unternommen hat, um seine Gesundheit zu verbessern und Arbeit zu finden, oder was dem gegebenenfalls entgegenstand.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung eines Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer des Mandanten

Aufklärung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits
Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19

Mit den Aufklärungspflichten des Anwalts gegenüber einem rechtsschutzversicherten Mandanten während eines laufenden Rechtsstreits befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die beklagten Anwälte hatten sich an mehrere tausend Anleger eines Immobilienfonds gewandt, dessen Wertentwicklung nicht den Vorhersagen und Erwartungen entsprach. Im Namen zahlreicher Anleger, von denen einige bei der Klägerin rechtsschutzversichert waren, reichten sie kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist bei einer staatlich anerkannten Gütestelle rund 12 000 Güteanträge gegen den Anlagevermittler, den Fondsinitiator und eine Treuhandkommanditistin ein. Später erhoben sie rund 1 750 Klagen gegen die Rechtsnachfolgerin des Anlagevermittlers. Die Klägerin erteilte eine Deckungszusage für die erste Instanz. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab. Die Klägerin erteilte auch für die zweite Instanz eine Deckungszusage. Sechs Tage nach Einlegung der Berufung verkündete der BGH ein Urteil zu den Anforderungen an einen die Verjährung hemmenden Güteantrag. Diesen Anforderungen genügte der von den Beklagten verwendete Musterantrag nicht. Im Laufe des Berufungsverfahrens bestätigte der BGH seine Rechtsprechung mehrfach. Einige dieser Entscheidungen betrafen den Musterantrag der Beklagten. Im Berufungsverfahren der bei der Klägerin versicherten Mandanten erließ das OLG daraufhin einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Beklagten rieten den Mandanten nicht zur Rücknahme des Rechtsmittels. Nach Zurückweisung der Berufung erteilte die Klägerin eine Deckungszusage für die dritte Instanz. Die Nichtzulassungsbeschwerde blieb ebenfalls erfolglos.

Die Klägerin nimmt die Beklagten nunmehr auf Ersatz aller Kosten in Anspruch, die ihren Mandanten im Ausgangsrechtsstreit entstanden sind. Die Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies sie insgesamt ab.

Die Revision der Klägerin hat hinsichtlich eines Teils der zweitinstanzlichen Kosten und hinsichtlich der Kosten aus dritter Instanz Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Ansprüche der Mandanten auf Ersatz entstandener Kosten sind gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen, soweit sie diese Kosten ersetzt hat. Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin für jede Instanz des Ausgangsrechtsstreits eine Deckungszusage erteilt hat. Ein Rechtsschutzversicherer ist schon gegenüber dem Versicherten nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu prüfen. Gegenüber dem Anwalt des Versicherten treffen ihn insoweit erst recht keine Pflichten.

Ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten über die Risiken eines in Erwägung gezogenen Rechtsstreits aufklären. Hierbei muss er das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss er dies klar herausstellen; unter bestimmten Umständen kann er sogar gehalten sein, von der Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten.

Nach der Einleitung des Rechtsstreits muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten gegebenenfalls auf eine eingetretene Änderung der Erfolgsaussichten aufklären. In diesem Stadium kann der Anwalt unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, von einer Fortführung des Rechtsstreits abzuraten. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der BGH eine zuvor noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren entscheidet und danach keine Aussicht auf Erfolg mehr besteht.

Diese Aufklärungspflichten bestehen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Mandant sich beratungsgerecht verhalten, also von einer Einleitung bzw. Fortführung des Rechtsstreits abgesehen hätte, darf aber der Deckungsschutz durch eine Rechtsschutzversicherung berücksichtigt werden. Bei geringem oder fehlendem Kostenrisiko besteht in der Regel kein Anscheinsbeweis für beratungsgerechtes Verhalten. Ein Anscheinsbeweis ist hingegen zu bejahen, wenn die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist.

Im Streitfall ist die tatrichterliche Würdigung des OLG, dass die Beklagten zur Erhebung der Klage und zur Einlegung der Berufung raten durften, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht ist das OLG hingegen davon ausgegangen, dass die Mandanten den Rat, die Berufung zurückzunehmen oder von der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abzusehen, nicht befolgt hätten. Das OLG hat sich nicht mit der Frage befasst, ob die weitere Rechtsverfolgung nach den Entscheidungen in den Parallelverfahren objektiv aussichtslos war. Nach der Zurückverweisung muss das OLG diese Frage klären.

Praxistipp: Die Haftung für den fehlerhaften Rat, ein Rechtsmittel einzulegen, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der mit Einlegung und Durchführung dieses Rechtsmittels betraute Anwalt ebenfalls nicht davon abrät.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht um einen Fall der Staatshaftung, der möglicherweise nicht so ungewöhnlich ist, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.

Beratungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung
Urteil vom 11. März 2021 – III ZR 27/20

Mit der Pflicht zum Hinweis auf eher überraschende Gestaltungsmöglichkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung befasst sich der III. Zivilsenat.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin, die schwerbehindert ist, erhielt im Januar 2014 eine Rentenauskunft, nach der die zu erwartende Rente auf der Basis der bisherigen Beiträge rund 922 Euro und bei Weiterzahlung der bisherigen Beiträge bis zur Regelaltersgrenze im April 2016 rund 985 Euro betrug. In einem persönlichen Beratungstermin bei dem beklagten Rentenversicherungsträger überreichte der Berater eine als unverbindlich bezeichnete Probeberechnung, nach der bei einem Rentenbeginn am 1. Juli 2014 eine monatliche Rente von rund 935 Euro zu erwarten war. Auf Antrag der Klägerin vom 15. Juli 2014 bewilligte die Beklagte eine monatliche Altersrente ab 1. Dezember 2014 in Höhe von rund 890 Euro. Grund hierfür war, dass die Kalendermonate mit vollwertigen Beiträgen aufgrund des Hinausschiebens des Rentenbeginns einen gesetzlich festgelegten Durchschnittswert überstiegen und damit die zuvor gegebenen Voraussetzungen für die Anrechnung zusätzlicher (fiktiver) Entgeltpunkte entfallen waren. Ein Widerspruch und eine Klage vor den Sozialgerichten blieben erfolglos. Die auf Zahlung der Differenz von monatlich 45 Euro gerichtete Amtshaftungsklage blieb in den ersten beiden Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war die Beklagte jedenfalls ab 15. Juli 2014 verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie weniger Rente bekommt, wenn sie erst zum 1. Dezember 2014 in Ruhestand geht. Die gesetzliche Beratungspflicht soll sicherstellen, dass die nach dem Sozialgesetzbuch bestehenden sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Hierzu muss der Rentenversicherungsträger insbesondere auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen. Entgegen der Auffassung des OLG widerspricht ein solcher Hinweis nicht dem Zweck der hier maßgeblichen Regelung, wonach zusätzliche Entgeltpunkte nur unterhalb eines bestimmten Durchschnittswerts angerechnet werden. Die Ausübung dadurch eröffneter Entscheidungsspielräume ist legitim. Der Rentenversicherungsträger darf sie deshalb nicht verschweigen.

Der Amtshaftungsanspruch scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass das Verhalten eines Beamten nicht als fahrlässig anzusehen ist, wenn ein Kollegialgericht eine Amtspflichtverletzung verneint hat. Die Beurteilung der Vorinstanzen beruht auf einer schon im Ansatz unzutreffenden Auffassung über den Zweck der maßgeblichen rentenrechtlichen Vorschriften.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahrens wird das OLG Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben. Hierbei muss es das aufgrund des späteren Rentenbeginns bezogene Arbeitseinkommen als schadensmindernd berücksichtigen.

Praxistipp: Eine Hinweispflicht dürfte in solchen Konstellationen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn die für die Rentenhöhe schädliche Planung des Versicherten für den Rentenversicherungsträger erkennbar ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Sorgfalt beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax

Abgleich der Telefaxnumer
Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19

Mit der ordnungsgemäßen Organisation des Kanzleibetriebs bei Telefax-Sendungen an das Gericht befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die klagende Arzneimittelherstellerin streitet mit der Beklagten, einer Abnehmerin, darüber, wer von ihnen gesetzliche Preisreduzierungen im griechischen Gesundheitswesen zu tragen hat. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte am letzten Tag der Frist per Telefax Berufung ein. Das Schreiben war an das zuständige OLG adressiert, jedoch mit der Telefaxnummer des LG versehen. Dieses leitete den Schriftsatz an das OLG weiter, wo er erst einen Tag später einging. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das OLG zurück.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt ein Anwalt den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn er seinem Personal schriftlich die allgemeine organisatorische Anweisung erteilt, die in einem Schriftsatz angegebene Faxnummer des Empfangsgerichts vor dem Versand mit einem zuverlässigen Verzeichnis und nach dem Versand mit der im Sendebericht angegebenen Nummer abzugleichen.

Als zuverlässiges Verzeichnis kann auch eine Kanzleisoftware herangezogen werden, in der die Faxnummern der Gerichte hinterlegt sind und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Dokumentvorlagen, die eine automatische Übernahme der Faxnummer aus der Datenbank der Kanzleisoftware vorsehen, wenige Tage vor dem Versand geändert worden waren.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein etwaiger Fehler bei der Änderung der Dokumentvorlagen im Streitfall aber nicht relevant. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch eidesstattliche Versicherung der mit dem Versand betrauten Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass die allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die von der Software eingefügte Nummer vor dem Versand mit der Nummer abzugleichen, die aus dem letzten vom Gericht stammenden Schriftstück in der jeweiligen Akte hervorgeht, hilfsweise mit der Nummer, die auf der Internet-Seite des betreffenden Gerichts angegeben ist. Diese Anordnung war ausreichend. Wäre sie befolgt worden, wäre es zu dem aufgetretenen Fehler nicht gekommen.

Praxistipp: Die organisatorischen Vorkehrungen, um einen rechtzeitigen Versand beim zuständigen Gericht zu gewährleisten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus dem Straßenverkehrsgesetz und um die Verjährung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherung

Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG a.F.
Urteil vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20

Mit der bis 17. Dezember 2007 geltenden Fassung von § 12 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der im Jahr 1983 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2000 eine Querschnittlähmung ab dem fünften Halswirbel. Ursache des Unfalls war ein Rad, das sich infolge eines Ermüdungsbruchs von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug löste und auf das Auto prallte, in dem der Kläger saß. Eine weitere Insassin dieses Autos wurde leicht verletzt, machte aber keine Ersatzansprüche geltend. Die Beklagte zahlte seit dem Unfall eine monatliche Rente von 1.917,34 Euro (ursprünglich 3.750 DM). Im Oktober 2018 stellte sie die Zahlungen ein. Bis dahin hatte sie insgesamt rund 388.000 Euro (rund 760.000 DM) gezahlt. Das LG verurteilte die Beklagte zur Weiterzahlung der Rente in der bisherigen Höhe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Anspruch auf Rentenzahlung nach den bis 17.12.2017 geltenden Fassungen von § 12 Abs. 1 StVG nur durch den Höchstbetrag für die Jahresrente begrenzt wird, nicht aber durch die separat festgelegte Höchstgrenze für Kapitalbeträge. Nach der im Streitfall maßgeblichen Fassung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet die Beklagte, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, danach bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM – unabhängig davon, ob der Gesamtbetrag ihrer Zahlungen die für Kapitalbeträge geltende Höchstgrenze von 500.000 DM überschritten hat.

Der BGH tritt den Vorinstanzen ferner darin bei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht bis zu dem in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den Fall der Verletzung mehrerer Personen vorgesehenen Höchstbetrag von 45.000 DM jährlich haftet. Diese Grenze ist nur für die Summe aller Rentenzahlungen maßgeblich, die die Beklagte gegenüber Personen erbringen muss, die bei dem Unfall verletzt worden sind. Der Anspruch eines einzelnen Verletzten ist dagegen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. auf 30.000 DM jährlich begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen der Beklagten nicht ohne weiteres als Anerkenntnis einer Pflicht zur Zahlung einer Rente von jährlich 45.000 DM angesehen werden. Eine Tilgungsleistung kann nur dann als Angebot zum Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags ausgelegt werden, wenn im konkreten Fall ein nachvollziehbarer Anlass für ein solches Anerkenntnis bestand. Letzteres kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Streit oder Ungewissheit über Bestand oder Höhe der Forderung herrschte. Diesbezügliche Feststellungen hat das OLG nicht getroffen.

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG insbesondere dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, wonach sein Prozessbevollmächtigter nach dem Unfall in einer abschließenden Besprechung mit der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, er werde von einer gerichtlichen Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB absehen, wenn die Beklagte im Gegenzug den Haftungshöchstbetrag von 45.000 DM pro Jahr hinnehme.

Praxistipp: Da solche Konstellationen in der Regel erst lange Zeit nach dem Schadensereignis eintreten, ist besonders sorgfältig zu prüfen, welche Fassung von § 12 StVG maßgeblich ist. Seit 18.12.2007 gilt ein einheitlicher Höchstbetrag (derzeit fünf Millionen Euro), der auch für den Kapitalwert einer zu leistenden Rente maßgeblich ist.

Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20

Mit dem Beginn der Verjährung eines Anspruchs aus § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Beklagte beauftragte den Kläger im Jahr 2013 mit Rohbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus. Nach Abschluss der Arbeiten legte die Klägerin im Juli 2014 eine Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro netto vor. Die Beklagte, die bis dahin Abschläge in Höhe von rund 110.000 Euro erbracht hatte, berief sich auf Mängel und verweigerte weitere Zahlungen. Über eine im Jahr 2015 erhobene Klage auf restliche Vergütung ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Im September 2018 verlangte die Klägerin die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 88.000 Euro. Ihre auf diese Leistung gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung als „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, so dass die Verjährung frühestens dann beginnt, wenn der Unternehmer den Anspruch erstmals geltend macht. Der Besteller darf eine solche Sicherheit nicht von sich aus stellen. Die Entscheidung darüber liegt beim Unternehmer, weil dieser die hierfür anfallenden Kosten tragen muss. Der Unternehmer wird eine Sicherheit in der Regel nur dann verlangen, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Ein solches kann sich je nach Einzelfall auch erst geraume Zeit nach Entstehung des Anspruchs ergeben.

An der Geltendmachung des Anspruchs ist die Klägerin im Streitfall weder unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs noch unter dem Aspekt der Verwirkung gehindert.

Praxistipp: Geltend gemachte Mängel haben gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB auf die Höhe der zu leistenden Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss, soweit daraus resultierende Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung eines Sportverbands und von Übungsleitern bei einem Kadertraining

Unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Kadertraining
Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 188/17

Mit den Anspruchsgrundlagen und dem Sorgfaltsmaßstab bei Gesundheitsschäden während einer Trainingsveranstaltung eines Sportverbands befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals fünfzehnjährige Kläger nahm im Jahr 2009 an einem Kreiskadertraining für minderjährige Tischtennisspieler teil. Veranstalter war der Beklagte zu 1, ein Verband von Tischtennisvereinen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren bei der Veranstaltung als Trainer eingesetzt. Nach einem Schnelligkeitstraining brach der Kläger zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Beklagte zu 3 brachte ihn in stabile Seitenlage, andere Anwesende suchten in der Sporttasche des Klägers nach Asthmamitteln. Nach einiger Zeit wurde ein Notarzt verständigt. Dieser traf vier Minuten später ein und stellte einen Herz-Kreislauf-Stillstand sowie eine komplette Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten fest. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen führten nach fünf Minuten dazu, dass der Kläger kreislaufstabil war. In der Folgezeit zeigte sich eine Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel. Der Kläger ist auf Dauer schwerst pflegebedürftig. Die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte zu 1 dem Kläger für eventuelle Pflichtverletzungen aus Vertrag. Der BGH lässt offen, ob sich eine Vertragsbeziehung schon daraus ergibt, dass der Kläger Mitglied eines dem Beklagten zu 1 angehörenden Vereins war, und ob die Einladung zu dem Kadertraining als Angebot auf Abschluss eines Betreuungsvertrags anzusehen ist. Ein Trainingsvertrag kam jedenfalls konkludent durch Aufnahme des Trainings zustande. Der Beklagte war aufgrund dieses Vertrags verpflichtet, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf, um die Teilnehmer vor Schäden zu bewähren. Hierbei haftet er für jede Art der Fahrlässigkeit. § 680 BGB, der für Geschäftsführer ohne Auftrag eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vorsieht, ist nicht anwendbar, weil eine Vertragsbeziehung bestand. Für Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und 3 hat der Beklagte zu 1 nach § 278 BGB einzustehen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haften nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB. Auch ihnen gegenüber greift die Haftungsbeschränkung nach § 680 BGB nicht. Sie waren nicht als eigenständige Geschäftsführer tätig, sondern als Erfüllungsgehilfen des Beklagten zu 1.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3, die über eine Ausbildung in Erster Hilfe verfügen, liegt vor, wenn sie den Notarzt erst zehn Minuten nach dem Zusammenbruch verständigt oder wenn sie von sofortigen Maßnahmen zur Wiederbelebung abgesehen haben, obwohl deren Notwendigkeit für sie erkennbar war. Zur ersten Frage haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die zweite Frage haben sie unter der unzutreffenden Prämisse beurteilt, die Beklagten hafteten nur für grobe Fahrlässigkeit.

Praxistipp: Bei einer Klage gegen einen Verband ist besonders sorgfältig auf die zutreffende Parteibezeichnung zu achten. Insbesondere sollte die Klage nicht gegen unselbständige Unterorganisationen gerichtet werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Pflichten des Inhabers einer Internetanschlusses nach einer Urheberrechtsverletzung

Angabe des Täters einer Urheberrechtsverletzung
Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 228/19

Mit der Frage einer Auskunftspflicht des Inhabers eines Internetanschlusses befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen des unbefugten Anbietens eines urheberrechtlich geschützten Computerspiels auf Schadensersatz in Anspruch. Das Angebot war über einen Internetanschluss verbreitet worden, dessen Inhaberin der Beklagte ist. Auf die Abmahnung der Klägerin hatte der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, zugleich aber mitgeteilt, er selbst habe das Spiel nicht öffentlich im Internet zugänglich gemacht. Auf die von der Klägerin erhobene Klage auf Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 1.900 Euro trug der Beklagte vor, die Verletzung sei durch den Sohn einer Arbeitskollegin seiner Lebensgefährtin begangen worden. Die Klägerin beantragte zuletzt nur noch die Feststellung, dass der Beklagte ihr die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen hat. Dieser Antrag blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, weil die Klägerin die zu erstattenden Kosten nicht beziffern und ihren Anspruch wegen der Rücknahme des Hauptantrags nicht im Wege der Kostenfestsetzung geltend machen kann. Er ist aber unbegründet, weil der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet war, den Täter zu benennen. Eine Nebenpflicht zur Auskunftserteilung aus dem Unterlassungsvertrag scheidet aus, weil der Beklagte beim Abschluss dieses Vertrags bereits darauf hingewiesen hat, dass er nicht der Täter ist. Aus der Verletzung des Urheberrechts ergibt sich eine solche Pflicht nicht, weil der Beklagte für die Verletzung nicht verantwortlich ist. Die Stellung als Inhaber des Anschlusses, über den die Verletzung begangen wurde, begründet auch kein vorvertragliches Schuldverhältnis, das zu einer Auskunftspflicht führen könnte. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in dieser Konstellation ebenfalls aus. Eine Ersatzpflicht aus § 826 BGB käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Beklagte vorprozessual wissentlich falsche Angaben über den Täter gemacht hätte.

Praxistipp: Im Prozess trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, welchen anderen Personen er den Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat. Kommt er dem nicht nach, besteht eine tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft.