BGH hebt OLG Celle in Sachen Geschäftsführerabberufung (Martin Kind) bei der Hannover 96 Management GmbH auf und weist Klage ab

Der Inhalt der Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH

Der BGH hat mit Urteil vom 16.7.2024 die Berufungsentscheidung des OLG Celle in Sachen Abberufung des Geschäftsführers (Martin Kind) der Komplementär-GmbH der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA aufgehoben und die Beschlussmängelklage abgewiesen. Der Gesellschafterbeschluss über die Abberufung des Klägers Martin Kind als Geschäftsführer ist damit nicht nichtig, sondern wirksam. Abweichend vom OLG Celle als Berufungsgericht wird vom II. Zivilsenat sowohl eine Nichtigkeit analog § 241 Nr. 3 AktG als auch eine Sittenwidrigkeit analog § 241 Nr. 4 AktG verneint. Die Unvereinbarkeit des Beschlusses mit dem Wesen der GmbH könne nur eine Verletzung von tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts begründen. Dazu gehörten nicht Satzungsbestimmungen, die einem fakultativen Aufsichtsrat der Gesellschaft die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers zuweisen. Im konkreten Fall zähle auch die Beachtung des sog. Hannover-96-Vertrags nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts. Der Abberufungsbeschluss verstoße durch seinen Inhalt nicht gegen die guten Sitten und er begründe auch keine sittenwidrige Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen. Ein bloßer Verstoß gegen eine Satzungsbestimmung der GmbH mache einen Gesellschafterbeschluss zwar anfechtbar, aber nicht sittenwidrig. Auch einer Verletzung des Hannover-96-Vertrags oder einer Gesamtbetrachtung begründe nicht die Sittenwidrigkeit des Beschlusses.

Darüber hinaus ist der Abberufungsbeschluss nach Ansicht des BGH nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung nichtig. Zudem sei der Kläger wegen fehlender Gesellschafterstellung in der Komplementär-GmbH nicht befugt, im Wege einer Anfechtungsklage etwaige Verletzungen der GmbH-Satzung geltend zu machen.

Die komplexe Beteiligungsstruktur bei Hannover 96 und der Hannover-96-Vertrag im Konflikt mit der 50+1-Regel des DFB

Der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. ist Alleingesellschafter der beklagten Hannover 96 Management GmbH. Der im BGH-Fall klagende Martin Kind ist im Handelsregister als Geschäftsführer der verklagten Komplementär-GmbH eingetragen. Die Beklagte ist Komplementärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die den Profifußball-Bereich unterhält, also zurzeit die am Spielbetrieb der 2. Fußball-Bundesliga teilnehmende Lizenzspielermannschaft Hannover 96.

Kommanditaktionärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, die darüber hinaus zu 100 % an der Hannover 96 Arena GmbH & Co. KG beteiligt ist. Einzige Kommanditaktionärin der KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, an der Martin Kind mit 52,73 % und der Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann mit 19,76 % beteiligt ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Hannover_96#Hannover_96_GmbH_&_Co._KGaA).  Nach der Satzung der verklagten Hannover 96 Management GmbH ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig. Im August 2019 wurde zwischen dem Hannover 96 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG der sog. Hannover-96-Vertrag geschlossen, der vorsieht, dass der zu 100 % an der Komplementär-GmbH der KGaA beteiligte Verein Hannover 96 die Satzung dieser GmbH nicht ohne vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ändert, ergänzt oder ersetzt. Dies bezieht sich insbesondere auf den Passus der GmbH-Satzung, die der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, vermittelt durch den Aufsichtsrat, Mitentscheidungsrechte bei der Bestellung des GmbH-Geschäftsführers einräumt (vgl. dazu OLG Celle, GmbHR 2023, 739).

Nach § 16c Nr. 2 der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kann ein Verein nur eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft in der Deutsche Fußball Liga (DFL) erwerben, wenn er rechtlich unabhängig ist, das heißt auf ihn kein Rechtsträger einen rechtlich beherrschenden oder mitbeherrschenden Einfluss ausüben kann. Eine Kapitalgesellschaft kann gem. § 16c Nr. 3 Satz 1 DFB-Satzung nur dann eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft in der DFL erwerben, wenn ein Verein mehrheitlich an ihr beteiligt ist. Der Mutterverein ist gem. § 16c Nr. 3 Satz 3 DFB-Satzung an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt („Kapitalgesellschaft“), wenn er über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt (sog. 50+1-Regel). Bei Wahl der Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) muss gem. § 16c Nr. 3 Satz 4 DFB-Satzung der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs haben.

Abberufungsbeschluss und die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses analog § 241 Nr. 3 und Nr. 4 AktG

Im Juli 2022 fassten Vertreter des Alleingesellschafters Hannover 96 e.V. in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der verklagten Komplementär-GmbH den Beschluss, den klagenden Geschäftsführer Martin Kind „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer“ der GmbH abzuberufen.

Das Landgericht Hannover hat die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses entsprechend § 241 Nr. 3 AktG festgestellt und der Klage stattgegeben. Nach § 241 Nr. 3 AktG ist ein Beschluss der Hauptversammlung nichtig, wenn er „mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind“. § 241 Nr. 3 AktG ist entsprechend auf Gesellschafterbeschlüsse der GmbH anwendbar (vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Auflage 2023, Anhang § 47 Rz. 16 ff.; Wertenbruch in Münchener Kommentar GmbHG, 4. Auflage 2023, Anhang § 47 Rz. 89 ff.).

Die dagegen gerichtete Berufung der verklagten Hannover 96 Management GmbH wies das Oberlandesgericht Celle nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurück, weil die Berufung „offensichtlich“ keine Aussicht auf Erfolg habe. Das Tatbestandsmerkmal „offensichtlich“ ist im Jahre 2011 im Rahmen der Reform des § 522 Abs. 2 ZPO in diese Vorschrift eingefügt worden, weil § 522 Abs. 2 ZPO a.F. von den Berufungsgerichten sehr unterschiedlich angewendet worden war und insoweit ein Vertrauensverlust der Bürger drohe (vgl. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, BT-Drucksache 17/6406, S. 1). Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2002, 814 f. zu § 349 StPO) führt der Rechtsausschuss aus, dass eine Berufung dann „offensichtlich aussichtslos“ sei, wenn „für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können“ (Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, BT-Drucksache 17/6406, S. 9; vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 522 Rz. 36).

In der Sache bejahte das OLG Celle wegen Kompetenzwidrigkeit eine Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses analog § 241 Nr. 3 AktG, weil der Abberufungsbeschluss nicht vom GmbH-Aufsichtsrat gefasst worden sei, und wegen Sittenwidrigkeit in analoger Anwendung des § 241 Nr. 4 AktG. Der Hannover 96 e.V. sei sich als Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH seiner im Hannover-96-Vertrag eingegangenen Bindung bewusst gewesen und habe daher die satzungsmäßige Kompetenzverteilung bewusst unterlaufen (OLG Celle, GmbHR 2023, 739, 740 ff.). Verfahrensrechtlich wurde vom OLG Celle die Revision zum BGH nicht zugelassen. Die dagegen beim BGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte allerdings Erfolg. Mit Beschluss vom 27.2.2024 (II ZR 71/23) ließ der insbesondere für Gesellschaftsrecht und Vereinsrecht zuständige II. Zivilsenat die Revision zu, wodurch das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren weitergeführt wurde.

Gesellschaftsrechtliche und verbandsrechtliche Konsequenzen

Der BGH musste zwar über die Reichweite der „50 + 1“ – Regel der DFB-Statuten im Beteiligungsgeflecht von Hannover 96 nicht entscheiden, weil dies für den konkreten Streitgegenstand nicht einschlägig war. Die verbandsrechtliche Pointe bestand bislang darin, dass die Komplementär-GmbH der Profifußball KGaA zwar – in Konkordanz mit den DFB-Statuten – formal zu 100 % vom Idealverein Hannover 96 beherrscht wird. Der wirksam abberufene Geschäftsführer hatte aber über seine Mehrheitsbeteiligung an der einzigen Kommanditaktionärin, der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, und den Hannover-96-Vertrag auch Mitentscheidungsrechte im Bereich der Komplementär-GmbH. Es war daher sehr fraglich, ob das Weisungsrecht des Idealvereins als Alleingesellschafter aus § 37 Abs. 1 GmbHG einen ausreichenden Einfluss sicherte. Mit der Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer ist die verbandsrechtliche Dimension zwar zumindest temporär entschärft. Ansprüche wegen Verletzung des Hannover-96-Vertrags sind aber nicht vom Tapet, und bei der Bestellung eines neuen Geschäftsführers stellt sich wieder die Problematik der Mitentscheidungsrechte der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG über den Aufsichtsrat der GmbH.

OLG Hamburg und OLG Köln zur Gesellschaftsregistereintragung der rechtsfähigen GbR

Nach der MoPeG-Regelung des § 707a Abs. 2 Satz 1 BGB ist die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB mit der Eintragung verpflichtet, als Namenszusatz die Bezeichnungen „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. In der Literatur ist umstritten, ob bei der Eintragung einer GbR in das neue Gesellschaftsregister der Rechtsformzusatz „eGbR“ zwingend am Ende des Gesellschaftsnamens stehen muss. Das Hanseatische OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 22.4.2024 – 11 W 19/24 die Eintragung einer GbR unter dem Namen „eGbR …“, also mit vorangestelltem Rechtsformzusatz, als zulässig angesehen. Das AG Hamburg hatte als Registergericht die Eintragung abgelehnt, weil der Rechtsformzusatz am Ende angefügt, also dem Namen nachgestellt werden müsse. Mit Beschluss vom 24.4.2024  – 4 Wx 4/24 hat das OLG Köln die Eintragung einer GbR unter dem Namen „O. eGbR D.-straße N01“ sanktioniert. Der Rechtsformzusatz ist hier in den Gesellschaftsnamen integriert. Das AG Köln hatte – wie das AG Hamburg – im Rahmen der Ablehnung des Eintragungsantrags die Auffassung vertreten, dass der Rechtsformzusatz „eGbR“ dem Namen immer nachgestellt sein müsse und daher auch nicht in der Mitte des Namens platziert sein dürfe.

Das OLG Hamburg und das OLG Köln reklamieren zu Recht für ihre Auffassung, dass § 707a Abs. 2 BGB – ebenso wie § 19 Abs. 1 HGB – eine bestimmte Platzierung des Rechtsformzusatzes nicht vorschreibt, sondern vielmehr insoweit eine Gestaltungsfreiheit statuiert, solange die zur Eintragung angemeldete Namenskonfiguration keinen irreführenden Charakter aufweist. Die in der Literatur vertretene und von den Vorinstanzen zugrunde gelegte abweichende Auffassung, nach der – in Abweichung von dem für OHG und KG geltenden § 19 Abs. 1 HGB – der Rechtformzusatz „eGbR“ immer dem Gesellschaftsnamen als Kernbestandteil der Eintragung nachgestellt sein müsse, wurde in den OLG-Beschwerdeentscheidungen zu Recht abgelehnt. Zulässig sind demnach in Bezug auf die Platzierung des Rechtsformzusatzes beispielsweise folgende GbR-Eintragungen: „eGbR Schlossallee 1“ sowie „A & B eGbR Parkstraße 2“ oder „C & D Vermögensverwaltung eGbR“.

Die im Gesellschaftsregister als Subjektregister bis zur Grenze der Irreführung des Rechts- und Geschäftsverkehrs freigestellte Platzierung des Rechtsformzusatzes „eGbR“ determiniert die Art und Weise der nach § 47 Abs. 2 GBO, § 15 Abs. 1 Nr. 2 GBV erfolgenden Eintragung der eGbR in das Grundbuch als Objektregister (vgl. dazu Begründung Regierungsentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 206, 208; Mauracher Entwurf der Expertenkommission MoPeG, S. 148 ff. [https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Dokumente/MauracherEntwurf.pdf?__blob=publicationFile&v= 3, zuletzt abgerufen am 3.6.2024]). Das Gleiche gilt für die Aufnahme der eGbR als Inhaberin eines GmbH-Geschäftsanteils in die gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung neu zu erstellende Gesellschafterliste. Auch die GmbH-Gesellschafterliste hat mit Inkrafttreten des MoPeG für die GbR nur noch die Funktion eines Objektregisters, das in Bezug auf die Eintragung der GbR an das Gesellschaftsregister als Subjektregister anknüpft (vgl. Begründung Regierungsentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 108 f.; Mauracher Entwurf, S. 197; zu den Einzelheiten der Eintragung in die Gesellschafterliste unter Berücksichtigung des Voreintragungserfordernisses Wertenbruch/Alm, GmbHR 2024, 225). Entsprechendes gilt für die Eintragung der GbR in das Aktienregister nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG und in das Gesellschaftsregister oder Handelsregister gem. § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB beziehungsweise i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB als Gesellschafterin einer anderen rechtsfähigen Personengesellschaft. Die unter obligatorischer Vergabe einer Registernummer vollzogene Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister als Subjektregister entfaltet daher in Bezug auf den GbR-Namen einschließlich Positionierung des Rechtsformzusatzes „eGbR“ eine Tatbestandswirkung bei der nachfolgenden Eintragung in ein Objektregister.

 

 

 

 

OLG Schleswig bejaht Vorrang der separaten Vorkaufsrechtsausübung beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen – keine Erstreckung auf gesamten Anteilsverkauf analog § 467 S. 2 BGB

I. Gesetzlicher Grundsatz der separaten Vorkaufsrechtsausübung

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 7. Februar 2024 (GmbHR 2024, Ausgabe 7 m. Anm. Wertenbruch/Döring) – im Anschluss an BGHZ 168, 152 = WM 2006, 1598 und gegen eine verbreitete Literaturauffassung – beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen der Ausübung eines einzelnen, auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters bezogenen statutarischen Vorkaufsrechts den grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem in § 464 Abs. 2 BGB geregelten Grundsatz der Vertragsidentität eingeräumt. Nach § 464 Abs. 2 BGB muss der Vorkaufsberechtigte den Inhalt des vom Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag prinzipiell in toto übernehmen. Wenn aber mehrere Gegenstände verkauft werden, an denen nur zum Teil oder eigenständige Verkaufsrechte bestehen, dann kann ein Vorkaufsrecht in Bezug auf einen einzelnen davon erfassten Verkaufsgegenstand separat ausgeübt werden. Nach § 467 Satz 1 BGB ist in dieser Konstellation ein verhältnismäßiger Teilkaufpreis zu ermitteln und vom Vorkaufsberechtigten zu entrichten. Das OLG Schleswig hat zu Recht auf Grundlage der im konkreten Fall tatsächlich erfolgten separaten Vorkaufsrechtsausübung eine doppelt analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB prinzipiell abgelehnt und wegen drohenden Vollzugs des Paketverkaufs eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung erlassen.

II. Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht statt doppelt analoger Anwendung des § 467 Satz 2 BGB – Darlegungs- und Beweislast

Auch eine mehrfach analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB kann beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen und Bestehen separater statutarischer Vorkaufsrechte vor allem deshalb keine geeignete Problemlösung darstellen, weil diese kaufrechtliche Vorschrift einseitig auf das Vorliegen eines Nachteils aufseiten des durch die separate Vorkaufsrechtsausübung verpflichteten Mitverkäufers und nicht auf die Interessen des anderen Mitverkäufers sowie der verkaufsberechtigten Gesellschafter auf der Gegenseite abstellt (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Allein nach Kaufrecht kommt es daher bei separater Vorkaufsrechtsausübung nicht zu einer Erstreckung auf das von den Verkäufern im Rahmen der Vertragsfreiheit vordefinierte gesamte Anteilspaket. Da bei den üblichen wechselseitigen Vorkaufsrechten an GmbH-Geschäftsanteilen sowohl die Berechtigten als auch die Verpflichteten als Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegen, kann sich beim Paketverkauf – und daher auch im Fall des OLG Schleswig – eine Obliegenheit zur einheitlichen Ausübung der Vorkaufsrechte aus dieser zentralen mitgliedschaftlichen Verpflichtung ergeben (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Insoweit ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, die § 467 Satz 2 BGB auch im Rahmen einer weitgehenden Analogie nicht gewährleisten könnte. Zu beachten ist aber, dass die separate Vorkaufsrechtsausübung der gesetzliche Regelfall ist mit der Folge, dass die Paketverkäufer die Darlegungs- und Beweislast für eine auf einheitliche Vorkaufsrechtsausübung gerichtete Treuebindung der vorkaufsberechtigten Mitgesellschafter tragen (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Dem Vorkaufsberechtigten obliegt allerdings eine sekundäre Darlegungslast.

III. Beschränkte gesellschaftsvertragliche Lösungsmöglichkeiten – Tragweite von statutarischen Anbietungsrechten

Im Rahmen der Gestaltung einer GmbH-Satzung kann zwar die Frage der Art der Ausübung wechselseitiger Vorkaufsrechte bei Vorliegen eines Paketverkaufs besonders geregelt werden. Der bei Eintritt eines konkreten Vorkaufsfalls gegebenen Interessenlage und den sonstigen relevanten Umständen könnte dann aber nur schwer hinreichend Rechnung getragen werden. Auch dies belegt, dass die vorkaufsrechtliche Problematik eines Paketverkaufs im Streitfall letztlich nur auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gelöst werden kann. Die in der Praxis verbreiteten statutarischen Anbietungspflichten können die Vereinbarung von mitgliedschaftlichen Vorkaufsrechten zwar ergänzen, aber die hier in Rede stehenden Probleme bei der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vermeiden (vgl. zum Wesen der Anbietungspflicht in GmbH-Satzungen BGHZ 48, 141 = WM 1967, 927; Seibt in Scholz, 13. Aufl. 2022, § 15 GmbHG Rz. 118). Im Fall des BGH lautete die darauf bezogene Satzungsklausel: „Jeder zum Verkauf gelangende Anteil am Stammkapital ist zunächst jedem Gesellschafter gemäß dessen Anteil am Stammkapital und, soweit eine Übernahme nicht erfolgt, der Gesellschaft selbst anzubieten“ (BGHZ 48, 141, 145 = WM 1967, 927, 928). Lehnt ein vorkaufsberechtigter Gesellschafter nach Anbietung eines oder mehrerer Geschäftsanteile den Ankauf ab, so wird dadurch sein Verhalten bei einem nachfolgenden Anteilsverkauf mit Auslösung des Vorkaufsfalls weder gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich determiniert. Für den Gesellschafter als Adressaten einer aktuellen Anbietung ist in Bezug auf die Kaufentscheidung in erster Linie von Bedeutung, ob ein wirtschaftliches Interesse an der Aufstockung der Beteiligung zu konstatieren ist und der Kaufpreis ohne größere Schwierigkeiten finanziert werden kann. Kommt es im Anschluss an die Ablehnung des Ankaufs nach satzungskonformer Anbietung zur Entstehung des Vorkaufsfalls gem. § 463 BGB durch Anteilsverkauf, so kann für die Ausübung des Vorkaufsrechts stattdessen die Abwehr des Eintritts des vom Vorkaufsberechtigten als nicht akzeptabel klassifizierten Anteilskäufers im Vordergrund stehen. Der vorkaufsberechtigte Mitgesellschafter handelt daher grundsätzlich nicht widersprüchlich oder in sonstiger Weise treuwidrig, wenn er deswegen nunmehr das am konkreten Geschäftsanteil bestehende Vorkaufsrecht ausübt. Ob im Falle eines Paketverkaufs die Vorkaufsrechte einheitlich ausgeübt werden müssen, ist auch hier im Wege einer Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu klären.

Vermittlungsausschuss: Sog. unechtes Vermittlungsergebnis zum Wachstumschancengesetz

Am 21.2.2024 hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat getagt und unter anderem über das Wachstumschancengesetz beraten. Am Ende der Verhandlungen gab es ein sog. unechtes Vermittlungsergebnis. Zwar konnte der im Vorfeld erarbeitete Kompromiss, der nur noch ein Entlastungsvolumen von 3,2 Mrd. € beinhaltet, mit einer Mehrheit der Stimmen beschlossen werden, allerdings ohne die Stimmen der CDU- und CSU-Mitglieder in diesem Gremium. Das Ergebnis bedarf nun aber im weiteren Verfahren noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Sollte also die Zustimmung von CDU/CSU im Bundesrat ausbleiben, kann eine erneute Beratung im Vermittlungsausschuss erforderlich werden. Die Unionsparteien machen ihre Zustimmung weiterhin davon abhängig, dass die Ampelkoalition die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Agrardiesel rückgängig macht.

Das Vermittlungsergebnis lässt sich nur im Abgleich mit dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 (vgl. Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Bundestags) analysieren. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 können wie folgt zusammengefasst werden:

Bereits im Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzte und nur deshalb nicht mehr im Gesetz enthaltene Maßnahmen:

› Steuerliche Anpassungen der Abgabenordnung (AO) und anderer Gesetze an das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) einschließlich der befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer.

› Reform und Anpassung der Zinsschranke im Zuge der ATAD-Umsetzung (§ 4h EStG, § 8a KStG).

› Verzicht auf die Besteuerung der Soforthilfe Dezember 2022 (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG).

› Anpassung der Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG).

› Datenaustausch der Kranken- und Pflegeversicherung: Die Einführung des neuen Verfahrens wurde um zwei Jahre verschoben. Neuer Starttermin ist der 01.01.2026 (§ 52 Abs. 36 Satz 3 und 4 EStG).

Mangels Einigung aus dem Gesetz gestrichene Maßnahmen:

› Einführung einer steuerlichen Investitionsförderung in Ergänzung zu den bestehenden Projektförderungen für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 15 % der begünstigten Aufwendungen.

› Mitteilungspflichten in Bezug auf innerstaatliche Steuergestaltungen.

› Erweiterung des Verlustrücktrags auf drei Jahre sowie Anhebung des Höchstbetrags auf 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € ab dem 01.01.2024 bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2025. Ab dem Veranlagungszeitraum 2026 sollte der Höchstbetrag von ursprünglich € 1 Mio. bzw. € 2 Mio. bei Zusammenveranlagung dauerhaft auf € 5 Mio. bzw. € 10 Mio. bei Zusammenveranlagung angehoben werden (§ 10d Abs. 1 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter und den Abschreibungsmöglichkeiten zu den Sammelposten durch Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter von € 800 auf € 1.000 und für Sammelposten von € 1.000 auf € 5.000 sowie Senkung der Auflösungsdauer der Sammelposten auf drei Jahre für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden (§ 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.000 € (§ 3 Nr. 73 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen von € 28 auf € 30 und von € 14 auf € 15 ab dem 01.01.2024 (§ 9 Abs. 4a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen von 110 € auf 150 € ab dem 01.01.2024 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung der Förderung bei der energetischen Gebäudesanierung um zehn Prozentpunkte auf 30 % der Aufwendungen, sofern die Sanierung in 2024 oder 2025 erfolgt. (§ 35c Abs. 1a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Das vorzeitige Auslaufen des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz bereits zum 29.02.2024 (§ 28 Abs. 5 und 6 UStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Umsatzbesteuerung der Landwirte, Anpassung des Durchschnittssatzes für 2024 (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG-E laut Bundestagsbeschluss). Die Maßnahme soll nochmal überprüft werden, auch mit Blick auf Beihilfefragen.

Durch den Vermittlungsausschuss nochmal geänderte Maßnahmen:

› Verlustvortrag § 10d EStG: Anhebung der Prozentgrenze von 60 % auf nur noch 70 % (statt 75 % laut Bundestagsbeschluss) für 4 Jahre (2024 bis 2027) bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Auf die entsprechende Regelung bei der Gewerbesteuer laut Bundestagsbeschluss wird verzichtet.

› Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG-E): Degressive Abschreibung in Höhe von bis zu 20 % (statt 25 % laut Bundestagsbeschluss) höchstens dem 2-fachen (statt dem 2,5-fachen laut Bundestagsbeschluss) der linearen Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 (statt nach dem 31.12.2023 laut Bundestagsbeschluss) und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind.

› Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude mit 5 % (statt 6 % laut Bundestagsbeschluss) mit Baubeginn ab 01.10.2023 befristet auf 6 Jahre (§ 7 Abs. 5a EStG-E).

› § 7g EStG: Anhebung der Sonderabschreibung für Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 € im Jahr vor der Investition nicht überschreiten, von derzeit 20 % der Investitionskosten auf 40 % (statt 50 % laut Bundestagsbeschluss) der Investitionskosten für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter.

› Firmen- und Dienstwagenbesteuerung – Anhebung der Bruttolistenpreisgrenze ohne Entfall der alternativen Reichweitengrenze: Es bleibt bei der vom Bundestag beschlossenen Anhebung des Höchstbetrags für die Inanspruchnahme des Viertels der 1%-Bemessungsgrundlage für die private Nutzung bei rein elektrischen Firmenwagen (inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge), die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden, von € 60.000 auf € 70.000 Listenpreis (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG-E). Darüber hinaus sollte laut Bundestagsbeschluss die Bemessungsgrundlage bei der Bewertung der Entnahme für die private Nutzung betrieblicher Elektrofahrzeuge, die nicht in den Genuss der Viertel-Regelung kommen, und extern aufladbarer Hybridelektrofahrzeuge nur noch dann zur Hälfte anzusetzen sein, wenn das Fahrzeug einen Kohlendioxidausstoß von höchstens 50 Gramm je gefahrenem Kilometer hat. Nunmehr hat man sich allerdings darauf verständigt, dass die aktuell vorgesehene Alternative einer elektrischen Mindestreichweite des Fahrzeugs von mindestens 80 Kilometern nicht ab 2025 entfallen soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 Nr. 5 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Die Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuer-Abzugsverfahren (Aufhebung von § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) soll nicht rückwirkend zum 01.01.2024 (laut Bundestagsbeschluss), sondern zum 01.01.2025 erfolgen.

› Forschungszulage; §§ 3 und 4 FZulG: Ausweitung der förderfähigen Aufwendungen auf bestimmte Sachkosten und Anhebung der maximal förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 4 Mio. € auf 10 Mio. € (statt auf 12 Mio. € laut Bundestagsbeschluss) ab dem Tag nach der Gesetzesverkündung (statt ab 01.01.2024 laut Bundestagsbeschluss); zusätzlich bleibt es bei der Erhöhung für kleine und mittlere Unternehmen um 10 Prozentpunkte.

› Die ursprünglich für Anfang 2024 angedachten Änderungen des InvStG sollen nicht rückwirkend, sondern überwiegend erst mit Gesetzesverkündung Wirksamkeit entfalten.

Die eGbR als neuer Fixstern am gesellschaftsrechtlichen Firmament – schon 2.500 Eintragungen im Gesellschaftsregister

I. Hamburg vor Stuttgart und Berlin

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) am 1.1.2024 ist auch das Gesellschaftsregister für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) eröffnet worden. Gemäß § 707 Abs. 1 BGB besteht für diese Personengesellschaften keine Eintragungspflicht, sondern grundsätzlich ein Wahlrecht, solange keine der bestehenden gesetzlichen Voreintragungsobliegenheiten Platz greift. Laut Unternehmensregisterabfrage via Bundesanzeiger (https://www.unternehmensregister.de/ureg/) wurde heute Mittag gegen 13 Uhr (22.1.2024) bundesweit die Zahl von 2.500 GbR-Eintragungen im Gesellschaftsregister erreicht. Auf die Registergerichte der zehn größten Städte Deutschlands entfallen insgesamt 912 Registrierungen. Angeführt wird die Blitztabelle von Hamburg (265 Eintragungen), Stuttgart (168 Eintragungen) und Berlin (127 Eintragungen); dahinter München (117 Eintragungen) und Köln (108 Eintragungen). Ein beträchtlicher Teil der Registereintragungen war schon bis zum 3. 1.2024 vollzogen. In Hamburg wurde die Schwelle von 50 Eintragungen bereits am 4.1.2024 überschritten. Es besteht daher eine – wohl unwiderlegliche – Vermutung dafür, dass der auf die neue Rechtsformvariante der eGbR bezogene Registerbetrieb an den dafür zuständigen Amtsgerichten auf Grundlage einwandfreier notarieller Anmeldungen termingerecht und ohne Startschwierigkeiten aufgenommen wurde. Keine Probleme gab es wohl auch in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit der Registergerichte für die Anmeldung. So hat z.B. Hessen die Registerzuständigkeit i.S.d. § 376 Abs. 2 FamFG sinnvollerweise nach § 32 Abs. 1 Justizzuständigkeitsverordnung (JuZuV v. 3.6.2013, GVBl. S. 386) parallel zur Zuständigkeit für Handelsregistersachen ausgestaltet. In Berlin reiht sich die Zuständigkeit für Gesellschaftsregistersachen (§ 374 Nr. 2 FamFG) nun in die Zuständigkeitskonzentration des § 5 der Verordnung über die Zuweisung amtsgerichtlicher Zuständigkeiten (Zuweisungsverordnung – ZuwV v. 8.5.2008, GVBl. S. 116) ein, sodass auch hierfür zentral das Amtsgericht Charlottenburg zuständig ist.

Offensichtlich waren aber auch die jetzt bereits eingetragenen Gesellschaften selbst und ihre Berater sehr gut auf die mit dem neuen gesetzlichen Leitbild der rechtfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB einhergehende registerrechtliche Zeitenwende eingestellt. Soweit der im Gesellschaftsregister nach § 707 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) BGB eingetragene Name der eGbR unmittelbar das Betätigungsfeld visualisiert, dominieren bei kursorischer Durchsicht der Registereintragungen die Immobilien- und Vermögensverwaltungsgesellschaften. Ansonsten spiegeln die Namenseintragungen die vielfältige Palette der nach § 705 Abs. 1 BGB möglichen Gesellschaftszwecke wider.

II. Voreintragungserfordernisse als Grund für den Run auf die Registerplätze

Der starke Trend zur Eintragung in das Gesellschaftsregister beruht vor allem auf den zahlreichen im Rahmen des MoPeG zeitgleich statuierten Voreintragungserfordernissen, die zwar formal das Eintragswahlrecht des § 707 Abs. 1 BGB nicht tangieren, aber gesellschaftsrechtliche Transaktionen sowie Verfügungen im Grundstücksrecht bis zum Vollzug der Eintragung blockieren. So soll gem. § 47 Abs. 2 GBO für eine GbR ein Recht im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Eine GbR kann nach § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nur dann in die GmbH-Gesellschafterliste eingetragen und Veränderungen an ihrer Eintragung können nur vorgenommen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Das Gleiche gilt gem. § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG für die Eintragung im Aktienregister. Nach § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB soll eine GbR als Gesellschafter einer anderen GbR nur eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Diese Eintragungsobliegenheit gilt über § 105 Abs. 3 HGB auch für die Beteiligung der GbR an einer OHG und gem. § 161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB für die Gesellschafterstellung in einer KG.

Zudem hängt auch die Möglichkeit der GbR, einen Statuswechsel nach § 707c BGB vornehmen zu können, von der Voreintragung im Gesellschaftsregister ab. Einen vom Verwaltungssitz abweichenden Vertragssitz können die Gesellschafter gem. § 706 Satz 2 BGB ebenfalls nur bei Vorliegen einer eingetragenen GbR vereinbaren. Gehören der noch nicht eingetragene GbR eine große Zahl von Gesellschaftern an, so bietet sich – zwecks Vermeidung praktischer Schwierigkeiten bei der Ersteintragung und bei der Pflege der Registrierung – die insbesondere bei der Kommanditgesellschaft anzutreffende Treuhandlösung an, bei der vom Treuhandgesellschafter (Treuhänder) die Kapitalbeteiligungen der Treugeber auf Grundlage von Treuhandverträgen in der Weise gebündelt werden, dass nur der Treuhänder eine Gesellschafterstellung innehat und demzufolge nur er gem. § 707 Abs. 2 Nr. 2 BGB in das Gesellschaftsregister einzutragen ist (vgl. zur Legitimität BGH v. 11.11.2008 – XI ZR 468/07, BGHZ 178, 271 = ZIP 2008, 2354; BGH v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570). Die Treugeber sind dann über den Treuhänder nur wirtschaftlich an der GbR beteiligt.

III. Vermeidung von Zeitverlusten bei Akutwerden einer gesellschaftsrechtlichen oder grundstücksrechtlichen Transaktion mit Beteiligung einer GbR

Solange eine nicht im Gesellschaftsregister eingetragene GbR, die nach altem Recht unter dem Namen ihrer Gesellschafter und einer Gesamtbezeichnung in einem Objektregister (insb. Grundbuch, GmbH-Gesellschafterliste, Aktienregister oder Handelsregister) als Inhaberin eines Rechts eingetragen ist, keine neue Verfügung über das betreffende Recht oder eine sonstige kraft Gesetzes voreintragungsrelevante Veränderung plant und sich daher also erst einmal „nicht bewegt“, muss zwar prima vista keine Registrierungseile konstatiert werden. Die registerlos vagabundierenden BGB-Gesellschaften und ihre Berater verlieren aber kostbare Zeit, wenn sich – u.U. auch unerwartet – die Notwendigkeit einer Transaktion ergibt, bei der die GbR als beteiligte Rechtsform nur im Falle einer Voreintragung im Gesellschaftsregister akzeptiert wird. Der Vollzug der eigentlich beabsichtigten Transaktion kann dann nämlich erst unter der Voraussetzung erfolgen, dass die Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister als für sie einschlägiges Subjektregister notariell und registerrechtlich abgewickelt ist, sodass ihre Eintragung im anvisierten Objektregister unter Angabe des Registergerichts und der Registernummer vorgenommen werden kann.

IV. Nachweis der Vertretungsmacht im Rechtsverkehr

Ein weiterer Grund für die starke Nachfrage hinsichtlich eines Platzes im Gesellschaftsregister ist sicherlich der Umstand, dass die als Geschäftsführer auftretenden Gesellschafter ansonsten ihre Vertretungsmacht nicht valide nachweisen können. Das MoPeG hält mit § 720 Abs. 1 BGB für die GbR am dispositiven Gesamtvertretungsmodell fest. Es müssen daher grundsätzlich alle Gesellschafter an der Vertretung der GbR beteiligt werden. Der Gesellschaftsvertrag kann zwar eine abweichende Vertretungsregelung vorsehen. Aber auch eine derartige Vertretungsregelung ist bei fehlender Eintragung im Gesellschaftsregister für den Rechtsverkehr nicht ohne weiteres ersichtlich. Der Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einer nicht eingetragenen GbR ist daher für den potentiellen Vertragspartner generell gefährlich. Im Fall der Ausübung des Eintragungswahlrechts nach § 707 Abs. 1 BGB ist gem. § 707 Abs. 2 Nr. 3 BGB auch die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter zur Eintragung anzumelden (vgl. zu den Einzelheiten Wertenbruch, GmbHR 2024, 1 Rz. 8). Nach § 707a Abs. 3 BGB bewirkt die Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister, dass die Rechtsschein- und Vertrauensschutznorm des § 15 HGB mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden ist, dass das Fehlen der Kaufmannseigenschaft nicht an der Publizität des Gesellschaftsregisters teilnimmt (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2024, 1 Rz. 8). Der Rechtsverkehr kann sich in Bezug auf die Vertretungsmacht zwar nur eingeschränkt auf Angaben des agierenden Geschäftsführers und/oder eine von ihm vorgelegte Version des Gesellschaftsvertrags, aber nach Maßgabe des § 707a Abs. 3 BGB i.V.m. § 15 HGB auf die Eintragungen im Gesellschaftsregister verlassen.

V. Prüfungspflichten der Banken und sonstigen Verpflichteten i.S.d. § 2 GWG

Bei Kreditinstituten und sonstigen Verpflichteten i.S.d. § 2 Geldwäschegesetz (GWG) besteht in Bezug auf Geschäftsbeziehungen mit einer nicht eingetragenen GbR nicht nur die Problematik, dass deren geschäftsführende Gesellschafter ohne Registerauszug die gerade bei Bankgeschäften besonders bedeutsame Vertretungsmacht nicht valide nachweisen können. Hinzu kommt die Pflicht der Kreditinstitute und sonstigen Verpflichteten aus § 11 Abs. 1 GWG, vor Begründung der Geschäftsbeziehung oder vor Durchführung der Transaktion Vertragspartner, für diese auftretende Personen und wirtschaftlich Berechtigte zu identifizieren. Das GWG fordert zwar insoweit formal keine Voreintragung der GbR im Gesellschaftsregister; auch § 11 Abs. 4 Nr. 2 lit. c) GWG verlangt in Bezug auf die Rechtsform der GbR zumindest nicht ausdrücklich die Existenz einer Registernummer. Die Überprüfung der nach § 11 Abs. 4 GWG erhobenen Angaben hat aber gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GWG bei juristischen Personen oder bei rechtsfähigen Personengesellschaften anhand eines Auszuges aus dem Handels- oder Genossenschaftsregister oder aus einem vergleichbaren amtlichen Register oder Verzeichnis zu erfolgen. Das neue Gesellschaftsregister ist ein „vergleichbares amtliches Register“ in diesem Sinne. Ohne Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister kann ein Kreditinstitut die Identitätsprüfung daher kaum zuverlässig vornehmen. Im Übrigen wird eine nicht eingetragene GbR aufgrund der momentan außerordentlich florierenden Eintragungspraxis dem kontaktierten Kreditinstitut nur schwer einen plausiblen Grund für das Abstandnehmen von einer Registrierung präsentieren können. Die Eintragung im Transparenzregister hängt gem. § 20 Abs. 1 GWG ebenfalls von der Registrierung der GbR im Gesellschaftsregister ab.

Das MoPeG tritt in wenigen Monaten in Kraft! – Müssen oder sollten bestehende Gesellschaftsverträge von Personenhandelsgesellschaften noch rechtzeitig angepasst werden?

I. Anwendung des neuen Personengesellschaftsrechts auch auf bestehende Gesellschaften?!

Für das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10. August 2021 (BGBl. I 2021, 3436) hat der Gesetzgeber der Praxis (und auch der Wissenschaft) bekanntlich eine verhältnismäßig lange Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2024 eingeräumt. Erschien diese kurz nach der Verkündung des MoPeG im August 2021 mit fast 2,5 Jahren recht lang, ist allen mit dem Personengesellschaftsrecht in ihrer beruflichen Praxis befassten Personen vor allem in den letzten Monaten klar geworden, dass auch diese Übergangsfrist bald zu Ende geht und es in Sachen MoPeG sozusagen ernst wird. Eine im bisherigen Diskurs wenig oder kaum beachtete Frage ist die Anwendung des neuen Rechts auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens schon bestehende Gesellschaften. Wirft man einen Blick in das MoPeG selbst, muss man resigniert feststellen, dass sich der Gesetzgeber dieser Frage offenbar nicht angenommen hat. So stellt Art. 137 MoPeG lediglich fest, dass dieses weitestgehend am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Auch der mit dem MoPeG eingeführte Art. 52 EGHGB bringt keinen wirklich größeren Aufschluss, da dieser nur für die Änderungen in § 162 HGB eine Regelung vorsieht. Eine solche gesetzgeberische Abstinenz im Hinblick auf Übergangsregelungen ist allerdings nicht ungewöhnlich, fehlten diese doch bei zahlreichen größeren, gesellschaftsrechtlichen Reformgesetzen in den letzten Jahrzehnten. Gleichwohl ist dem Gesetzgeber dahingehend ein Vorwurf zu machen, da sich etwa beim MoMiG (zur Frage der Anwendung des neuen Rechts der Gesellschafterdarlehen auf Altdarlehen Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48) oder bei der Aktienrechtsnovelle 2016 (zur Frage der Anwendung der [neuen] Beschränkungen für die Ausgabe von Inhaberaktien bei Altgesellschaften Mock, AG 2016, 261, 268) durchaus komplexe Fragen des Übergangsrechts stellten, so dass man eigentlich ausreichend Erfahrung damit machen konnte, dass es ohne Übergangsregelungen jedenfalls nicht ganz einfach wird.

Aus dem Fehlen einer umfassenden Übergangsregelung bzw. der Beschränkung von Art. 52 EGHGB auf die Neufassung von § 162 HGB folgt nun, dass das neue Recht auch auf alle Gesellschaften Anwendung findet, und zwar unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zum 1. Januar 2024 schon gegründet waren oder nicht. Somit unterliegen auch alle bestehenden Gesellschaften den Neuregelungen. Dies ist vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen Änderungen und Neuerungen durch das MoPeG insbesondere dann nicht unproblematisch, wenn der Gesellschaftsvertrag sich eben zu diesen neuen Regelungen nicht inhaltlich verhält. Dies soll nachgehend für die zwei Bereiche des Beschlussmängelrechts und der Gewinnausschüttungen an Gesellschafter illustriert werden.

II. Beschlussmängelrecht

Eine zentrale Neuerung des MoPeG ist die Einführung eines Beschlussmängelrechts für die Personenhandelsgesellschaften in den §§ 110-115 HGB, mit denen der Gesetzgeber nunmehr das Anfechtungsmodell für die oHG und die KG übernommen hat, für das bisher das Feststellungsmodell gegolten hat (zu diesen beiden Modellen vgl. etwa Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 110 HGB Rz. 1). Diese Neuregelungen sollen ausweislich der Gesetzesbegründung auch auf Altgesellschaften Anwendung finden (Begr RegE MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 228). Bei eben dieser Anwendung der Neuregelungen auf bestehende Gesellschaften stellt sich das Problem, dass diese Neuregelungen nicht zwingend sind und die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag von diesem Modell im Grundsatz vollständig oder im Hinblick auf Einzelregelungen abweichende Regelungen vorsehen können (arg. § 108 HGB; Bayer/Rauch, DB 2021, 2609, 2617; Liebscher in Schäfer, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 5 Rz. 152; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 110 Rz. 45; Schäfer, ZIP 2021, 1527, 1533 [mit einem konkreten Regelungsvorschlag]; zu den Grenzen der Gestaltung ausführlich Mohamed in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 108 HGB Rz. 37 f.). Eben in diesem Verhältnis von bestehenden Regelungen in Gesellschaftsverträgen bei Altgesellschaften zu den neuen §§ 110-115 HGB können Probleme auftreten.

1. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften ohne Regelungen zum Beschlussmängelrecht

Keine Probleme scheinen zunächst bei Gesellschaftsverträgen von Altgesellschaften ohne Regelungen zum Beschlussmängelrecht zu bestehen. Bei diesen Gesellschaften finden die neuen §§ 110-115 HGB ohne Weiteres Anwendung. Damit ist für diese Gesellschaften aber eine erhebliche Veränderung der Rechtslage verbunden, da es einen Vertrauenstatbestand, dass das bisherige Beschlussmängelrecht auch weiterhin Anwendung findet, gerade nicht gibt. Daher sollte geprüft werden, ob dieser automatische Wechsel vom Feststellungs- zum Anfechtungsmodell tatsächlich im Interesse der Gesellschafter ist, da anderenfalls eine Änderung des Gesellschaftsvertrags mit einer Optierung zugunsten des Feststellungsmodells erwogen werden sollte. Das Bestehen einer dahingehenden Interessenlage ist durchaus nicht abwegig, wird die Geltendmachung von Beschlussmängel durch die neuen §§ 110-115 HGB doch vor allem in prozessualer Hinsicht erheblich erleichtert. Sind die Gesellschafter einer Geltendmachung von Beschlussmängeln gegenüber eher zurückhaltend eingestellt, sollte erwogen werden, für das Feststellungsmodell zu optieren. Eine Pflicht zur Zustimmung der Änderung des Gesellschaftsvertrags kann nicht – auch nicht als Ausfluss der Treuepflicht – angenommen werden (Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 110 HGB Rz. 45; großzügiger Liebscher, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 5 Rz. 154).

Wurde bereits vor dem Inkrafttreten des MoPeG eine Feststellungsklage erhoben, über die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1. Januar 2024 noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, kann die Klage nicht wegen der ggf. fehlenden Beachtung der dreimonatigen Klagefrist des neuen § 112 Abs. 1 HGB abgewiesen werden; auch bleibt die Feststellungsklage in diesen Fällen die statthafte Klageart (so ausdrücklich Begr RegE MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 228)

2. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften mit Regelungen zum Anfechtungsmodell

Sieht der Gesellschaftsvertrag von Altgesellschaften Regelungen zum Beschlussmängelrecht vor und folgen diese dem Anfechtungsmodell, bleiben diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen weiter anwendbar (arg. § 108 HGB). Schwierigkeiten können sich aber dann ergeben, wenn diese Regelungen eine Anfechtungsfrist von weniger als einem Monat vorsehen, da eine solche Regelung nach § 112 Abs. 1 Satz 2 HGB unwirksam ist. Der Umstand, dass diese Regelung vor dem Inkrafttreten des MoPeG vereinbart wurde, ist ohne Bedeutung. Folge dieser Unwirksamkeit ist es, dass dann die dreimonatige Anfechtungsfrist des § 112 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Anwendung kommt (Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 112 HGB Rz. 8). Somit kann es mit dem Inkrafttreten des MoPeG dahingehend zu einer Änderung der Rechtslage kommen, auch wenn der Gesellschaftsvertrag das Beschlussmängelrecht ausführlich regelt. Daher sollte – sofern der Gesellschaftsvertrag eine Anfechtungsfrist von weniger als einem Monat vorsieht (zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Frist im alten Recht Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 5. Aufl. 2019, § 119 HGB Rz. 12d) – geprüft werden, ob man jedenfalls auf diesen Mindeststandard ausweicht, um die Maßgeblichkeit der längeren Anfechtungsfrist von drei Monaten (§ 112 Abs. 1 Satz 1 HGB) auszuschließen. Zudem sollte geprüft werden, ob etwaige Konkretisierungen des Anfechtungsmodells von den Gesellschaftern gewollt oder erwünscht sind; dies gilt etwa im Hinblick auf konkrete Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe oder die – in den §§ 110-115 HGB nicht adressierte – Heilung fehlerhafter Beschlüsse (zur Frage der Heilung Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann,6. Aufl. 2023, § 110 HGB Rz. 46).

3. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften mit Regelungen zum Feststellungsmodell

Enthält der Gesellschaftsvertrag für das Beschlussmängelrecht Regelungen zum Feststellungsmodell, kommen die §§ 110–115 HGB nicht zur Anwendung und es bleibt bei der bisherigen Rechtslage. Schwierigkeiten können sich allerdings dann ergeben, wenn diese Regelungen zum Feststellungsmodell unvollständig sind, da die §§ 110–115 HGB dann meist nicht zur Lückenfüllung herangezogen werden können. Kann den Regelungen im Gesellschaftsvertrag gleichwohl entnommen werden, dass das Beschlussmängelrecht der Gesellschaft dem Feststellungsmodell unterliegen soll, ist im Zweifel anzunehmen, dass die alte Rechtslage fortbestehen soll und Lücken dann eben mit Rückgriff auf dieses zu schließen sind.

4. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften mit widersprüchlichen oder unklaren Regelungen zum Beschlussmängelrecht

Besondere Schwierigkeiten bestehen schließlich bei Gesellschaften, bei denen nicht eindeutig ist, ob der Gesellschaftsvertrag für Beschlussmängel dem Anfechtungs- oder dem Feststellungsmodell folgen soll. Während im bisherigen Recht im Zweifel das Feststellungsmodell zur Anwendung kam (dazu etwa Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 5. Aufl. 2019, § 119 HGB Rz. 8 ff.), verhält es sich nach neuem Recht nun umgekehrt; Unklarheiten führen in der Regel zur Anwendung der §§ 110-115 HGB (Liebscher in Schäfer, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 5 Rz. 153; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 110 HGB Rz. 45). Daher sollte der Gesellschaftsvertrag daraufhin geprüft werden.

III. Gewinnausschüttungen an Gesellschafter

Eine weitere, zentrale Neuerung hält das MoPeG im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen an Gesellschafter bereit. Während die Gesellschafter einer oHG im bisherigen Recht lediglich ein beschränktes Entnahmerecht (§ 122 HGB) und die Kommanditisten Anspruch auf Auszahlung des auf sie entfallenden Gewinns (§ 169 HGB) hatten, geht das neue Recht generell von einem Vollausschüttungsgebot für die oHG und die KG aus. Nach § 122 Satz 1 HGB muss der in der Bilanz ausgewiesene Gewinn an die Gesellschafter nach der Feststellung des Jahresabschlusses ausgeschüttet werden; die Auszahlung kann nur unter den Voraussetzungen von §§ 122 Satz 2, 169 HGB von den Gesellschaftern nicht gefordert werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Ergebnisverwendungsbeschluss nach dem gesetzlichen Regelungsmodell nicht erforderlich ist und auch ohne entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht wirksam gefasst werden kann (ausführlich Mock, GmbHR 2023, im Erscheinen; Mock  in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 121 HGB Rz. 15). Damit verbunden ist auch die Folge, dass nicht abgerufene Gewinne als Verbindlichkeiten der Gesellschaft auszuweisen sind und somit – entgegen der bisherigen Rechtslage (dazu Roth in Hopt, 42. Aufl. 2023, § 120 HGB Rz. 4; Schäfer, in Großkomm/HGB, 5. Aufl 2009, § 122 Rn. 10; im Ergebnis wohl auch Priester in MünchKomm/HGB, 5. Aufl. 2022, § 122 HGB Rz. 16.) – nicht auf den Kapitalanteil oder anderes Konto des Gesellschafters zurückgebucht werden; verzichten die Gesellschafter daher auf die Geltendmachung, um die Liquidität der Gesellschaft zu schonen, erhöht sich der Fremdkapitalausweis (ausführlich Mock, GmbHR 2023, im Erscheinen).

1. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften ohne Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung

Für Personenhandelsgesellschaften, die bisher keine Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung enthalten, sind mit dem Inkrafttreten des MoPeG erhebliche Änderungen verbunden. So können bei der oHG nun alle Gesellschafter die Auszahlung des Gewinns nach § 122 Satz 1 HGB verlangen, solange die Voraussetzungen von § 122 Satz 2 HGB nicht vorliegen; zudem kommt es zu einer Bilanzierung der nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüche als Verbindlichkeiten. Letzteres ist auch bei Kommanditisten der Fall. Neben diesen Folgen für die Personenhandelsgesellschaften droht auch den Gesellschaftern Ungemach. Eine Folge der fehlenden Rückbuchung der nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüche durch die nunmehr nicht erfolgende Zuschreibung zum Kapitalanteil ist, dass diese Ansprüche der allgemeinen Verjährung (§§ 195, 199 BGB) unterliegen und bei einer entsprechend mehrjährigen fehlenden Geltendmachung verloren gehen können (ausführlich Mock, GmbHR 2023, im Erscheinen). Daher sollte bei bestehenden Gesellschaften dringend geprüft werden, ob dieses nunmehr in den §§ 120-122, 169 HGB vorgesehene Regelungsregime den Interessen der Gesellschafter tatsächlich entspricht.

2. Gesellschaftsverträge von Altgesellschaften mit Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung

Aber auch bei Gesellschaften mit Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung in den Gesellschaftsverträgen können sich nach dem 1. Januar 2024 Verschiebungen ergeben. So stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die §§ 120-122, 169 HGB durch diese Regelungen tatsächlich abbedungen werden. Dies ist zwar grundsätzlich möglich (ausführlich Mock, GmbHR 2023, im Erscheinen), kann aber schwierig werden, wenn die Regelungen im Gesellschaftsvertrag unvollständig sind oder bei einzelnen Aspekten auf das bisherige Recht verweisen. Besonders geprüft werden sollte, ob der Gesellschaftsvertrag auch regelt, wie mit nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüchen umzugehen ist. Derartige Regelungen finden sich eher selten in Gesellschaftsverträgen, so dass sich dann die Frage stellt, ob es bei einer Bilanzierung als Verbindlichkeit (nach neuem Recht) oder doch zur Zuschreibung zum Kapitalanteil oder einem anderen Privatkonto kommt. Da § 122 Satz 1 HGB von ersterem ausgeht (ausführlich Mock, GmbHR 2023, im Erscheinen), dürfte eben diese Folge im Zweifel eintreten. Daher sollten bestehende Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung dringend geprüft werden, um eine ungewollte Änderung der Rechtslage zu verhindern. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Liquiditätsplanung der Gesellschaft, die durch umfassende Gewinnauszahlungsansprüche der Gesellschafter empfindlich beeinträchtigt werden kann, zumal die Schranken der §§ 122 Satz 2, 169 HGB verhältnismäßig hohe Hürden für einen Ausschluss der Durchsetzbarkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs aufstellen.

III. Fazit

Auch wenn sich das Gesellschaftsvertragsrecht der Personenhandelsgesellschaften durch eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit auszeichnet, drohen die am 1. Januar 2024 in Kraft tretenden, umfassenden gesetzlichen Änderungen des Personenhandelsgesellschaftsrechts, die Rechtslage für viele Personenhandelsgesellschaften zu ändern. Daher sollte der zum alten Recht ausgeübte Gestaltungsspielraum bei den Gesellschaftsverträgen daraufhin geprüft werden, ob die damit gewollten Regelungen auch im neuen Recht noch tatsächlich den ursprünglich gewollten Effekt haben. Ein Vorteil ist dabei zweifellos, dass die Änderung der Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften in der Regel nicht an besondere Formerfordernisse oder Eintragungen im Handelsregister gebunden ist. Daher können Gesellschafter die gegebenenfalls notwendigen Änderungen noch rechtzeitig vor dem 1. Januar 2024 vornehmen. Erforderlich ist dahingehend aber eine Kooperationsbereitschaft der Gesellschafter, da eine Pflicht zur Änderung der Gesellschaftsverträge zur Anpassung von diesen an die neue Rechtslage unter dem MoPeG nicht besteht und sich auch nicht aus der Treuepflicht ableiten lässt (ebenso im Kontext des Beschlussmängelrechts Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, 6. Aufl. 2023, § 110 HGB Rz. 45; großzügiger Liebscher, in Schäfer, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 5 Rz. 154).

 

Commercial Courts im Rechtsausschuss

Unter dem Titel „Commercial Courts – Deutsche Elite-Gerichtsbarkeit goes international“ hatte ich in der GmbHR 2023, R52 und hier im Blog über das Eckpunktepapier des BMJ vom 16.1.2023 berichtet. Mein damaliges Fazit: „Nichts spricht dagegen, sie möglichst rasch in ein Gesetz zu gießen und umzusetzen. … Woher sollten ernsthafte, überzeugende Argumente gegen Dialog, gegen moderne Technik oder gegen Richterqualität kommen? Nicht zähe Diskussionen sind jetzt gefragt, sondern zeitnahe Umsetzung. Möge das Eckpunktepapier zügig zum Gesetzentwurf erstarken!“

Inzwischen ist einiges vorangegangen. Am 1.3.2023 fand die Anhörung der Sachverständigen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages statt (hier abzurufen: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/931000-931000). Wie zu erwarten war, stieß der Entwurf auch dort auf einhellige Zustimmung, wobei an mehreren Stellen Verbesserungen angeregt wurden.

Der Bedarf nach mehr sprachlicher Flexibilität wurde allgemein anerkannt. In der Tat ist wenig verständlich, warum es in einem Prozess, der einen Streit mit internationalen Beteiligten betrifft, generell nicht zulässig sein soll, in einer anderen Sprache als Deutsch zu verhandeln. Natürlich darf das nicht dazu führen, dass einzelne Prozessparteien sprachlich „abgehängt“ werden, dafür ist prozessleitend Sorge zu tragen. Aber wenn alle Beteiligten des Englischen hinreichend mächtig sind, sollte man ihnen nicht von Gesetzes wegen verbieten, sich dieser Sprache zu bedienen. Das gilt umso mehr, wo fremdsprachige Dokumente eingereicht werden, über die zu reden ist. Aktuell betrifft die Debatte lediglich die englische Sprache, aus meiner Sicht könnte das aber gesetzlich offen ausgestaltet werden, so dass dann, wenn es der Sache dient und jedermann rechtliches Gehör erhält, auch in anderen Sprachen verhandelt werden könnte. Entsprechende Versuche mit Französisch gibt es in Deutschland bereits.

Die Commercial Courts sollen nach dem derzeitigen Planungsstand zum Teil erst ab bestimmten Streitwertgrenzen zuständig werden. Dagegen richtete sich die Kritik mehrerer Sachverständiger. In der Tat ist nicht einzusehen, warum das Angebot, in fremder Sprache zu verhandeln, nur für betuchte Beteiligte gelten sollte, die dann auch gleich noch – so die Vorschläge des Eckpunktepapiers – von moderner Technik und einer Aufzeichnung des Geschehens im Gerichtssaal profitieren sollen. Das Ziel sollte es hier sein, flächendeckend den Zugang zum Recht zu erleichtern.

Ein Sachverständiger forderte vehement eine parallele Anpassung materieller Rechtsvorschriften. Das deutsche AGB-Recht wirke auf ausländische Beteiligte abschreckend und wenn es nicht im B2B-Geschäft zurückgebaut werde, würden internationale Unternehmen ohnehin von der Wahl eines deutschen Rechtssystems Abstand nehmen.

Mehrere Sachverständige unterstrichen, dass die Commercial Courts nicht als Bastion des Staates im Abwehrkampf gegen ein um sich greifendes Schiedsgerichtswesen verstanden werden sollten. Vielmehr gehe es um eine Stärkung des Justizstandortes Deutschland insgesamt und das komme auch den hiesigen Schiedsgerichten durchaus zugute. Ein Sachverständiger teilte in diesem Zusammenhang seine Erfahrung, dass ausländische Gerichte entgegen einem landläufigen Vorurteil häufig zu deutlich niedrigeren Gebühren ihre Dienste anböten als in Deutschland.

Einige Länder sind schon aufgebrochen, Commercial Courts einzurichten, die mehr oder weniger dem entsprechen, was nun in Deutschland diskutiert wird, Frankreich insbesondere, die Niederlande und – natürlich – Singapur. Die ersten dortigen Erfahrungen zeigen, dass es nicht leicht ist, internationale Streitparteien von der Wahl staatlicher Gerichte zu überzeugen. Die Akzeptanz hält sich bislang in Grenzen. Das sollte dazu führen, auch in Deutschland mit realistischen Erwartungen an die Umsetzung zu gehen. Dass der Weg aber ein richtiger ist, hat sich nach Abschluss der Sachverständigen-Anhörung eindrucksvoll bestätigt.

 

Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses zum Entwurf der Mehrstimmrechtsaktien-RL

Die Diskussion über die Einführung der Mehrstimmrechtsaktien im Zuge des Listing Acts ist im vollen Gange (zum Entwurf der Mehrstimmrechtsaktien-RL s. etwa Casper, ZHR 187 (2023), 5, 29 f.; Gumpp, BKR 2023, 82, 88 f.; Harnos, Blog-Beitrag vom 13.12.2022; Kuthe, AG 2023, R28, R29; von der Linden/Wilk, NZG 2023, 193; Schlitt/Ries, NZG 2023, 145). Am 27.2.2023 hat der Ausschuss Handelsrecht des Deutschen Anwaltvereins eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er den Vorstoß der Europäischen Kommission zwar grundsätzlich begrüßt, aber eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet. Zahlreiche Anregungen des Ausschusses sind durchaus erwägenswert: eine ausdrückliche Regelung zur KGaA und SE, eine Klarstellung hinsichtlich der Zulässigkeit von Sonderbeschlüssen benachteiligter Aktionäre, eine weitere Klarstellung, dass die Schaffung der Mehrstimmrechtsaktien durch Ausübung genehmigten Kapitals unzulässig ist, und die Konkretisierung der Obergrenzen für die Stimmrechtsmacht in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. b Mehrstimmrechtsaktien-RL-E. Überzeugend sind zudem die Überlegungen zur Ausgestaltung der sunset clauses, zur Erweiterung der gegenständlichen Beschränkungen in Art. 5 Abs. 2 Mehrstimmrechtsaktien-RL-E sowie zu den Transparenzvorgaben in Art. 6 Mehrstimmrechtsaktien-RL-E.

Zwei Vorschläge des DAV-Handelsausschusses sind dagegen bedenklich: die erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Mehrstimmrechtsaktien-RL und die Streichung der „Klimaschutz-Regelung“ in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. d Mehrstimmrechtsaktien-RL-E.

Anwendungsbereich der Mehrstimmrechtsaktien-RL zwischen Mindest- oder Vollharmonisierung

Nach dem bisherigen Konzept der EU-Kommission soll die Mehrstimmrechtsaktien-RL nur insoweit einen Harmonisierungsdruck erzeugen, als Mehrstimmrechtsaktienstrukturen lediglich für Aktiengesellschaften geöffnet werden sollen, die eine Notierung auf einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben (vgl. Art. 4 Mehrstimmrechtsaktien-RL-E). Werden die Aktien bereits auf einem KMU-Wachstumsmarkt oder einem anderen Handelsplatz gehandelt oder will der (künftige) Emittent die Aktien von vornherein in einem anderen Marktsegment als KMU-Wachstumsmarkt – etwa im geregelten Markt – platzieren, können die Mitgliedstaaten die Mehrstimmrechtsaktienstrukturen gem. Art. 3 Mehrstimmrechtsaktien-RL-E zulassen, müssen es aber nicht. Kein Zwang zur Zulassung der Mehrstimmrechtsaktien gilt ferner für geschlossene Aktiengesellschaften; auch insoweit folgt der Richtlinienentwurf dem Konzept der Mindestharmonisierung (vgl. auch Casper, ZHR 187 (2023), 5, 30: große Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten).

Dagegen schwebt dem DAV-Handelsrechtsausschuss eine Vollharmonisierung dahingehend vor, die Mehrstimmrechtsaktienstrukturen für alle Aktiengesellschaften zu öffnen – und zwar unabhängig davon, ob die Aktien bereits auf einem geregelten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem (MTF), das kein KMU-Wachstumsmarkt ist, gehandelt werden oder ob die Eigentümer der Gesellschaft überhaupt den das Börsenparkett betreten möchten (vgl. S. 9 ff. der Stellungnahme; für Erstreckung auf alle MTF Gumpp, BKR 2023, 82, 89). Dabei vermisst der Ausschuss eine tragfähige Begründung für die Ausklammerung der Gesellschaften, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrstimmrechtsaktien-RL fallen.

Mehrstimmrechtsaktienstrukturen in allen Kapitalmarktsegmenten

Der Vorschlag des DAV-Handelsrechtsausschusses, die Mehrstimmrechtsaktienstrukturen für Gesellschaften in allen Kapitalmarktsegmenten zu öffnen, klingt bei unbefangener Betrachtung verlockend, weil er einer weiteren Fragmentierung des – ohnehin unübersichtlichen – Aktien- und Kapitalmarktrechts in der Europäischen Union entgegenwirkt. Zudem will der Ausschuss offenbar erreichen, dass die Kapitalmarktteilnehmer mit den Füßen darüber abstimmen, ob sie Unternehmen mit einer „one share, one vote“-Kultur oder mit einer Mehrstimmrechtsaktienstruktur für vorzugswürdig halten (zur Einstellung der Investoren und Stimmrechtsberater vgl. Denninger, DB 2022, 2329, 2334; Kuthe, AG 2023, R28, R29; Nicolussi, AG 2022, 753 Rz. 43; von der Linden/Wilk, NZG 2023, 193). In Zeiten eines übergreifenden Paternalismus wirkt die damit verbundene Liberalisierungsbrise erfrischend.

Dennoch geht die Kritik an der Harmonisierungskonzeption der EU-Kommission zu weit. Die Kommission versteht die Zulassung von Mehrstimmrechtsaktienstrukturen augenscheinlich als ein Instrument, um kleine und mittlere Unternehmen an den öffentlichen Kapitalmarkt zu locken und damit ihre Finanzierungsbasis zu stärken: Die Investoren der ersten Stunde können einerseits den externen Anlegern die Beteiligung am Unternehmen ermöglichen, müssen aber andererseits keinen Machtverlust befürchten, wenn sie sich ausreichend Mehrstimmrechtsaktien sichern. Ist ein KMU bereits auf einem Handelsplatz notiert, bedarf es der Mehrstimmrechtsaktien als Lockmittel nicht mehr; insoweit ist das Konzept der EU-Kommission durchaus in sich schlüssig.

Will die Gesellschaft von vornherein ins kalte Wasser springen und eine Notierung auf einem „höherwertigen“ Marktsegment anstreben, kann die Zurückhaltung der EU-Kommission mit einem Verweis auf die kritischen Stimmen begründet werden, die vor einer allzu breiten Öffnung des Gesellschaftsrechts für Mehrstimmrechtsaktienstrukturen warnen: Die Mehrstimmrechtsaktien schaffen das Risiko, die Kontrollfunktion der Kapitalmärkte auszuhebeln und die Governance-Strukturen zu schwächen (s. nur Casper, ZHR 187 (2023), 5, 24 ff.; Denninger, DB 2022, 2329, 2331 ff.; Herzog/Gebhard, ZIP 2022, 1893, 1899 f.). Dies relativiert die Zwangsläufigkeit, die der DAV-Handelsrechtsausschuss im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Marktsegmente vorspiegelt.

Namentlich ist die Schaffung eines level playing field, auf das der DAV-Handelsrechtsausschuss mehrfach Bezug nimmt, bei Lichte besehen nicht zwingend. Wieso sollte der Richtliniengeber den Wettbewerb zwischen den nationalen Aktienrechtsordnungen durch eine zwingende Vorgabe unterbinden, deren Daseinsberechtigung nicht unumstritten ist? Das bisherige Konzept der EU-Kommission hat – auch im Lichte des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 3 EUV) – den Charme, im Zeitalter der Mobilitäts-RL die Bedingungen für einen Systemwettbewerb zu schaffen, in dem beobachtet werden kann, welche Anziehungskraft Mehrstimmrechtsaktien für notierungswillige Gründer haben (s. dazu bereits Nicolussi, AG 2022, 753 Rz. 17; zur Competition of Policy Makers jüngst auch Casper, ZHR 187 (2023), 5, 27 ff.). Erweisen sich Rechtsordnungen, die Mehrstimmrechtsaktienstrukturen generell zulassen, als überlegen, kann die EU-Kommission diesen Umstand im Rahmen der ohnehin vorgeschriebenen Überprüfung berücksichtigen und den Anwendungsbereich der Richtlinie erweitern (vgl. Gumpp, BKR 2023, 82, 89: Test; trial and error).

Nebenbei: Entscheidet sich der Richtliniengeber dafür, von der ursprünglichen Konzeption der EU-Kommission abzurücken und die Vorschläge des DAV-Handelsrechtsausschusses umzusetzen, sollte er über den Standort der Regelung nachdenken, die die Mehrstimmrechtsaktienstrukturen für Gesellschaften aller Kapitalmarktsegmente öffnet. Jedenfalls für börsennotierte Aktiengesellschaften spricht viel dafür, insoweit die Aktionärsrechte-RL zu ändern, statt die Zulässigkeit der Mehrstimmrechtsaktien in einer separaten Richtlinie zu regeln.

Mehrstimmrechtsaktienstrukturen in geschlossenen Gesellschaften

In der Sache überzeugend sind die Ausführungen des DAV-Handelsrechtsausschusses zu Mehrstimmrechtsaktiensystemen in geschlossenen Gesellschaften. Es ist in der Tat kein Grund ersichtlich, solchen Unternehmen die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien zu verbieten (s. bereits Harnos, Blog-Beitrag vom 13.12.2022; s. auch Casper, ZHR 187 (2023), 5, 30). Nur: Ist eine EU-Richtlinie der richtige Ort, um die Governance-Vorgaben für Unternehmen jenseits des Kapitalmarkts zu lockern?

Die EU-Kommission stützt ihren Vorschlag auf Art. 50 AEUV und Art. 114 AEUV. Wieso das Verbot der Mehrstimmrechtsaktien in kapitalmarktfernen Gesellschaften die Niederlassungsfreiheit einschränkt und deshalb qua Richtlinie abgeschafft werden muss, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Auch ein Binnenmarktmarktbezug drängt sich bei geschlossenen Unternehmen nicht auf. Insoweit sollte der Richtliniengeber – ggf. mit Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip – an der bisherigen Konzeption festhalten und die Entscheidung den Mitgliedstaaten überlassen.

Streichung des „ESG-Artikels“

Auf S. 20 f. der Stellungnahme beschäftigt sich der DAV-Handelsrechtsausschuss mit Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. d Mehrstimmrechtsaktien-RL-E. Diese Vorschrift enthält eine Regelung für Fälle, in denen die Mehrstimmrechte ausgeübt werden, um Hauptversammlungsbeschlüsse zu blockieren, die darauf abzielen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen. Dass der „ESG-Artikel“ überrascht, wurde bereits im Blog-Beitrag v. 13.12.2022 näher erläutert – eine Streichung erscheint aber dennoch vorschnell.

Insbesondere verstößt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. d Mehrstimmrechtsaktien-RL-E nicht zwingend gegen das aktienrechtliche Kompetenzsystem. Wenn der DAV-Handelsrechtsausschuss auf § 119 AktG verweist, blendet er aus, dass die deutsche Organisationsverfassung nicht alternativlos ist und die EU-Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung flexibel sind. Hinzu kommt, dass Deutschland nicht verpflichtet wäre, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. d Mehrstimmrechtsaktien-RL-E umzusetzen. Vielmehr enthält Art. 5 Abs. 2 Mehrstimmrechtsaktien-RL-E lediglich eine Liste mit optionalen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten (ggf. in modifizierter Form) erlassen können. Im Hinblick darauf und die derzeitige Diskussion um „Say on ESG“ wirkt der Vorschlag des Ausschusses wie ein (nicht zeitgemäßer) Versuch, jeglichen Gedanken an eine Erweiterung der HV-Kompetenzen im Keim zu ersticken.

UmRUG tritt am 1. März 2023 mit Übergangsregelung in Kraft

Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze („UmRUG“) tritt gem. Art. 25 Abs. 1 UmRUG am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 28.2.2023 (BGBl. I 2023, Nr. 51 v. 28.2.2023). Das vom Bundestag in der 80. Sitzung der 20. Legislaturperiode am 20.1.2023 beschlossene UmRUG (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR-Blog v. 20.1.2022) wurde vom Bundespräsidenten am 22.2.2023 ausgefertigt. Der Bundesrat hatte in der 1030. Sitzung am 10.2.2023 mit Mehrheit beschlossen, einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zu stellen (Plenarprotokoll 1030, S. 2 i.V.m. Umdruck 1/2023, S. 23* zu I [sog. Grüne Liste]). Das UmRUG ist damit am 10.2.2023 gem. Art. 78 Var. 2 GG zustande gekommen.

Nach der Übergangsregelung des § 355 Abs. 1 UmwG n.F. kann eine Verschmelzung, eine Spaltung oder ein Formwechsel von den beteiligten Rechtsträgern in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Zweiten, Dritten und Fünften Buches in deren jeweils vor dem 1.3.2023 geltenden Fassung durchgeführt werden, wenn (Nr. 1) der Verschmelzungsvertrag oder der Spaltungs- und Übernahmevertrag vor dem 1.3.2023 geschlossen, der Verschmelzungs- oder Spaltungsplan vor dem 1.3.2023 aufgestellt oder der Formwechselbeschluss als Umwandlungsbeschluss vor dem 1.3.2023 gefasst wurde und (Nr. 2) die Umwandlung bis zum 31.12.2023 zur Eintragung angemeldet wurde. Der Stichtag des 31.12.2023 i.S.d. § 355 Abs. 1 Nr. 2 UmwG n.F. wird durch die verzögerte Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie nicht berührt (vgl. dazu Empfehlung und Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucks. 20/5237, S. 58; vgl. zur Absetzung des UmRUG von der Tagesordnung der Bundestagssitzung v. 15.12.2022 als Grund für diese Verzögerung Wertenbruch, GmbHR-Blog v. 19.12.2022; Heckschen/Knaier, GmbHR-Blog v. 29.12.2022).

Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 UmwG n.F. sind § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1 und § 312 UmwG in der ab dem 1.3.2023 geltenden Fassung erstmals auf Umwandlungen anzuwenden, für die der Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber nach dem 28.2.2023 gefasst worden ist. Gem. § 355 Abs. 2 Satz 2 UmwG n.F. sind § 307 Abs. 2 Nr. 14 und die §§ 314 und 316 Abs. 2 UmwG in der ab dem 1.3.2023 geltenden Fassung erstmals auf grenzüberschreitende Verschmelzungen anzuwenden, für die der Verschmelzungsplan nach dem 28.2.2023. bekannt gemacht worden ist.

Inkongruente Gewinnverwendung und inkongruente Ausschüttung

Erfreulicherweise räumt die Finanzrechtsprechung und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Gesellschaftern einer GmbH großen Gestaltungsspielraum – mit steuerlicher Wirkung – sowohl bei der Gewinnverwendung als auch bei der Gewinnausschüttung ein. Mit Urteil vom 28.9.2021 (BFH v. 28.9.2021 – VIII R 25/19, GmbHR 2022, 140 m. Anm. Binnewies) hat der BFH erstmals die inkongruente Gewinnverwendung steuerrechtlich anerkannt. Im Rahmen der Gewinnverwendung haben die Gesellschafter einer GmbH damit die Freiheit zu entscheiden, dass nur die Gewinnanteile einzelner Gesellschafter zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt werden und Gewinnanteile anderer Gesellschafter in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Beispiel: A und B sind zu jeweils 50 % an der C-GmbH beteiligt. Im Rahmen der Gewinnverwendung wird beschlossen, dass 50 % des Gewinns in eine personenbezogene Gewinnrücklage des A eingestellt werden. 50 % des Gewinns werden zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt und im Anschluss inkongruent an B ausgeschüttet. Durch diese Gestaltung wird eine Verschiebung von Gewinnen zwischen A und B ausgeschlossen, sodass keine schenkungssteuerlichen Fragen aufgeworfen werden. Eine endgültige Vermögensverschiebung zwischen A und B auf der Gesellschafterebene findet nicht statt. 50 % des Gewinns sind für A in dessen Gewinnrücklage thesauriert. Die anderen 50 % sind an B ausgekehrt. Die Einstellung von 50 % des Gewinns in die personenbezogene Gewinnrücklage für A löst bei A noch keinen Zufluss aus. A erzielt keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer Dividende, solange die personenbezogene Rücklage nicht aufgelöst und ihre Auskehrung an A beschlossen wird. Erst dann entsteht nach § 29 GmbHG ein Anspruch auf Auszahlung.

Von der inkongruenten Gewinnverwendung ist die inkongruente Ausschüttung zu unterscheiden. Nach der Frage, ob der Gewinn ganz oder anteilig thesauriert in die allgemeine oder personenbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, schließt sich bezüglich des Gewinns, der zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt wird, die Frage an, ob der zur Ausschüttung bereitgestellte Gewinn kongruent, d.h. entsprechend der Beteiligungen am Nennkapital, oder inkongruent an einzelne Gesellschafter, d.h. abweichend von ihrer Beteiligung am Nennkapital, ausgeschüttet wird. Mit Urteil vom 28.9.2022 (BFH v. 28.9.2022 – VIII R 20/20, GmbHR 2023, 127 m. Anm. Obser) hat der BFH einmal mehr bestätigt, dass auch die inkongruente Gewinnausschüttung steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dies hatte der BFH erstmals im Jahr 1998 entschieden und danach mehrfach wiederholt ausgesprochen. Besonderheit dieser Entscheidung ist, dass dies auch im Rahmen von satzungsdurchbrechenden Beschlüssen möglich ist. Grundsätzlich setzen sowohl die inkongruente Gewinnverwendung als auch die inkongruente Gewinnausschüttung eine entsprechende Satzungsklausel in der Satzung einer GmbH voraus. Wird aber mit satzungsändernder Mehrheit ein Beschluss gefasst, der sich in der Wirkung des konkreten Beschlusses erschöpft und keine dauerhafte Abänderung der Satzung herbeiführen soll, geht die ganz herrschende Auffassung im Gesellschaftsrecht davon aus, dass ein solcher Beschluss zivilrechtlich wirksam ist. In dem dem Urteil des BFH zugrunde liegenden Fall war sogar einstimmig beschlossen worden. Diese zivilrechtliche Anerkennung von satzungsdurchbrechenden Beschlüssen zeichnet der BFH nunmehr steuerrechtlich nach. Moderne Satzungen einer GmbH sollten gleichwohl sowohl für die inkongruente Gewinnverwendung als auch für die inkongruente Ausschüttung eine entsprechende Eröffnungsklausel in der Satzung vorsehen. Insgesamt ist diese Entwicklung in der Rechtsprechung des BFH ausgesprochen praxisfreundlich und eröffnet sinnvolle Gestaltungsspielräume.