Pflicht zur 3G-Kontrolle durch den Arbeitgeber

Der Bundesrat hat am 19.11.2021 Änderungen zum IfSG und zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchVO) zugestimmt, die der Bundestag zuvor beschlossen hatte. Sie treten am Tag nach der Verkündung (BGBl. I 2021, 4906), damit am 24.11.2021, in Kraft. Mit den Änderungen (Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drucks. 20/15) gelten verschärfte arbeitsrechtliche Bestimmungen zur Corona-Bekämpfung, teilweise zum 19.3.2022 befristet. Hingegen wird (formell) die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25.11.2021 auslaufen.

Insbesondere gilt nun: Der Zutritt zur Arbeitsstätte ist nur Beschäftigten mit 3G-Status erlaubt. Hierzu muss der Arbeitgeber vor Betreten der Arbeitsstätte einen Nachweis über den Impf- bzw. Genesungsstatus oder einen gültigen Negativtest kontrollieren. Ausnahmen gelten nur, wenn unmittelbar vor Ort ein Test erfolgt oder ein Impfangebot wahrgenommen wird. Verstöße werden auf Seiten der Arbeitgeber und der Beschäftigten mit einem Bußgeld geahndet. Arbeitgeber sollen ihre Beschäftigten über die Risiken einer COVID-19-Erkrankung aufklären und über die Möglichkeit einer Impfung informieren, insbesondere in einer arbeitsschutzrechtlichen Unterweisung. Die Arbeitgeber sollen ermöglichen, dass ihre Beschäftigten Impfangebote im Betrieb oder extern und dies während der Arbeitszeit wahrnehmen können. Außerdem sollen Arbeitgeber ihre Betriebsärzte und Dienste, die Schutzimpfungen im Betrieb anbieten, durch organisatorische und personelle Maßnahmen unterstützen.

Der Fokus liegt auf der Neufassung von § 28a Abs. 7 IfSG. Herausragend ist die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in Betrieben (Nr. 3 der Neuregelung). Hierzu heißt es ergänzend durch das BMAS, was die Anforderungen anbelangt (Homepage des BMAS, FAQs zu 3G am Arbeitsplatz): Es ist eine effiziente betriebliche Zutrittskontrolle erforderlich, die eine lückenlose Umsetzung der Nachweispflicht zum Status geimpft, genesen oder getestet sicherstellt. Der Schwerpunkt der Kontrollen liegt auf der Gültigkeit der Testnachweise. Für nicht Geimpfte bzw. nicht Genesene ist eine tägliche Überprüfung ihres negativen Teststatus Voraussetzung für den Zugang zur Arbeitsstätte. Allerdings müssen die Beschäftigten und auch Arbeitgeber selbst den Impf- /Genesenen-/Testnachweis (z.B. im Spind) für Kontrollen der zuständigen Behörde bereithalten. Art und Umfang der einzusetzenden Kontrollinstrumente und -verfahren sind nicht festgelegt. Nachweise können von den Beschäftigten auch beim Arbeitgeber hinterlegt werden. Diese Hinterlegung ist freiwillig. Die Nachweise können in schriftlicher (zum Beispiel Impfausweis) oder digitaler Form vorliegen. Datenschutzrechtlich wird dem Arbeitgeber mittels § 36 Abs. 3 Satz 1 IfSG in neuer Fassung das hierfür erforderliche Datenverarbeitungsrecht eingeräumt, allerdings ebenso nur befristet zum 19.3.2022.

Bei den Änderungen zur Corona-ArbSchVO ist dessen neuer § 3 (Kontaktreduktion im Betrieb) hervorzuheben, in welcher eine arbeitgeberseitige Prüfpflicht zur Homeoffice-Tätigkeit nun (wieder) angeordnet ist und es heißt: „Der Arbeitgeber hat zu prüfen, welche geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen werden können, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren, sofern nicht durch andere Maßnahmen ein gleichwertiger Schutz sichergestellt werden kann.“ Damit sollen Zusammenkünfte durch die Möglichkeit des Homeoffice auf ein betriebsnotwendiges Maß beschränkt werden. Ergibt daher die Pflichtprüfung, dass Homeoffice-Arbeit machbar ist, ist sie (wieder) zu ermöglichen. Ausdrücklich darf der Arbeitgeber bei seinem Hygienekonzept geimpfte und genesene Personen laut Begründung zur BT-Drucks. 20/15 präferieren: Der Impf- und Genesungsstatus kann, sofern er bekannt ist, in der Bewertung der Maßnahmen zur Kontaktreduktion berücksichtigt werden, so dass im Einzelfall Maßnahmen zur Kontaktreduktion wegfallen können.

Die virtuelle Hauptversammlung 2022

Sprichwörtlich in letzter Sekunde, tatsächlich jedenfalls bei letzter Gelegenheit hat der 19. Deutsche Bundestag am 7.9.2021 die Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung ein zweites Mal verlängert. Damit wird es nach den Jahren 2020 und 2021 „angesichts der ungewissen Fortentwicklung der Pandemie-Situation und daraus resultierender Versammlungsbeschränkungen“ (BT-Drucks. 19/32275, 30) auch im Jahr 2022 die Möglichkeit geben, Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abzuhalten.

In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/32275, 30) mahnt der Gesetzgeber, dass von dem „Instrument“ der Online-Hauptversammlung „im Einzelfall nur dann Gebrauch gemacht werden [sollte], wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemiegeschehens und im Hinblick auf die Teilnehmerzahl der jeweiligen Versammlung erforderlich erscheint.“ Die Prognoseentscheidung (!) nach § 1 Abs. 2 COVMG muss ermessensfehlerfrei erfolgen. Es gelten die Grundsätze für eine unternehmerische Entscheidung auf Grundlage des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (Business Judgement Rule), wobei gem. § 1 Abs. 7 COVMG, der ebenfalls bis 31.8.2022 verlängert wurde, allein vorsätzlicher Missbrauch schadet. Daher sind an die Ermessensentscheidung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.

Eindeutig lässt sich vor diesem Hintergrund wohl nur folgende Situation beurteilen: Nach einem sog. Freedom Day (zuletzt Dänemark) kann rechtssicher keine virtuelle Hauptversammlung mehr geplant werden. Eine bereits einberufene Online-Hauptversammlung müsste aber nicht wieder abberufen und als physische Versammlung neu einberufen werden. Vielmehr könnte dann auch nach der Aufhebung sämtlicher Pandemiebeschränkungen eine virtuelle Versammlung abgehalten werden. Auch dürfte eine Hauptversammlung vollständig virtuell durchgeführt werden, wenn die Vorbereitungen zum Zeitpunkt eines möglichen Freedom Days bereits so weit fortgeschritten sind, dass die kurzfristige Organisation einer physischen Versammlung bis zum 31.8.2022 faktisch unmöglich wäre. Im Übrigen dürfte für die Beurteilung, ob die Entscheidung zur Einberufung und Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung ermessensfehlerfrei war, nicht der Zeitpunkt der Einberufung, sondern (ex ante!) ein Zeitpunkt sein, der mitunter weit vor dem Tag der Einberufung liegt. Sollte sich ein Emittent mit Blick auf den Gesundheitsschutz der Aktionäre, Organmitglieder, Dienstleister, Presse- und Medienvertreter aus Vorsichtsgründen für eine Online-Hauptversammlung entscheiden, dürfte es aus heutiger Sicht schon im Ansatz schwerfallen, Ermessensfehler zu konstruieren.

Im Ergebnis ist daher auch für die Hauptversammlungssaison 2022 davon auszugehen, dass diese weitestgehend, wenn nicht gar nahezu vollständig, virtuell stattfinden wird.

Mehr zur virtuellen Hauptversammlung 2022 in der AG 2021, R283.

Die Option zur Körperschaftsteuer für Personengesellschaften eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten

Am 25.06.2021 hat nun auch der Bundesrat seine Zustimmung zum KöMoG erteilt. Auch wenn zuletzt seitens der Grünen Bedenken gegen die Einführung einer Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft vorgebracht wurden, weil dies ein „Einfallstor für Steuerschlupflöcher“ sein könnte, haben auch die Bundesländer mehrheitlich der Neuregelung zugestimmt.

Damit steht fest, dass es für bestimmte Personengesellschaften bereits ab dem Jahr 2022 die Möglichkeit geben wird, nach § 1a KStG-neu zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu optieren. Der große Vorteil einer solchen Option liegt auf der Hand: Thesaurierte Gewinne werden in einer Kapitalgesellschaft deutlich geringer besteuert als solche einer Personengesellschaft. Dies gilt regelmäßig selbst dann, wenn eine Personengesellschaft die in der Praxis sehr komplizierte Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG wählt. Da sich dieser Vorteil im Fall der Vollthesaurierung einer Kapitalgesellschaft im Vergleich zur regelbesteuerten Personengesellschaft im Spitzensteuersatz auf fast 17 Prozentpunkte belaufen kann, werden sich z.B. Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft künftig stets die Frage stellen müssen, ob sie – gerade in Jahren mit hohen steuerpflichtigen Gewinnen – zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft optieren wollen. Für die Beratung bedeutet dies, die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die nach § 1a KStG-neu optieren kann, also insbes. die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG sowie Partnerschaftsgesellschaften, stets eng zu begleiten, um zu prüfen, ob eine solche Option dazu beitragen kann, die Steuerquote dauerhaft zu senken.

Gleichwohl erschöpft sich die Möglichkeit, zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft zu optieren, nicht nur in einem günstigeren Steuersatz. Vielmehr ist es die mögliche Kombination aus den ohnehin bestehenden Vorzügen einer Personengesellschaft mit dem niedrigen Steuersatz einer Kapitalgesellschaft, die die Option nach § 1a KStG attraktiv macht. Insoweit ist zu betonen, dass die optierende Personengesellschaft zwar ertragsteuerlich wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird. Zivilrechtlich bleibt es jedoch eine Personengesellschaft. Durch die Möglichkeit, zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft zu optieren, können nunmehr die zivilrechtlichen Vorzüge der Personengesellschaften, wie das flexiblere Gesellschaftsrecht, die Nichtanwendbarkeit des Drittelbeteiligungsgesetzes oder geringere Publizitätspflichten, genutzt werden.

Die Unternehmen, die sich für eine Körperschaftsteueroption nach §1a KStG-neu entscheiden, können diese Vorzüge einer Personengesellschaft weiterhin in Anspruch nehmen und dennoch im Fall der Gewinnthesaurierung den deutlich niedrigeren Steuersatz für Kapitalgesellschaften nutzen und damit Steuerersparnisse generieren.

Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass im Zuge der Ausübung Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft – ebenso wie bei der Rückoption zur Regelbesteuerung – zahlreiche steuerliche und gesellschaftsrechtliche Themen bedacht werden müssen, um sicherzustellen, dass das angestrebte Ziel, einen steuerlichen Vorteil zu erzielen, auch erreicht wird. Für die Beratung ergibt sich insoweit ein umfangreiches neues Betätigungsfeld.

MoPeG passiert Bundesrat

Das MoPeG ist am 25.6.2021 um 02:07 Uhr vom Bundestag einstimmig beschlossen worden (vgl. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz-846942). Der Ständige Beirat des Bundesrats, dem die Bevollmächtigten der sechzehn Länder angehören, hat dem Ersuchen stattgegeben, die Zuleitungsfrist von sechs Wochen so zu verkürzen, dass eine Behandlung des MoPeG als Einspruchsgesetz (vgl. dazu https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1006/to-node.html) im Bundesrat noch am 25.6.2021 erfolgen konnte (TOP 123 der BR-Sitzung). Um 13:19 Uhr wurde in der Sitzung des Bundesrats förmlich festgestellt, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anruft. Damit ist das MoPeG gem. Art. 78 Var. 2 GG zustande gekommen.

Letzte Ausfahrt MoPeG!

Das Filmdrama „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ von Bernd Eichinger und Uli Edel, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Hubert Selby („Last Exit to Brooklyn“), war nichts für ausschließlich auf Happy-End frisierte Kinogänger. Für das geplante Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) (Gesetzentwurf Bundesregierung v. 17.3.2021, BT-Drucksache 19/27635) gibt es hingegen in Berlin auf der 19. Straße der Bundesgesetzgebung rechtzeitig vor dem Dead End noch eine Ausfahrt „Reichstagsgebäude/Schloss Bellevue“, und zwar in der letzten Sitzungswoche vom 21.6. bis 25.6.2021. Am Donnerstag, dem 24.6.2021, findet im Wallot-Bau ohnehin eine lange Nacht der Gesetze statt.

Die 1. Beratung des MoPeG im Bundestag erfolgte am 25.3.2021 mit der planmäßigen Verweisung an den federführenden Rechtsausschuss (BT-Plenarprotokoll 19/218, S. 27516D-27521D). Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss fand am 21.4.2021 statt. Dort wurden allerdings von einem Sachverständigen auch verfassungsrechtliche Zweifel an der weiteren Zulässigkeit einer unterschiedlichen Besteuerung von Kapitalgesellschaften nach KStG und den Personengesellschaften nach EStG (Mitunternehmerbesteuerung der Gesellschafter nach § 15 EStG) vorgetragen. Das daraufhin vom Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Sachen MoPeG, Prof. Dr. Heribert Hirte, eingeholte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages weist die Bedenken des Sachverständigen dagegen zu Recht zurück (https://www.heribert-hirte.de/hirte-befragt-wissenschaftlichen-dienst-zum-gesetzesentwurf-zur-modernisierungdes-personengesellschaftsrecht/ ).

Das MoPeG knüpft zwar einschließlich Begründung nicht mehr an den tradierten und über Jahrzehnte umstrittenen Gesamthandsbegriff an. Gleichwohl gibt es nach wie vor grundlegende Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaft (juristische Person) und Personengesellschaft, die eine andere Struktur der Besteuerung rechtfertigen. Denn auch bei der Personengesellschaft des MoPeG gilt als Leitprinzip der Grundsatz der Selbstorganschaft, das An- und Abwachsungsprinzip bei Veränderungen im Gesellschafterbestand, das Zwei-Personen-Erfordernis (keine Ein-Personen-Personengesellschaft) und der Grundsatz der persönlichen akzessorischen Gesellschafterhaftung (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1, 2). Diese Besonderheiten tragen – wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages überzeugend bestätigt – den in Rede stehenden ertragssteuerrechtlichen Dualismus in Form der Besteuerung der Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und der Gesellschafter der Personengesellschaft als Mitunternehmer nach § 15 EStG (vgl. dazu auch Wertenbruch, GmbHR 2021, 1, 3). Die Unterschiede bei der steuerlichen Belastung sind ohnehin grundsätzlich nicht gravierend (vgl. dazu Mueller-Thuns in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Hdb. GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2021, § 2 B II Rz. 2.38 ff).

Es bleibt zu hoffen, dass der ReGE MoPeG in der letzten Sitzungswoche der 19. Legislaturperiode noch unter Einhaltung der vorgeschriebenen parlamentarischen Usancen in die letzte Ausfahrt zum Plenarsaal des Reichstagsgebäudes einbiegt und die noch zu passierenden Ampeln dann bis zur Ausfertigung im Schloss Bellevue auf „grün“ geschaltet sind. Denn am 25.6.2021 ist im Bundestag auf jeden Fall erst einmal curtain down.

Bestellungsbeschluss kein grundbuchtauglicher Nachweis für (Nachtrags-)Liquidator

Ein nicht seltenes und im Fall des Auftretens mitunter nur mit einigem Aufwand zu behebendes Problem: Eine GmbH wird zunächst im Handelsregister gelöscht, sei es von Amts wegen aufgrund Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG), sei es auf Antrag nach vorangegangenem Abwicklungsverfahren (§ 74 Abs. 1 GmbHG). Nach Löschung stellt sich sodann aber heraus, dass diese zu Unrecht erfolgte, weil die GmbH in Wahrheit noch Vermögen hatte. Bei allem dogmatischen Streit über die Wirkung der Löschungseintragung steht damit für die ganz h.M. fest: Die GmbH ist nicht vollbeendet, sondern besteht fort, bis sie vollständig vermögenslos geworden ist. Bei vorangegangener amtswegiger Löschung wegen Vermögenslosigkeit muss sie erstmals ein Liquidationsstadium durchlaufen, bei „voreiliger“ Löschung nach bereits durchlaufenem Liquidationsstadium ist dieses fortzusetzen. Verfügt die gelöschte GmbH noch über (werthaltige oder formale) Grundbuchpositionen, die es zu verwerten oder jedenfalls zur Löschung zu bringen gilt, wirft dieser Sachverhalt viele im Detail streitige Fragen im Schnittfeld von Liquidations- und Grundbuchverfahrensrecht auf. Häufig sind in der Praxis die Fälle „vergessener“ formaler Grundbuchpositionen, die als wertlose Aktiva zwar nichts an der Vermögenslosigkeit der GmbH ändern (dazu Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 54), wohl aber fortbestehenden Abwicklungsbedarf implizieren und damit in die „gestutzte“ (Nachtrags-)Liquidation in entsprechender Anwendung des § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG münden. Seltener verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen. Über einen solchen Fall, in welchem die zu Unrecht von Amts wegen aufgrund vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH noch als Teileigentümerin im Grundbuch eingetragen war und der daher gerichtlich bestellte (Nachtrags-)Liquidator i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG das Teileigentum mit Grundschulden belasten wollte, hatte jüngst das Kammergericht (KG v. 11.5.2021 – 1 W 29/21) zu entscheiden.

Das Kammergericht erteilt der bisher weitgehend etablierten Praxis eine Absage, die Vertretungsberechtigung eines (Nachtrags-)Liquidators i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG und damit dessen Bewilligungsberechtigung im Grundbuchverfahren mittels Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses über seine gerichtliche Bestellung nachzuweisen. Dies jedenfalls dann, wenn zwischen Bestellungsbeschluss und Bewilligungserklärung bereits ein Kalenderjahr verstrichen ist. Denn es liege nicht gänzlich fern, dass zwischenzeitlich eine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grunde erfolgt sein könnte, welche für Dritte „unbemerkt“ geblieben ist, da es keine Pflicht zur Rückgabe des Bestellungsbeschlusses gebe. § 47 FamFG sichere nur den Bestand solcher Rechtsgeschäfte, die bis zu einer etwaigen Aufhebung des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses und damit rückwirkend entfallender Vertretungsbefugnis vorgenommen seien, nicht aber schütze die Bestimmung das Vertrauen auf einen Fortbestand einer entfallenen Vertretungsbefugnis. Daher bedürfe es (jedenfalls in solchen Fällen für grundbuchverfahrensrechtliche Zwecke) der deklaratorischen (Wieder-)Eintragung der gelöschten GmbH mitsamt Liquidator, um das Fortbestehen der GmbH i.L. sowie die Vertretungsberechtigung des Liquidators grundbuchtauglich über § 32 GBO nachzuweisen.

Praxistipp:

Der Praxis ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidung zu raten, beim Registergericht anzuregen, sich an dem (ohnehin dogmatisch allein überzeugenden) Grundsatz zu orientieren, jedenfalls bei noch vorhandenem Vermögen die gelöschte GmbH als aufgelöste unter bisheriger Registernummer im Verbund mit dem gerichtlich bestellen Liquidator in das Handelsregister kundmachend einzutragen. Die Eintragung erfolgt allerdings von Amts wegen (die entsprechende Eintragung kann daher nur angeregt werden), das Registergericht hat aber im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Abwicklungsaufgaben des Liquidators in Rechnung zu stellen – verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen, wird dieses regelmäßig dahingehend reduziert sein, eine (Wieder-)Eintragung vorzunehmen. Bei kürzeren Zeitabständen zwischen Bestellungsbeschluss und grundbuchverfahrensrechtlichen Bewilligungserklärung sollte allerdings ungeachtet dessen die Vorlage der Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses als grundbuchtaugliches Nachweismittel i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO betrachtet werden. Erst recht gilt dies, sofern es – wie häufiger der Fall – nur noch um die zeitnahe Löschung wertloser Grundbuchpositionen geht; in diesen Sonderfällen nicht-vermögensbezogenen Abwicklungsbedarf erscheint auch die (Wieder-)Eintragung übertrieben, ist hier die Stellung des Liquidators doch letztlich nur jener eines bloßen Pflegers i.S.d. § 1913 BGB vergleichbar. Wurde unter Verweis auf die Vermögenslosigkeit der GmbH in einem solchen Fall gar eine gerichtliche Liquidatorenbestellung abgelehnt, wird man auch eine Grundbuchberichtigung i.S.d. § 22 GBO unter Vorlage eines solchen Beschlusses für zulässig halten müssen. Zu alledem ausführlich bei Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 69 ff. sowie K. Schmidt/Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 66 GmbHG Rz. 58 f. und § 74 GmbHG Rz. 26 ff.

Interne Untersuchungen: Unternehmerische Herausforderung

Pflicht zur Aufklärung von Compliance-Vorfällen

Interne Untersuchungen sind ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Compliance-Management-Systems. Jedes Unternehmen hat die Pflicht, auftretende Verdachtsmomente unverzüglich aufzuklären, fortdauernde Gesetzesverstöße unmittelbar abzustellen und das festgestellte Fehlverhalten angemessen zu sanktionieren. Dieser Dreiklang (Aufklären, Abstellen, Ahnden) ist in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt. Die Aufklärung von Verdachtsmomenten für compliance-relevantes Fehlverhalten ist regelmäßig zwingende Voraussetzung dafür, Konsequenzen für das Compliance-Management-System zu ziehen und dadurch Wiederholungen in der Zukunft auszuschließen. Die Untersuchung erfolgt in forensischer Hinsicht regelmäßig durch die Auswertung von Geschäftsunterlagen und die datenschutzkonforme Selektion und Analyse elektronischer Daten und Korrespondenz. Daneben kommt der arbeitsrechtlich adäquaten Befragung involvierter Mitarbeiter eine wesentliche Bedeutung zur Sachverhaltsaufklärung zu. Obwohl interne Untersuchungen zum Standardprogramm einer guten Corporate Governance und Compliance-Organisation gehören, stellt ihre rechtliche und operative Durchführung für Unternehmen eine besondere Herausforderung dar.

Zunehmende Bedeutung interner Untersuchungen

Durch das geplante Verbandssanktionengesetz (VerSanG) wird erstmals ein rechtlicher Rahmen für interne Untersuchungen geschaffen. Am 22. April 2020 veröffentlichte das BMJV den Referentenentwurf zum VerSanG. Am 16. Juni 2020 wurde der Regierungsentwurf mit nur wenigen inhaltlichen Abweichungen vom Referentenentwurf veröffentlicht. Dabei stehen für die Durchführung verbandsinterner Untersuchungen drei Aspekte im Fokus: die Einhaltung der Grundsätze des fairen Verfahrens, die Dokumentation der verbandsinternen Untersuchung und die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. Die Vorzüge einer erfolgreichen Untersuchung nach dem VerSanG-E bestehen in der Möglichkeit der Milderung der Verbandsgeldsanktion durch Halbierung der Sanktionsobergrenze und Entfall des Mindestmaßes (§ 18 VerSanG-E) sowie der Verhängung durch Sanktionsbescheid unter Verzicht auf eine öffentliche Hauptverhandlung (§ 50 VerSanG-E). Zudem ist die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung ausgeschlossen. Wird keine verbandsinterne Untersuchung durchgeführt oder erfolgt sie nicht nach den Maßgaben des VerSanG-E, kann eine Milderung unter Berücksichtigung der allgemeinen Umstände in Betracht kommen (§ 15 VerSanG-E). Bei Inkrafttreten des VerSanG wird die interne Aufarbeitung verdächtiger Sachverhalte damit als Voraussetzung sowohl kompetenter Unternehmensverteidigung als auch kooperativer, auf Sanktionsmilderung zielender Strategien weiter an Bedeutung gewinnen.

DICO-Musterprozess für die Durchführung von internen Untersuchungen

Unternehmen sollten daher angemessene Strukturen und Prozesse zur Aufdeckung von sowie zum Umgang mit Gesetzesverstößen vorhalten. Mit einem klaren Fokus auf den rechtlichen Anforderungen und den technischen Aspekten sowie einem detaillierten Plan für die Durchführung der Untersuchungshandlungen lassen sich tragfähige Ergebnisse erzielen. Hilfestellung kann der „Musterprozess für die Durchführung von Internen Untersuchungen“ des DICO (Deutsches Institut für Compliance) geben. Das am 12. Mai 2021 veröffentlichte Arbeitspapier des Arbeitskreises Interne Untersuchungen und Hinweisgebersysteme stellt die einzelnen Prozessschritte vom Eingang eines Hinweises bis hin zur Umsetzung von Folgemaßnahmen dar und gibt jeweils praktische Anwendungshilfen sowie Anregungen für die Erstellung von Vorlagen. Sowohl kleine und mittlere (KMU) als auch Großunternehmen können dieses Arbeitspapier in Ergänzung zum bereits entwickelten DICO-Standard „Interne Untersuchungen“ als praxisorientierte Richtschnur für ihr Prozessdesign zur Durchführung interner Untersuchungen verwenden. Durch diese Entwicklungen erfahren interne Untersuchungen eine weitere Ausprägung, die ihr Ansehen stärkt und ihren Ergebnissen nützt.

Brexit: Implikationen des EU-UK TCA im Bereich des Gesellschaftsrechts

Die EU und das UK haben am 30.12.2020 ein Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement – EU-UK TCA) unterzeichnet, das zum 1.1.2021 vorläufig in Kraft trat.

Konsequenzen für die Anerkennung und rechtliche Behandlung von Gesellschaften

Infolge des Austritts des UK aus der EU gilt im Verhältnis zwischen UK und EU-/EWR-Mitgliedstaaten keine Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV bzw. Art. 31 Abs. 1, 34 Abs. 1 EWRV) mehr. Folglich verpflichtet die Niederlassungsfreiheit Deutschland im Verhältnis zum UK auch nicht mehr zur Anwendung der Gründungstheorie (grundlegend insoweit die EuGH-Urteile Centros, Überseering und Inspire Art).

Im Verhältnis zu Drittstaaten – wie es das UK nun ist – gilt nach st. Rspr. des BGH grundsätzlich die Sitztheorie, sofern nicht aufgrund einer internationalen Übereinkunft eine Pflicht zur Anwendung der Gründungstheorie besteht.

Im EU-UK TCA finden sich zwar keine speziellen Vorschriften zum Gesellschaftsrecht und auch keine den Art. 49, 54 AEUV direkt vergleichbaren Regelungen. Das EU-UK TCA enthält jedoch äußerst umfassende Regelungen zur Liberalisierung von Investitionen (Art. SERVIN.2.1-SERVIN.2.7), die weitgehend denjenigen in Kapitel 8 CETA nachgebildet sind. Insbesondere gelten zugunsten von Investoren der anderen Vertragspartei und erfassten Unternehmen in Bezug auf establishment and operation die Prinzipien der Inländerbehandlung (national treatment – NT) und der Meistbegünstigung (most favoured nation treatment – MFN) (Art. SERVIN.2.3 Abs. 1, Art. SERVIN.2.4 Abs. 1, 2 EU-UK TCA). Jedes erfasste Unternehmen und jeder Investor einer Vertragspartei darf also im Hinblick auf establishment and operation – d.h. sowohl im Hinblick auf die Errichtung einer Niederlassung als auch auf deren Betrieb – im Gebiet der anderen Vertragspartei nicht weniger günstig behandelt werden als inländische Investoren (NT) und Investoren aus Drittstaaten (MFN) in vergleichbaren Situationen. Dies setzt aber notwendig voraus, dass ein Investor einer Vertragspartei und ein erfasstes Unternehmen von der anderen Vertragspartei als rechtsfähig anerkannt werden müssen – und zwar als juristische Person nach dem Recht der Vertragspartei, nach dem sie gegründet wurden.

Eine Ausnahme wäre aufgrund der Definition des Begriffs legal person of a Party (Art. SERVIN.1.2(k) EU-UK TCA) allenfalls zulässig für Gesellschaften, die auf dem Gebiet des UK keine substantive business operations ausüben. Dies würde aber nur sehr wenige Fälle ausschließen und zudem Praxis und Gerichte mit erheblichen Abgrenzungsproblemen belasten. Insgesamt sprechen daher die besseren Argumente dafür, im Verhältnis zum UK (weiterhin) generell die Gründungstheorie anzuwenden.

Wegfall der Bindung des UK an das EU-Gesellschaftsrecht

Eine weitere wichtige Konsequenz des Brexit ist, dass das UK mangels EU-Mitgliedschaft nicht mehr an das EU-Gesellschaftsrecht gebunden ist. Das UK hat jedoch weite Teile des EU-Gesellschaftsrechts in sein innerstaatliches Recht inkorporiert.

Gleichwohl gibt es seit dem 1.1.2021 einige wichtige Neurungen, u.a.:

  • Das UK ist nicht mehr am BRIS beteiligt.
  • Grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen UK-Kapitalgesellschaften und EU-/EWR-Kapitalgesellschaften auf der Basis der nationalen Umsetzungsvorschriften zur GesRRL (in Deutschland: §§ 122a ff. UmwG) sind nicht mehr möglich. Die Vertrauensschutzregelung des § 122m UmwG geht ins Leere.
  • Grenzüberschreitende Spaltungen und grenzüberschreitende Formwechsel auf der Basis der Art. 49, 54 AEUV bzw. der GesRRL sind ebenfalls nicht mehr möglich.
  • Es können keine SE, SCE und EWIV mit Sitz im UK mehr gegründet werden. SE, SCE und EWIV aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten können ihren Sitz nicht mehr ins UK verlegen. Im UK noch existierende SE und EWIV wurden zum 1.1.2021 ipso iure in UK Societas bzw. UKEIG umgewandelt.

Ausführlich zum Ganzen demnächst J. Schmidt GmbHR 5/2021.

10. GWB-Novelle – Compliance-Defense in Kartellbußgeldverfahren

Erstmals gesetzliche Anerkennung von Compliance-Defense

Mit der am 19. Januar 2021 in Kraft getretenen GWB-Novelle hat der deutsche Gesetzgeber die Compliance-Defense in kartellrechtlichen Bußgeldverfahren erstmals gesetzlich anerkannt. So sieht § 81 d Abs. 1 Satz 2 GWB ausdrücklich die Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldzumessung vor. Erfasst werden sowohl Compliance-Maßnahmen vor als auch nach Kartellverstößen. Der Gesetzgeber ist damit im parlamentarischen Verfahren jüngsten Stellungnahmen und Veröffentlichungen zum bisherigen Referentenentwurf der GWB-Novelle gefolgt. Im Entwurf war lediglich eine Berücksichtigung des Nachtatverhaltens vorgesehen. Deutschland weicht damit zwar von der bisher weiterhin klar ablehnenden Haltung der Europäischen Kommission ab. Die Novellenregelungen stehen jedoch im Einklang mit den Reformbestrebungen des aktuellen Regierungsentwurfs zum Verbandssanktionengesetz. Dass der deutsche Gesetzgeber nun Wege zur Compliance-Defense öffnet, entspricht dem Zeitgeist. Im August 2019 läutete die Kartellabteilung des US-Justizministeriums (Department of Justice) einen Paradigmenwechsel zur Anerkennung von Compliance-Programmen ein.

Novellenregelungen und Gesetzesbegründung

Nach dem Wortlaut des § 81d Abs. 1 Satz 2 GWB n.F. kommen bei der Bußgeldbemessung als abzuwägende Umstände insbesondere „vorausgegangene Zuwiderhandlungen des Unternehmens sowie vor der Zuwiderhandlung getroffene, angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen“ (Nr. 4) und das „Bemühen des Unternehmens, die Zuwiderhandlung aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen sowie nach der Zuwiderhandlung getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen“ (Nr. 5) in Betracht. Nach der Gesetzesbegründung sind Compliance-Maßnahmen angemessen und wirksam, wenn der Inhaber eines Unternehmens alle objektiv erforderlichen Vorkehrungen ergriffen hat, um Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen durch Mitarbeiter wirksam zu verhindern. Dies sei in der Regel anzunehmen, wenn die ergriffenen Maßnahmen zur Aufdeckung und Anzeige der Zuwiderhandlung geführt haben, und weder die Geschäftsleitung noch eine sonstige für die Leitung des Unternehmens verantwortliche Person selbst an der Zuwiderhandlung beteiligt waren. Die Beurteilung der Angemessenheit getroffener Compliance-Maßnahmen soll nach der Gesetzesbegründung im Einzelfall und in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße, der Kartellgeneigtheit des Unternehmensgegenstandes, der Anzahl der Mitarbeiter, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung getroffen werden.

Praxisfolgen und Ausblick

Sicher ist, Compliance ist dann erfolgreich, wenn sie sich selbst zuvorkommt. Jeder Rechtsverstoß, der durch effektive Compliance-Maßnahmen verhindert wird, verursacht keine Kosten. Aufklärungs-und Beratungskosten fallen nicht an, das Unternehmen sieht sich keinen Schadensersatzansprüchen durch Dritte ausgesetzt, Sanktionen und Bußgelder sind nicht zu erwarten und es entsteht kein Reputationsschaden. Zugleich tragen gelebte Compliance-Programme zu einer werteorientierten Unternehmenskultur bei und schaffen dadurch Mehrwert für das Unternehmen. Gesetzgeber, Behörden und Gerichte haben die Compliance-Funktion in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Bestandteil des Governance-Systems von Unternehmen ausgebaut. Dabei darf man nicht dem Irrglauben unterliegen, dass hierdurch sämtliche Rechtsverstöße vermieden werden können. Ein Restrisiko verbleibt auch bei der effektivsten Compliance-Arbeit. Dies bei den kommenden Entscheidungen angemessen zu berücksichtigen, wird künftig von erheblicher Bedeutung sein, um der Praxis bei der weiteren Ausgestaltung ihrer Compliance-Systeme die notwendige Rechtssicherheit zu geben.

Das Update zum „Update Frauenquote“ – das FüPoG II

Im Anschluss an das vor knapp einem Jahr veröffentlichte „Update Frauenquote“ zum FüPoG II (s. Mutter, „‘Update Frauenquote‘ – das FüPoG II“, Blog Gesellschaftsrecht v. 28.2.2020) ist über den mittlerweile vorliegenden Regierungsentwurf zu berichten (abrufbar https://www.bmfsfj.de/blob/164128/e8fc2d9afec92b9bd424f89ec28f2e5b/gesetzentwurf-aenderung-fuepog-data.pdf). Wie damals prognostiziert, findet sich ein Kern der Initiative in der Ausweitung der Quotenregelungen. Für bestimmte börsennotierte und mitbestimmte Aktiengesellschaften sowie solche mit qualifizierter Beteiligung des Bundes muss fortan der Vorstand, falls er aus mehr als drei Mitgliedern bestehen sollte, mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein. Überraschend angesichts der ausufernden Staatshilfen in der COVID-19-Pandemie ist, dass man Gesellschaften, die durch Bund „gerettet“ wurden, nicht ebenfalls den verschärften Anforderungen unterwirft.

Rechtspolitisch fällt auf, dass der Regierungsentwurf mit der Regulierung jeweils nur eines Sitzes im Vorstand deutlich hinter den laufenden europäischen Überlegungen (dazu letzthin Mutter, AG 2020, 830) zurückbleibt, die auf einen Mindestanteil von 40 % Frauen und Männern in Vorstand und Aufsichtsrat zielen. Der Regierungsentwurf verdient daher insoweit wohl eher das Prädikat einer „kleinen Einstiegsregulierung“ anstatt besonderes Lob für einen mutigen Schritt. Auch hat man sich in Berlin noch keine Gedanken dazu gemacht, ob Übererfüllungen in einen der beiden Verwaltungsorgane zu „Anrechnungen“ im anderen führen könnten, wie das auf europäischer Ebene im Richtlinienentwurf schon lange angedacht ist.  Nur für Rechtsdogmatiker interessant ist hingegen wohl, dass man mit dem Regierungsentwurf durch die neuen Quoten zugunsten zweier Geschlechter anscheinend auf eine verfassungsrechtliche Absicherung der Neuregelung durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. Mutter in FS E. Vetter, 2019, S. 489, 494) verzichtet.

Alles Weitere bewegt sich mehr oder minder im Kreis der Erwartungen: Wie bereits im ersten Update (s. Mutter, „‘Update Frauenquote‘ – das FüPoG II“, Blog Gesellschaftsrecht v. 28.2.2020) berichtet, soll nach neuem Recht die Festlegung der Zielgröße „Null“ für den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat begründet werden. Im Handelsbilanzrecht werden nach Vorstellung der Bundesregierung jeweils flankierende Berichtspflichten und Sanktionen eingeführt.

Eine ausführlichere Darstellung erfolgt im AG-Report 4/2021.