Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um eine prozessuale Frage, die anlässlich eines so genannten Diesel-Falls zu entscheiden war

Beschwer bei Abweisung einer Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Erfüllung einer ebenfalls auf Zahlung gerichteten Gegenforderung
Beschluss vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 255/20

Mit der in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO normierten Wertgrenze für die Statthaftigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde befasst sich der VIII. Zivilsenat in einem so genannten Diesel-Fall.

Der Kläger kaufte bei der Beklagten im Jahr 2016 einen neuen VW Caddy zum Preis von rund 18.500 Euro. Im Jahr 2018 trat der Kläger wegen der zum Motor gehörenden Steuerungssoftware vom Vertrag zurück. Er klagt auf Rückzahlung einer angeblichen Kaufpreisforderung von rund 20.500 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und gegen Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und setzte die Höhe der Zug um Zug zu zahlenden Nutzungsentschädigung auf rund 3.000 Euro fest. Die auf Herabsetzung dieses Betrags gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig, weil die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Wertgrenze von 20.000 Euro nicht überschritten ist.

Bei der Abweisung einer Klage auf Leistung Zug um Zug ist für die Beschwer des Klägers grundsätzlich nur der Wert des mit der Klage begehrten Gegenstands maßgeblich. Deshalb ist im Streitfall der Wert der Klageforderung nicht um den Restwert des Fahrzeugs zu verringern. Wertmindernd anzusetzen ist jedoch der Wert der Zug um Zug angebotenen Nutzungsentschädigung. Ein solchermaßen formulierter Klageantrag ist für die Berechnung des Beschwerdewerts nicht anders zu behandeln als eine Aufrechnung.

Im Streitfall hat der Kläger die Höhe der Nutzungsentschädigung, die er zu zahlen bereit ist, zwar nicht beziffert. Bei der Wertberechnung ist aber derjenige Betrag anzusetzen, den der Kläger auf der Grundlage seines Vorbringens auf jeden Fall zu zahlen hat. Dies sind im Streitfall etwas mehr als 10 % des Kaufpreises, weil das Fahrzeug eine Laufleistung von rund 51.000 km hat und der Kläger in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat, die Nutzungsentschädigung sei auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km zu berechnen. Der Wert des Beschwerdegegenstand beträgt deshalb nur rund 18.600 Euro.

Praxistipp: Bei unbezifferten Anträgen müssen die Parteien die für die Wertbemessung maßgeblichen Umstände spätestens in der Berufungsinstanz vortragen. Die erstmalige Geltendmachung solcher Umstände in der dritten Instanz vermag die Statthaftigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu begründen.

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Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs

Feststellungsinteresse bei mehreren Methoden zur Schadensberechnung
Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20

Mit den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat in einem sogenannten Dieselfall.

Der Kläger kaufte im Jahr 2011 bei einem Vertragshändler der Beklagten einen neuen VW Touran mit einem Dieselmotor des Typs EA189. Im Jahr 2015 gab das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten auf, die in der Software zur Steuerung des Motors enthaltene Abschalteinrichtung zu entfernen, und drohte anderenfalls den Widerruf der Typgenehmigung an. Der Kläger hat das hierfür erforderliche Softwareupdate bislang nicht vornehmen lassen. Im Jahr 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs auf. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Hilfsweise verlangt er unter anderem Zahlung von 34.000 Euro Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach die begehrte Feststellung aus.

Der BGH weist die Feststellungsklage als unzulässig ab und verweist den Rechtsstreit (nur) zur Entscheidung über die Hilfsanträge an das OLG zurück.

Der BGH verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil es dem Kläger zumutbar ist, sofort Leistungsklage zu erheben.

Das Interesse des Klägers, sich weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen kleinem und großem Schadensersatz offenzuhalten, also hinsichtlich der Frage, ob er das Fahrzeug behält und lediglich eine Wertdifferenz ersetzt verlangt oder es zurückgibt und den Kaufpreis abzüglich der erlangten Nutzungsvorteile fordert, ist nach Auffassung des BGH nicht schutzwürdig. Dem Kläger ist zuzumuten, diese Entscheidung bereits bei Erhebung der Klage zu treffen.

Dem Kläger ist es ferner möglich, den Schaden zu beziffern. Die Ermittlung der Wertdifferenz und die Ermittlung der Nutzungsvorteile sind zwar mit Unsicherheiten verbunden. Diese kann der Kläger aber jedenfalls dadurch überwinden, dass er die Bemessung dieser Beträge in das Ermessen des Gerichts stellt.

Ein hinreichendes Feststellungsinteresse ergibt sich nach Auffassung des BGH schließlich auch nicht daraus, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Zwar besteht die Möglichkeit, dass weitere Schäden entstehen, etwa in Gestalt von Steuernachforderungen oder Stilllegungskosten. Diese sind aber nur für den großen Schadensersatz relevant. Diesbezügliche Unsicherheiten rühren demnach entscheidend daher, dass sich der Kläger bewusst nicht für eine der beiden Berechnungsarten entschieden hat.

Praxistipp: Zulässig sein dürfte nach dieser Entscheidung jedenfalls die Kombination einer Leistungsklage auf großen Schadensersatz verbunden mit einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz aller weiteren Schäden.

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Diese Woche geht es um die Obliegenheit zur Schadensminderung durch Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit

Obliegenheit zur Schadensminderung nach Unfallverletzungen
Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 91/19

Mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der 1969 geborene Kläger litt seit seiner Geburt an genetisch bedingten Krankheiten. Der Grad der Behinderung betrug 60%. Im Jahr 2004 erlitt er bei einem Motorradunfall schwere Verletzungen, die gesundheitliche Komplikationen und depressive Störungen zur Folge hatten. Ab 2007 erhält er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Von der beklagten Versicherung, die für die Folgen des Unfalls einzustehen hat, begehrt er Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von rund 1.500 Euro pro Monat. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG sprach dem Kläger für den Zeitraum ab Januar 2013 nur 25 % des geltend gemachten Betrags zu und wies die weitergehende Klage ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH erachtet schon die Erwägungen, mit denen das OLG einen Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bejaht hat, als nicht tragfähig. Der Kläger ist zwar gehalten, eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen und sich zumutbaren Behandlungen zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zu unterziehen. Das OLG hat sich aber nicht mit der Frage befasst, welche konkreten therapeutischen Maßnahmen im Streitfall in Betracht kommen. Es hätte ferner dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, die behandelnden Ärzte hätten eine zukünftige Besserung der Leistungsfähigkeit ausgeschlossen. Selbst wenn eine bestimmte Therapie indiziert wäre, hätte der Kläger für die Verweigerung oder Verzögerung derselben grundsätzlich nicht einzustehen, wenn dies eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung wäre. Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres unterstellen dürfen, dass der Kläger bei vollständiger oder teilweiser Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit eine neue Beschäftigung gefunden hätte.

Die Art und Weise, in der das OLG dem von ihm bejahten Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung berücksichtigt hat, hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Hätte der Kläger bei Einhaltung aller zumutbaren Maßnahmen Einkünfte erzielen können, muss er sich diese in voller Höhe anrechnen lassen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung ist in dieser Konstellation nicht zulässig.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften liegt beim Schädiger. Den Verletzten trifft aber eine sekundäre Darlegungslast. Er muss darlegen, was er unternommen hat, um seine Gesundheit zu verbessern und Arbeit zu finden, oder was dem gegebenenfalls entgegenstand.

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Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit von Änderungen eines langfristigen Grundstücksmietvertrags

Änderung eines langfristigen Grundstücksmietvertrags
Beschluss vom 15. September 2021 – XII ZR 60/20

Mit dem Anwendungsbereich von § 550 Satz 1 BGB befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Räumung eines vermieteten Grundstücks. Der zwischen der früheren Eigentümerin des Grundstücks und der Beklagten abgeschlossene Mietvertrag war bis 31.08.2020 befristet und sieht zugunsten der Beklagten die Option vor, die Laufzeit zweimal um je fünf Jahre zu verlängern. Die Klägerin hält die Befristung für unwirksam, weil die frühere Eigentümerin mit der Beklagten bei zwei Gelegenheiten mündlich vereinbart hatte, dass die Miete für einige Monate gemindert werden darf. In der Revisionsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf, weil diese den Prozess ohne die Erledigungserklärung verloren hätte.

Das Formerfordernis des § 550 Satz 1 BGB, wonach die Vereinbarung einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Schriftform bedarf, gilt auch für eine Vereinbarung, mit der ein wirksam abgeschlossener Vertrag in wesentlichen Punkten geändert wird. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen Änderungsvereinbarungen aber nur dann dem Formerfordernis, wenn sie ihrerseits einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen. Die im Streitfall getroffenen Abreden über eine Mietminderung erfüllen diese Voraussetzung nicht. Dass sie zusammengenommen einen Zeitraum von rund 15 Monaten betreffen, ist unerheblich. Maßgeblich ist jeweils die Laufzeit der einzelnen Vereinbarung.

Praxistipp: Um Zweifelsfragen zu vermeiden, sollte jede Änderung eines längerfristigen Grundstücksvertrags schriftlich vereinbart werden. Die Änderungsvereinbarung muss eine eindeutige Bezugnahme auf den ursprünglichen Vertrag und eventuelle Nachträge enthalten.

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Diese Woche geht es um die Möglichkeit zur Kündigung eines Wohnungsmietvertrags nach einer Zwangsversteigerung

Sonderkündigungsrecht nach Zwangsversteigerung einer Mietwohnung
Urteil vom 15. September 2021 – VIII ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen der gesetzlichen Regelung in § 57a ZVG und Kündigungsbeschränkungen im Mietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte ist seit Mai 2005 Mieter einer Eigentumswohnung. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ausgeschlossen ist. Im Oktober 2018 erwarben die Kläger die Wohnung durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Vier Tage später kündigten sie das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach § 573d Abs. 1 BGB ist der Vermieter auch dann an die in § 573 und § 573a BGB normierten Beschränkungen gebunden, wenn ihm ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit der gesetzlichen Frist zusteht. Im Streitfall hängt die Wirksamkeit der Kündigung deshalb davon ab, ob der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich besteht. Letzteres haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei bejaht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 573d BGB nicht, dass das Sonderkündigungsrecht aus § 57a ZVG durch Vereinbarungen zwischen dem (früheren) Vermieter und dem Mieter beschränkt werden kann. Nach § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber von vermietetem Wohnraum zwar grundsätzlich mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertrag ein. Diese Regelung wird aber durch den Zuschlag als privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt überlagert. Dessen Inhalt wird durch die Versteigerungsbedingungen bestimmt. Zu diesen gehört das in § 57a ZVG vorgesehene Sonderkündigungsrecht.

Praxistipp: Der Mieter kann im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 59 Abs. 1 ZVG beantragen, die Versteigerung mit der Maßgabe durchzuführen, dass das Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen ist. Er kann dieses Ziel aber nur dann erreichen, wenn alle anderen Beteiligten zustimmen oder wenn ein Zuschlag zu diesen Bedingungen die wirtschaftlich günstigste Lösung darstellt.

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Diese Woche geht es um die Haftung eines Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer des Mandanten

Aufklärung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits
Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19

Mit den Aufklärungspflichten des Anwalts gegenüber einem rechtsschutzversicherten Mandanten während eines laufenden Rechtsstreits befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die beklagten Anwälte hatten sich an mehrere tausend Anleger eines Immobilienfonds gewandt, dessen Wertentwicklung nicht den Vorhersagen und Erwartungen entsprach. Im Namen zahlreicher Anleger, von denen einige bei der Klägerin rechtsschutzversichert waren, reichten sie kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist bei einer staatlich anerkannten Gütestelle rund 12 000 Güteanträge gegen den Anlagevermittler, den Fondsinitiator und eine Treuhandkommanditistin ein. Später erhoben sie rund 1 750 Klagen gegen die Rechtsnachfolgerin des Anlagevermittlers. Die Klägerin erteilte eine Deckungszusage für die erste Instanz. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab. Die Klägerin erteilte auch für die zweite Instanz eine Deckungszusage. Sechs Tage nach Einlegung der Berufung verkündete der BGH ein Urteil zu den Anforderungen an einen die Verjährung hemmenden Güteantrag. Diesen Anforderungen genügte der von den Beklagten verwendete Musterantrag nicht. Im Laufe des Berufungsverfahrens bestätigte der BGH seine Rechtsprechung mehrfach. Einige dieser Entscheidungen betrafen den Musterantrag der Beklagten. Im Berufungsverfahren der bei der Klägerin versicherten Mandanten erließ das OLG daraufhin einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Beklagten rieten den Mandanten nicht zur Rücknahme des Rechtsmittels. Nach Zurückweisung der Berufung erteilte die Klägerin eine Deckungszusage für die dritte Instanz. Die Nichtzulassungsbeschwerde blieb ebenfalls erfolglos.

Die Klägerin nimmt die Beklagten nunmehr auf Ersatz aller Kosten in Anspruch, die ihren Mandanten im Ausgangsrechtsstreit entstanden sind. Die Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies sie insgesamt ab.

Die Revision der Klägerin hat hinsichtlich eines Teils der zweitinstanzlichen Kosten und hinsichtlich der Kosten aus dritter Instanz Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Ansprüche der Mandanten auf Ersatz entstandener Kosten sind gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen, soweit sie diese Kosten ersetzt hat. Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin für jede Instanz des Ausgangsrechtsstreits eine Deckungszusage erteilt hat. Ein Rechtsschutzversicherer ist schon gegenüber dem Versicherten nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu prüfen. Gegenüber dem Anwalt des Versicherten treffen ihn insoweit erst recht keine Pflichten.

Ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten über die Risiken eines in Erwägung gezogenen Rechtsstreits aufklären. Hierbei muss er das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss er dies klar herausstellen; unter bestimmten Umständen kann er sogar gehalten sein, von der Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten.

Nach der Einleitung des Rechtsstreits muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten gegebenenfalls auf eine eingetretene Änderung der Erfolgsaussichten aufklären. In diesem Stadium kann der Anwalt unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, von einer Fortführung des Rechtsstreits abzuraten. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der BGH eine zuvor noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren entscheidet und danach keine Aussicht auf Erfolg mehr besteht.

Diese Aufklärungspflichten bestehen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Mandant sich beratungsgerecht verhalten, also von einer Einleitung bzw. Fortführung des Rechtsstreits abgesehen hätte, darf aber der Deckungsschutz durch eine Rechtsschutzversicherung berücksichtigt werden. Bei geringem oder fehlendem Kostenrisiko besteht in der Regel kein Anscheinsbeweis für beratungsgerechtes Verhalten. Ein Anscheinsbeweis ist hingegen zu bejahen, wenn die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist.

Im Streitfall ist die tatrichterliche Würdigung des OLG, dass die Beklagten zur Erhebung der Klage und zur Einlegung der Berufung raten durften, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht ist das OLG hingegen davon ausgegangen, dass die Mandanten den Rat, die Berufung zurückzunehmen oder von der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abzusehen, nicht befolgt hätten. Das OLG hat sich nicht mit der Frage befasst, ob die weitere Rechtsverfolgung nach den Entscheidungen in den Parallelverfahren objektiv aussichtslos war. Nach der Zurückverweisung muss das OLG diese Frage klären.

Praxistipp: Die Haftung für den fehlerhaften Rat, ein Rechtsmittel einzulegen, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der mit Einlegung und Durchführung dieses Rechtsmittels betraute Anwalt ebenfalls nicht davon abrät.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und Darlehenszinsen

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu erstattende Darlehenszinsen
Urteil vom 2. Juli 2021 – V ZR 95/20

Mit dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatten von der Beklagten im März 2007 für rund 130.000 Euro eine Eigentumswohnung gekauft. Zur Finanzierung nahmen sie einen Bankdarlehen über einen Gesamtbetrag von rund 140.000 Euro auf. Im Juli 2015 wurde die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung zur Erstattung des gesamten Darlehensbetrags nebst Prozesszinsen seit Dezember 2012 verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von rund 27.000 Euro an die Klägerin. Im nunmehr anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz der an die Bank gezahlten Zinsen und weiterer Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt rund 36.000 Euro. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolgreich.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die zugesprochenen Prozesszinsen auf den Anspruch auf Ersatz für die im gleichen Zeitraum angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen über die Vorteilsanrechnung. Prozesszinsen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die der Gläubiger erleidet, weil er einen ihm zustehenden Geldbetrag nicht nutzen kann. Dieser Nachteil ist im Streitfall deckungsgleich mit dem Nachteil, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin Zinsen auf das zur Finanzierung des Wohnungserwerbs aufgenommene Darlehen zahlen musste. Die Prozesszinsen sind deshalb auf den Anspruch auf Ersatz der ab Dezember 2012 angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Welcher Betrag danach verbleibt, hat das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Praxistipp: Um die Klage schlüssig zu machen, muss der Kläger im Einzelnen darlegen, welche Darlehenszinsen in dem Zeitraum angefallen sind, für den ihm Prozesszinsen zugesprochen wurden.

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Diese Woche geht es um die Haftung für arglistig verschwiegene Mängel eines verkauften Grundstücks

Arglisthaftung bei Verkauf eines in Schwarzarbeit errichteten Grundstücks
Urteil vom 28. Mai 2021 – V ZR 24/20

Mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 444 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin kaufte von den Beklagten zu 1 und 2 im März 2012 für 253.000 Euro ein Grundstück. In dem Vertrag wurde die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude hatte eine inzwischen verstorbene Bauunternehmerin im Auftrag des Beklagten zu 1 errichtet. Im Dezember 2012 traten bei Umbauarbeiten Feuchtigkeitsschäden im Keller zutage. Der Beklagte zu 1 trat diesbezügliche Gewährleistungsansprüche gegen die Bauunternehmerin an die Klägerin ab. Die Klägerin verlangte von den beiden Verkäufern sowie den Erben der Bauunternehmerin Ersatz eines Wertminderungsschadens in Höhe von rund 48.000 Euro. Die Klage gegen die zweite Verkäuferin und die Erben der Bauunternehmerin ist inzwischen rechtskräftig abgewiesen. Den Beklagten zu 1 verurteilte das OLG unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 34.000 Euro.

Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Rechtsfehlerfrei ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gebäude mangelhaft ist, weil es keine Vertikalabdichtung und nur eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweist. Der Beklagte zu 1 hat für diesen Mangel wegen des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB nur dann einzustehen, wenn er ihn arglistig verschwiegen hat. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des OLG nicht schon deshalb erfüllt, weil der Beklagte zu 1 das Gebäude in Schwarzarbeit errichten ließ und diesen Umstand vor Abschluss des Kaufvertrags verschwiegen hat.

Der Tatbestand des § 444 BGB ist nur dann erfüllt, wenn der Verkäufer denjenigen Mangel arglistig verschwiegen hat, auf den der Käufer seinen Gewährleistungsanspruch stützt. Ansprüche wegen unzureichender Abdichtung sind deshalb nur dann begründet, wenn der Beklagte zu 1 wusste oder zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass das Gebäude unzureichend abgedichtet ist. Hierfür genügt nicht die Kenntnis, dass das Gebäude in Schwarzarbeit errichtet worden ist.

Der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz begründet für sich gesehen keinen Mangel, der zu einer Haftung nach § 444 BGB führen könnte. Ein solcher Verstoß wirkt sich regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des Grundstücks aus. Dass dem Verkäufer wegen Nichtigkeit des Werkvertrags keine Gewährleistungsansprüche gegen den Bauunternehmer zustehen, führt nicht zu einer abweichenden Betrachtung, weil die Abtretung solcher Ansprüche im Kaufvertrag nicht vereinbart wurde.

Praxistipp: Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen.

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Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit eines Auftrags zum Erwerb eines Grundstücks

Treuhänderischer Auftrag zum Erwerben und Halten eines Grundstücks
Urteil vom 25. Juni 2021 – V ZR 218/19

Mit der Reichweite von § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte schloss im Oktober 1992 einen notariellen Kaufvertrag über eine Wohnung in Österreich. Im November 1992 vereinbarte sie mit dem Kläger in einem privatschriftlichen Vertrag, dass sie die Wohnung treuhänderisch für den Kläger kauft und übernimmt und dass sie auf Verlangen des Klägers an einer Veräußerung der Wohnung mitwirkt. Später verlangte der Kläger, ihm die Wohnung zu übereignen. Die darauf gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof verweist die Sache an das OLG zurück.

Der Bundesgerichtshof nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach ein Treuhandauftrag über den Erwerb eines Grundstücks nur unter dem Gesichtspunkt der Erwerbspflicht des Beauftragten der Form des § 313 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) unterliegt. Ein diesbezüglicher Formmangel ist im Streitfall gegebenenfalls gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) geheilt, weil die Beklagte Eigentümerin der Wohnung geworden ist.

Die Pflicht des Beauftragten, das Grundstück an den Auftraggeber herauszugeben, beruht demgegenüber nicht auf dem Vertrag, sondern auf der gesetzlichen Regelung in § 667 BGB. Sie begründet deshalb nicht das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB (so zuletzt BGH, U. v. 15.1.2021 – V ZR 210/19 – MDR 2021, 609). Etwas anderes gälte nur dann, wenn die Beklagte bei Abschluss des Treuhandvertrags bereits Eigentümerin der Wohnung gewesen wäre oder durch Stellung eines Umschreibungsantrags oder Eintrag einer Vormerkung ein Anwartschaftsrecht gehabt hätte. Hierzu muss das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren noch Feststellungen treffen.

Sollte der Vertrag danach wirksam sein, steht dem Kläger gemäß § 667 BGB ein Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu. Das im Treuhandvertrag vorgesehene Recht, die Mitwirkung an einer Veräußerung zu verlangen, ist nicht an die Stelle dieses Anspruchs getreten. Es stellt nur eine besondere Ausprägung dieses Anspruchs für eine bestimmte, hier nicht gegebene Konstellation dar.

Praxistipp: Die Verpflichtung, einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks abzutreten, unterliegt ebenfalls nicht dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB.

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Diese Woche geht es um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die in einem obligatorischen Güteverfahren angefallen sind.

Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren
Beschluss vom 24. Juni 2021 – V ZB 22/20

Mit der Reichweite von § 15a Abs. 4 EGZPO und § 91 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien führten eine nachbarrechtliche Streitigkeit. Ein Einigungsversuch vor der Gütestelle blieb erfolglos, weil nur die Kläger (zusammen mit ihrer späteren Prozessbevollmächtigten) erschienen waren, nicht aber die Beklagten. Im nachfolgenden Rechtsstreit legte das Gericht den Beklagten die Kosten auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren machten die Kläger unter anderem die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (rund 380 Euro) geltend. Der Festsetzungsantrag blieb insoweit in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 15a Abs. 4 EGZPO gehören die Kosten einer Gütestelle, die durch ein obligatorisches Einigungsverfahren entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Diese Vorschrift ist im Streitfall anwendbar, weil ein Güteverfahren nach § 15a Abs. 1 EGZPO und dem einschlägigen Landesrecht zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage war. Zu den danach zu erstattenden Kosten gehören jedoch nur die Gebühren der Gütestelle, nicht die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten.

§ 91 Abs. 3 ZPO, wonach zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO auch die Gebühren gehören, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, wird bei obligatorischen Schlichtungsverfahren durch die Sonderregelung in § 15a Abs. 4 EGZPO verdrängt. Unabhängig davon erfasst auch § 91 Abs. 3 ZPO nur die Kosten der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten (BGH, B. v. 15.1.2019 – II ZB 12/17 Tz. 10 – MDR 2019, 378).

Die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten fallen auch nicht unter die allgemeine Regelung im § 91 Abs. 1 ZPO. Sie sind – entgegen der bislang wohl überwiegenden Auffassung – auch bei einem obligatorischen Güteverfahren nicht als Kosten zur Vorbereitung des Rechtsstreits zu qualifizieren, sondern als Kosten zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei bereits in diesem Stadium einen Rechtsanwalt beizieht.

Praxistipp: Hinsichtlich der Kosten eines Anwalts, der erst nach dem erfolglosen Abschluss des Güteverfahrens vorgerichtlich tätig geworden ist, dürfte nach Maßgabe der hierfür allgemein geltenden Grundsätze ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch bestehen.