Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Umfang der Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeughalters.

Verkehrsunfall mit verzögerter Schadensfolge
Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18

Mit Fragen des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs im Anschluss an einen Verkehrsunfall befasst sich der VI. Zivilsenat.

Bei einem vom Unfallgegner allein verschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten im Frontbereich schwer beschädigt. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug in eine Reparaturwerkstatt verbringen. In der darauffolgenden Nacht gerieten die Werkstatt und eine anliegende Wohnung in Brand. Als Ursache stellte sich ein auf den Unfall zurückzuführender Kurzschluss im elektrischen System des Unfallfahrzeugs heraus. Der Brand hätte vermieden werden können, wenn der Werkstattinhaber die Batterie abgeklemmt hätte, was nach den einschlägigen Sicherheitsregeln dringend geboten gewesen wäre. Der Gebäudeversicherer des Werkstattinhabers und der Hausratversicherer der Wohnungsinhaberin nahmen die Haftpflichtversicherer der beiden Unfallbeteiligten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG erklärte die Ansprüche für dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich des Gebäudeschadens unter Abzug einer Mitverschuldensquote von 40%. Das OLG wies die Klage auf die Berufung der Beklagten vollständig ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die eingetretenen Schäden an Gebäude und Hausrat sind durch den Betrieb beider am Unfall beteiligten Fahrzeuge verursacht worden. Entgegen der Auffassung des OLG ist der Zurechnungszusammenhang nicht durch das unsachgemäße Verhalten des Werkstattinhabers unterbrochen worden. Zwar kann es zu einer Unterbrechung kommen, wenn ein Dritter in den Kausalverlauf eingreift. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Dritten reicht hierfür aber auch dann nicht aus, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Praxistipp: Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wäre in der gegebenen Situation etwa dann in Betracht gekommen, wenn der Werkstattinhaber die Batterie zunächst ordnungsgemäß abgeklemmt und er selbst oder ein Dritter sie später wieder angeschlossen hätte.

BFH: Auch Abmahnungen im Urheberrecht umsatzsteuerpflichtig

Es kam, wie es kommen musste: Nachdem der Bundesfinanzhof schon viel Kritik für die Ansicht erntete, dass Abmahnungen im Wettbewerbsrecht eine umsatzsteuerbare Leistung des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten sind, hat er diese Rechtsprechung auch für Abmahnungen im Urheberrecht bestätigt. Kernaussage:

„Die Klägerin hat nach den Grundsätzen der vorliegenden Rechtsprechung mit den Abmahnungen den Rechtsverletzern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.“

Dass diese Ansicht nunmehr auch auf Abmahnungen in Bezug auf andere absolute Rechte, insbesondere im Marken- Patent- und Designrecht übertragbar ist, dürfte nun auch nicht mehr zweifelhaft sein:

„Zwar handelt es sich beim verletzten Urheberrecht um ein absolutes und individuelles Recht, bei dem –aufgrund der konkreten Rechtsverletzung– die Ermittlung des Verletzers, der nicht immer der Anschlussinhaber ist, aufwändiger sein mag. Allerdings unterscheiden sich Abmahnschreiben bei einem Wettbewerbsverstoß und bei einer Urheberrechtsverletzung in ihrem wesentlichen Inhalt nicht. Die Abmahnung dient in beiden Fällen insofern den gleichen Zwecken, als mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Möglichkeit eröffnet wird, einen Prozess zu vermeiden, und der Kostenerstattungsanspruch auf einer (spezialgesetzlich kodifizierten) Geschäftsführung ohne Auftrag gründet (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2017 2a O 135/17, juris, Rz 5; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 1 Rz 163.2; Omsels, juris PraxisReport Wettbewerbsrecht 6/2017 Anm. 1; Pörksen, juris PraxisReport IT-Recht 13/2017 Anm. 5; a.A. Streit/Rust, DStR 2018, 1321, 1322; Pull/Streit, Mehrwertsteuerrecht 2018, 108, 114).“

Diese Ansicht zieht einen ganzen Rattenschwanz von Probleme und Fallstricken für Abmahnende nach sich. Außerdem dürfte nun wieder in Verjährungshinsicht ein Blick in alte Akten lohnen. Abmahnende dürften nun nachträglich einen Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteueranteils haben, soweit nicht die 10-jährige Frist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB abgelaufen ist.

 

BFH, Urt. v. 13.02.2019, XI R 1/17

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Recht zum Widerruf eines an einem Messestand geschlossenen Kaufvertrags.

Konkretes Erscheinungsbild eines Messestands
Urteile vom 10. April 2019 –VIII ZR 244/16 und VIII ZR 82/17

Mit der Umsetzung der Vorgaben aus der EuGH-Entscheidung zur Grünen Woche befasst sich der VIII. Zivilsenat in zwei Urteilen.

In beiden Verfahren ging es darum, ob der Käufer einen auf einer Verbrauchermesse geschlossenen Kaufvertrag nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen konnte. Zu der hierfür relevanten Frage, ob der Messestand, an dem der Vertragsschluss stattfand, als beweglicher Gewerberaum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB und der Richtlinie 2011/83/EU anzusehen ist, hat der EuGH mit Urteil vom 7. August 2018 (C-485/17) die maßgeblichen Kriterien herausgestellt. Danach ist maßgeblich, ob der Käufer damit rechnen muss, dass ihm auf der Messe ein Kaufangebot unterbreitet wird. Relevant dafür sind sowohl der Gesamtcharakter der Messe als auch das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Messestands. Nur in einem der beiden Verfahren vor dem BGH reichten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung aus.

Im Verfahren VIII ZR 82/17, das die Messe Rosenheim betrifft, hatte das LG festgestellt, dass der Käufer sowohl aufgrund des Gesamtcharakters der Messe als auch aufgrund des konkreten Erscheinungsbilds des Messestands mit der Unterbreitung von Kaufangeboten rechnen musste. Der BGH sah diese Feststellungen als rechtsfehlerfrei an und verneinte deshalb mit der Vorinstanz ein Widerrufsrecht.

Im Verfahren VIII ZR 244/16, das die Grüne Woche in Berlin betrifft, hatte das LG hingegen nur Feststellungen zum Gesamtcharakter der Messe getroffen. Der BGH konnte auf dieser Grundlage nicht ausschließen, dass der konkrete Messestand so ausgestaltet war, dass der Käufer ihn als reinen Informationsstand ansehen durfte. Deshalb verwies er die Sache an das LG zurück.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Widerrufsrechts liegen bei der Partei, die einen wirksamen Widerruf geltend macht.

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Diese Woche geht es um eine nicht selten auftretende Frage aus dem Mietrecht.

Rückgabe der Mietsache
Urteil vom 27. Februar 2019 – XII ZR 63/18

Mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die kurze Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Verschlechterungen der Mietsache (§ 548 Abs. 1 ZPO) beginnt, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte ein Mietverhältnis über ein Bürogebäude zum 30. September 2012 gekündigt. Nach dem Mietvertrag hatte er beim Auszug die von ihm vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Im Oktober räumte er das Objekt. Im November ließ er der Klägerin durch Anwaltschreiben mitteilen, er biete die sofortige Rückgabe der Räume an und schlage einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor, um denkbare Interessenlagen abzustimmen, zum Beispiel im Hinblick auf die von ihm installierte Zentralschließanlage. Nach einer Besprechung im Dezember ließ er im Januar die von der Klägerin gewünschten Rückbauten vornehmen. Am 8. Februar 2013 gab er die Räume an die Klägerin zurück. Diese begehrt mit einer am 1. August 2013 zugestellten Klage Schadensersatz wegen Verschlechterung der Mietsache in Höhe von rund 100.000 Euro. Das LG sprach ihr rund 20.000 Euro zu. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG war die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB bei Zustellung der Klage noch nicht abgelaufen. Der Beklagte hat die Sache erst am 8. Februar 2013 zurückerhalten. Der BGH lässt offen, ob die kurze Verjährungsfrist stets zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Vermieter die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache dauerhaft wiedererlangt, oder ob es ausreicht, wenn der Vermieter mit der Rücknahme in Annahmeverzug gerät. Im Streitfall fehlt es bereits an einem für die Begründung von Annahmeverzug ausreichenden Angebot des Beklagten. Dieser hat im Anwaltschreiben vom November 2012 zwar die sofortige Rückgabe angeboten, zugleich aber erkennen lassen, dass er zunächst noch Gespräche über den Verbleib der Zentralschließanlage und anderer Einbauten führen will.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass der Vermieter mit der Rücknahme der Mietsache in Annahmeverzug war, sollte die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB aus Gründen anwaltlicher Vorsicht von dem Tag an berechnet werden, an dem der Annahmeverzug ggf. begonnen hat.

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Pünktlich zum Beginn der Wachstumsperiode hat der BGH einen Nachbarstreit entschieden.

Anspruch auf Zurückschneiden herüberragender Äste
Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 136/18

Mit der Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten und der Verjährung befasst sich der V. Zivilsenat in einem Nachbarstreit.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zurückschneiden von in sein Grundstück hineinragenden Ästen einer Fichte in Anspruch. Die Grundstücke der Parteien stoßen rechtwinklig aufeinander. Der Baum, um den es geht, steht teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück eines weiteren Nachbarn. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Mit dem LG sieht der BGH die Klage allerdings als zulässig an. Die Eigentümer der beiden Grundstücke, auf denen der Baum steht, sind nicht notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Fall 1 ZPO. Nach § 923 BGB ist jeder Nachbar alleiniger Eigentümer des jeweils auf seinem Grundstück stehenden Teils des Baums. Deshalb darf der Kläger jeden von ihnen gesondert auf Beseitigung derjenigen Störungen in Anspruch nehmen, die von dem im Eigentum des jeweiligen Beklagten stehenden Teil des Baums ausgehen. Ob die herüberragenden Äste die Benutzung des klägerischen Grundstücks beeinträchtigen und ob der Kläger eine solche Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinnehmen muss, lässt der BGH offen. Er tritt dem LG darin bei, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 195 und § 199 BGB verjährt ist. Ein Beseitigungsanspruch unterliegt – anders als Ansprüche auf Unterlassung einer Dauerhandlung – grundsätzlich der Verjährung. Die Sonderregelung in § 26 Abs. 3 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes, wonach Ansprüche auf Beseitigung herüberragender Zweige nicht verjähren, betrifft nur Ansprüche aus diesem Gesetz, nicht aber einen Anspruch, der sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt. Eine landesrechtliche Regelung, die die Verjährung eines solchen Anspruchs erleichtern, erschweren oder ausschließen würde, wäre wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes unwirksam.

Praxistipp: Der Kläger sollte stets klarstellen, ob er seinen Anspruch auf das BGB, die landesrechtlichen Vorschriften über das Nachbarrecht oder beide Regelungen stützen will. Hierzu gehört der Vortrag eines die jeweilige Regelung ausfüllenden Lebenssachverhalts.

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Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

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Um zwei allgemeine prozessrechtliche Fragen geht es in dieser Woche.

Drittwiderklage gegen den Zedenten
Urteil vom 11. Oktober 2018 – I ZR 114/17

Mit einer nicht alltäglichen Reaktion auf ein verbreitetes prozesstaktisches Mittel befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte auf Vermittlung des beklagten Versicherungsmaklers eine Hausratversicherung für eine von ihm und seiner Ehefrau genutzte Wohnung abgeschlossen. Einige Monate später wurden bei einem Einbruch in die Wohnung Wertsachen und Bargeld aus einem Tresor entwendet. Die Versicherung erstattete dem Kläger aufgrund einer in den Versicherungsbedingungen enthaltenen „Tresorklausel“ insgesamt nur 21.000 Euro. Der Kläger warf dem Beklagten unzureichende Beratung vor und klagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf Erstattung des restlichen Schadens, den er mit rund 168.000 Euro bezifferte. Der Beklagte trat der Klage entgegen und beantragte im Wege der Drittwiderklage die Feststellung, dass auch der Ehefrau keine Ansprüche zustehen. Klage und Widerklage hatten in erster Instanz teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 114.000 Euro. Die Widerklage wies es als unbegründet ab, weil der Ehefrau aufgrund der wirksamen Abtretung an den Kläger keine Ansprüche mehr zustünden.

Die nur hinsichtlich der Drittwiderklage zugelassene Revision des Beklagten hat Erfolg. Der BGH spricht antragsgemäß die Feststellung aus, dass der Ehefrau über den dem Kläger zugesprochenen Betrag hinaus keine weitergehenden Ansprüche aus dem der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt zustehen. Mit dem OLG hält der BGH eine Drittwiderklage gegen den Zedenten einer eingeklagten Forderung für zulässig, weil eine dem Kläger negative Entscheidung nur dann zu Lasten des Zedenten Rechtskraftwirkung entfaltet, wenn die Abtretung wirksam war und nicht wirksam angefochten wird, und der Beklagte in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Abweichend vom OLG ist ein solcher Widerklageantrag in der Regel dahin auszulegen, dass es nur um den Bestand der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung geht. Die Entscheidung über die Drittwiderklage hat deshalb inhaltlich der Entscheidung über die Klage zu folgen. Die Drittwiderklage ist nur insoweit abzuweisen, als die Klage Erfolg hat. Soweit die Klage abgewiesen wird, ist hingegen die mit der Drittwiderklage begehrte Feststellung auszusprechen. Die Wirksamkeit der Abtretung ist hierbei grundsätzlich nur dann zu prüfen, wenn diese Frage auch für die Entscheidung über die Klage klärungsbedürftig ist. Letzteres war hier nicht der Fall, weil die Beklagte die Wirksamkeit der Abtretung nicht bestritten hat.

Praxistipp: Mit der vom BGH zugelassenen Drittwiderklage gegen den Zedenten kann der Beklagte den vom Kläger mit einer Abtretung häufig angestrebten Vorteil, nämlich die Möglichkeit, den Zedenten als Zeugen zu benennen, in praktisch allen Konstellationen zunichtemachen.

Erledigung nach Klage beim unzuständigen Gericht
Beschluss vom 28. Februar 2019 – II ZR 16/18

Der III. Zivilsenat strebt eine Änderung der Rechtsprechung an.

Die Klägerin hatte die beklagte Stadt vor dem AG auf Schadensersatz in Höhe von rund 1.100 Euro wegen Beschädigung eines Fahrzeugs bei Mäharbeiten in Anspruch genommen. Nach Zahlung des Klagebetrags durch die Haftpflichtversicherung hatte sie den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Das AG verwies den Rechtsstreit an das LG, weil dieses für Amtshaftungsansprüche ausschließlich zuständig ist. Das LG wies den einseitigen Erledigungsantrag als unbegründet ab, weil die Klage im Zeitpunkt der Erledigung mangels Zuständigkeit des AG unzulässig gewesen sei. Das OLG stellte hingegen antragsgemäß die Erledigung des Rechtsstreits fest.

Der III. Zivilsenat des BGH will die Revision der Beklagten zurückweisen. Er sieht sich daran durch eine Entscheidung des XII. Zivilsenats gehindert, der vor nicht allzu langer Zeit (Beschluss vom 21. Juni 2017 – XII ZB 231/17, Tz. 11 – MDR 2017, 1441) die gleiche Auffassung vertreten hat wie das LG im Streitfall. Der III. Zivilsenat hält demgegenüber die Auffassung des OLG für zutreffend, weil die Unzuständigkeit des AG im Zeitpunkt der Erledigung durch einen Verweisungsantrag behoben werden konnte und deshalb nicht zur Abweisung der Klage geführt hätte. Deshalb hat er beim XII. Zivilsenat angefragt, ob dieser an seiner Auffassung festhält.

Praxistipp: Sollte der XII. Zivilsenat bei seiner Auffassung bleiben, wäre der Große Zivilsenat des BGH zur Entscheidung der Rechtsfrage berufen.

Zur Pfändbarkeit von Haustieren

Die im Auftrag der Stadt Ahlen vorgenommene Pfändung des Mopses Edda, u.a. wegen ausstehender Hundesteuer macht derzeit Schlagzeilen. Während Nutz- und Hilfstiere sehr umfassenden Pfändungsschutz nach § 811 ZPO genießen (dazu hier), gibt es für Haustiere in der Tat Ausnahmen:

  • 811c
    Unpfändbarkeit von Haustieren

(1) Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen.

(2) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres zu, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.

 

Die Pfändung darf also nur durch ein Gericht und jedenfalls nur dann zugelassen werden, wenn das Tier einen hohen Wert hat. Tierschutz, Gläubiger- und Schuldnerinteresse sowie Wert des Tieres müssen zueinander in Relation gebracht werden – kommt es dabei durch die Unpfändbarkeit zu einer ungerechtfertigten Härte für den Gläubiger, ist nach § 811c Abs. 2 ZPO auch das Haustier pfändbar.

Es ging dem Gesetzgeber bei dieser erst 1990 eingeführten Regelung um die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Haustier und um den Tierschutz. Die Ausnahme in Absatz 2 wollte lediglich die Folgen eines zu weitgehenden Pfändungsverbotes zu vermeiden (BT-Drucks. 11/5463, S. 7). Es war also nur an wenige Fälle gedacht, in denen der Schuldner das Pfändungsverbot letztlich bewusst ausnutzt. Ansonsten sollte es nach der Neuregelung (anders als in der Vorgängerregelung des § 811 Nr. 14 ZPO aF) gerade nicht mehr auf den Wert des Tieres ankommen. Ein Fall, in dem ein vorhandenes Affektionsinteresse des Schuldners hinter dem Zugriffsinteresse des Gläubigers zurücksteht, ist insofern kaum vorstellbar. Zu beachten sind außerdem die Belange des Tierschutzes, das heißt insbesondere die Folgen, die es für das Tier hat, aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen zu werden. „Die Tiere“ werden inzwischen auch durch das Grundgesetz ausdrücklich geschützt, Art. 20a GG. Mögen sie auch keine Grundrechtssubjekte sein, so ist doch erforderlich, dass eine Maßnahme des einfachen Rechts mit dem Tierschutzgedanken in Einklang steht. Es ist nicht vorstellbar, dass diese Voraussetzungen vorlagen, ja, dass sie bei einem sozialisierten Haushund – dessen Domestizierung bis zur Hochkultur des Mopses begann wahrscheinlich vor mehr als 100.000 Jahren – überhaupt vorliegen können. Ohne dass die Details der Abwägungsentscheidung im Falle des Mopses Edda näher bekannt sind, bedeutet das, dass seine Pfändung nach geltendem Recht rechtswidrig war.

Übrigens: Dass es sich um eine Pfändung durch die öffentliche Hand wegen einer Steuerforderung handelte, macht keinen entscheidenden Unterschied. Sowohl die Abgabenordnung (§ 295 AO) als auch die Verwaltungsvollstreckungsgesetze Bund/Land (§ 5 VwVG/§ 27 VwVG NRW) verweisen auf § 811 c ZPO. Nur dass eben an Stelle des Vollstreckungsgerichts die Vollstreckungsbehörde entscheidet – hier lag wohl das Problem. Es geht auch im Zwangsvollstreckungsrecht um Gesetzesinterpretation und nicht nur um -exekution.

Mops Edda hätte bei richtiger Gesetzesauslegung nicht gepfändet werden dürfen.

BGH: Kostenerstattung im Befangenheitsverfahren

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit erstattete ein Sachverständiger ein Gutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Kläger lehnten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagten nahmen Stellung. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück und legte den Klägern die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens auf.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens bezüglich des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens stellte sich jetzt die Frage, ob die Beklagten von den Klägern die ihnen im sofortigen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen können. Dies ist nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 7.11.2018 – IV ZB 13/18, MDR 2019, 189) der Fall.

Das Ablehnungsverfahren bezüglich Richter und Sachverständige gehört für den Rechtsanwalt gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zur Instanz. Im sofortigen Beschwerdeverfahren entsteht jedoch eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Dies ist noch klar. Es wird allerdings darüber diskutiert, ob diese Gebühr zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreites zählt (§ 97, § 91 ZPO). Teilweise wird dies nur bejaht, wenn sich die Gegenpartei am sofortigen Beschwerdeverfahren auch tatsächlich beteiligt hatte. Der BGH geht hingegen – mit der h. M. – davon aus, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch besteht. Für die Richterablehnung wurde dies bereits in einer Grundsatzentscheidung bejaht (Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016). Diese Entscheidung ist auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das Befangenheitsverfahen berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden Partei. Vielmehr kann auch der Gegner ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Feststellungen des Sachverständigen bestehen bleiben.

Der Umstand, dass bei einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde umgekehrt kein Kostenerstattungsanspruch besteht, ändert daran nichts. Ob ein Rechtsanwalt die von ihm vertretene Partei darauf hinweisen muss, dass bei einer Vertretung im Rechtbeschwerdeverfahren gesonderte Gebühren entstehen (was wohl eher zu verneinen ist), ist eine Frage, die im hiesigen Zusammenhang der Kostenerstattung nicht relevant ist.

Der Anfall der Gebühr setzt im Übrigen lediglich eine Beauftragung für die Beschwerdeinstanz voraus. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Rechtsanwalt die Partei auch im Ausgangsverfahren vertritt. Die Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist dabei ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt auch Stellung nimmt. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt nach der Entgegennahme der Beschwerdeschrift prüft, ob nunmehr etwas veranlasst werden muss, insbesondere ob eine Stellungnahme abgegeben werden muss oder nicht.

Für die Praxis ist diese Rechtsfrage nunmehr verbindlich entschieden: Die außergerichtlichen Kosten der Gegenpartei des erfolglosen Beschwerdeführers im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 406 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

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Um eine besondere Form der Veräußerung einer Mietwohnung geht es in dieser Woche.

Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einer vermieteten Wohnung an den anderen Miteigentümer
Beschluss vom 9. Januar 2019 –VIII ZB 26/17

Mit einem besonderen Aspekt des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“ befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Eine der Wohnungen vermieteten sie an den Beklagten. Später übertrug der Ehemann seinen Miteigentumsanteil auf die Klägerin, die dadurch Alleineigentümerin wurde. Wiederum später kündigte die Klägerin, die die andere Wohnung in dem Haus bewohnt, den Mietvertrag gemäß § 573a BGB. Der Beklagte zog erst aus, nachdem die Klägerin auf Räumung geklagt hatte. Das AG legte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO dem Beklagten auf. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf. Die Kündigungserklärung hätte durch die Klägerin und deren Ehemann gemeinsam erfolgen müssen. Der Ehemann ist mit der Veräußerung des Miteigentumsanteils nicht aus dem Mietvertrag ausgeschieden. § 566 Abs. 1 BGB ist nicht unmittelbar anwendbar, weil die Mietsache nicht an einen Dritten veräußert wurde. Eine entsprechende Anwendung scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. § 566 Abs. 1 BGB dient dem Zweck, den Erwerber an das Mietverhältnis zu binden. Dieser Zweck ist nicht berührt, wenn der Erwerber bereits Partei des Mietvertrags ist.

Praxistipp: In der gegebenen Konstellation darf die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden, weil das Verfahren nach § 91 ZPO nicht dazu dient, grundsätzliche Fragen des materiellen Rechts zu klären. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zulassung ist für den BGH aber bindend.