Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung für umgefallene Verkehrsschilder.

Staatshaftung für Verkehrsschilder
BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 – III ZR 15/23

Der III. Zivilsenat bekräftigt seine Rechtsprechung zur Einordnung von Privaten als Verwaltungshelfer.

Die Klägerin betreibt ein Autohaus. Im Juli 2017 wurde eines ihrer Fahrzeuge, das vor ihren Geschäftsräumen abgestellt war, durch ein umfallendes Verkehrsschild beschädigt. Das Schild war am Tag zuvor im Zuge von Straßenbauarbeiten als Bestandteil der Umleitungsbeschilderung aufgestellt worden. Die zuständige Behörde hatte die Bauarbeiten an ein privates Unternehmen vergeben. Dieses hatte die Beklagte mit der Aufstellung der Verkehrsschilder beauftragt.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe das Schild nicht ausreichend gesichert. Die auf Ersatz von Reparatur- und Gutachterkosten gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass mögliche Ansprüche gegen die Beklagte aus § 823 BGB durch § 839 BGB verdrängt werden.

Die Beklagte war im Streitfall als Verwaltungshelferin tätig, weil die ihr übertragene Tätigkeit der Verkehrsregelung diente und damit eine hoheitliche Aufgabe darstellt und die Beklagte keinen eigenen Entscheidungsspielraum hatte.

Der hoheitliche Charakter der Tätigkeit ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Verkehrsregelung, deren Umsetzung das Schild diente, ein Verbot der Durchfahrt durch den von der Baustelle betroffenen Bereich umfasste. Dass das für den Schaden ursächliche Umleitungsschild kein Verbot anzeigte, ist unerheblich. Es genügt, dass es der Umsetzung der Gesamtregelung diente. Unerheblich ist deshalb auch, ob die vorgesehenen Verbotsschilder tatsächlich aufgestellt worden sind.

Ein eigener Entscheidungsspielraum der Beklagten bestand nicht, weil der Inhalt der aufzustellenden Schilder und deren Aufstellungsort behördlich vorgegeben waren. Dass der Aufstellungsort nicht auf den Meter genau festgelegt war, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Art der Aufstellung ist durch Verwaltungsvorschriften und Richtlinien detailliert geregelt.

Praxistipp: Wenn unklar ist, ob gemäß § 823 BGB ein privates Unternehmen oder gemäß § 839 BGB der Staat haftet, sollte die Klage gegen den einen potentiellen Schuldner mit einer Streitverkündung gegenüber dem anderen verbunden werden.

Blog Update Haftungsrecht: BGH zum Werkstattrisiko – Wer zahlt für überhöhte Reparaturrechnungen?

Grundsatz: Werkstattrisiko liegt beim Schädiger

Schon nach der bisherigen Rechtsprechung lag das Werkstattrisiko grundsätzlich beim Schädiger (BGH v. 29.10.1974 – VI ZR 42/73, MDR 1975, 218). Der Geschädigte, der sein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall einer Werkstatt anvertraut, darf darauf vertrauen, dass die Reparatur ordnungsgemäß erfolgen wird. Dies galt nur dann nicht, wenn den Geschädigten ein Verschulden (v. a. bei der Auswahl oder der Überwachung der Werkstatt) traf oder die Reparaturen dem Unfall gar nicht mehr zuzurechnen waren. Etwaige Ansprüche gegen die Werkstatt muss der Geschädigte im Wege des Vorteilsausgleichs dem Schädiger abtreten (zum Ganzen Zwickel, in: Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Aufl., Köln 2021, Rz. 27.47 m. w. N.).

Bei diesen Grundsätzen bleibt es. Am 16.1.2024 hat der BGH aber in gleich fünf Urteilen seine Rechtsprechung zum sog. Werkstattrisiko deutlich ausgebaut und präzisiert (Pressemitteilung Nr. 7/2024 zu den Urteilen v. 16.1.2024 – VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23; Urteile derzeit noch nicht veröffentlicht!).

Präzisierung 1: Schädiger trägt auch das Risiko für Abrechnung gar nicht durchgeführter Arbeiten

Der Schädiger trägt nach der Entscheidung des BGH v. 16.1.2024 – VI ZR 253/22 auch dann das Werkstattrisiko, wenn gar nicht durchgeführte Arbeiten in Rechnung gestellt werden. Auch in diesem Fall erfolgt nämlich, so der BGH, die Reparatur außerhalb der Sphäre des Geschädigten.

Präzisierung 2: Auswahl- und Überwachungsverschulden des Geschädigten – Keine vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Werkstattauswahl erforderlich

Zudem schärft der BGH den Begriff des Auswahl- und Überwachungsverschuldens nach. Auch dann, wenn der Geschädigte die Reparatur und die Auswahl des Sachverständigen vollständig der Werkstatt überlässt, liegt kein Auswahl- und Überwachungsverschulden vor. Er ist nämlich nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zur Auswahl der Reparaturwerkstatt einzuholen (Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 51/23).

Präzisierung 3: Werkstattrisiko bei noch nicht beglichener Reparaturrechnung

Die Rechtsprechung zu den Sachverständigenkosten, deren Erforderlichkeit nur durch eine bezahlte Rechnung bewiesen werden kann, überträgt der BGH gerade nicht auf die Reparaturkosten. Vielmehr gelten die Grundsätze zum Werkstattrisiko auch im Falle einer nicht oder nur teilweise beglichenen Reparaturrechnung. Wer aber das Werkstattrisiko letztlich trägt, richtet sich dann nach dem Klageantrag:

  • Hat der Geschädigte die Werkstattrechnung noch nicht oder noch nicht vollständig beglichen und verlangt er Zahlung an sich selbst, trägt er das Werkstattrisiko. Eine Abtretung der Ansprüche gegen die Werkstatt geht nämlich ins Leere, wenn der Geschädigte nach Erhalt der Schadensersatzzahlung vom Schädiger nicht an die Werkstatt zahlt.
  • Vermeiden kann der Geschädigte das Werkstattrisiko, indem er nicht Zahlung an sich selbst, sondern an die Werkstatt verlangt. Er kann seinen Klageantrag auf Zahlung an die Werkstatt Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Werkstatt umstellen und fortan nicht mehr Zahlung an sich selbst verlangen (Urt. v. VI ZR 253/22, VI ZR 51/23). Er verlagert so das Werkstattrisiko auf die Reparaturwerkstatt, die sich darauf nie berufen kann.
  • Verlangt der Geschädigte Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der Werkstatt, trägt er im Ergebnis das Werkstattrisiko, weil es darauf ankommt, welcher Betrag nach Werkvertragsrecht geschuldet ist.

Präzisierung 4: Bei Abtretung profitiert der Abtretungsempfänger nicht von den Grundsätzen des Werkstattrisikos

Bei Abtretung (etwa an die Reparaturwerkstatt) trägt stets der Abtretungsempfänger (Zessionar), d. h. in vielen Fällen die Reparaturwerkstatt, das Werkstattrisiko, da der Geschädigte „ein besonders schützenswertes Interesse daran hat, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt“ (Urt. v. VI ZR 38/22, VI ZR 239/22). Damit baut der BGH die im Urteil vom 26. 4.2022 -VI ZR 147/21 lediglich angedeutete Rechtsprechungslinie aus.

Fazit

Auch wenn derzeit die Urteilsgründe noch nicht veröffentlicht sind, überzeugen die Präzisierungen des BGH in ihren Grundlinien.

Der Geschädigte hat keinen Einblick in die Sphäre der Reparaturwerkstätten. Er kann sich daher stets auf das sog. Werkstattrisiko berufen. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung kann dann, auf Basis abgetretener Ansprüche aus dem Werkvertrag, gegen die Werkstatt vorgehen. Ob künftig massenhaft Prozesse zwischen Haftpflichtversicherungen und Werkstätten geführt werden, ist offen.

Rückt die Reparaturwerkstatt selbst nah an eine Gläubigerstellung heran (z. B. bei nicht bezahlter Rechnung und Klageantrag auf Zahlung an die Werkstatt) oder wird sie sogar selbst Gläubigerin (z. B. bei Abtretung), greifen Erwägungen, die den Geschädigten schützen sollen, nicht mehr Platz, denn die Reparaturwerkstatt kann sich selbstverständlich nicht auf das Werkstattrisiko berufen.

Hinweis: Eine genaue Einordnung/Analyse der Entscheidungen wird Gegenstand eines Aufsatzes in der MDR sein.  

 

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Diese Woche geht es um die Beweiswirkungen einer Behandlungsdokumentation.

Indizwirkung einer Behandlungsdokumentation
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2023 – VI ZR 108/21

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit einem Fall, in dem die Behandlungsdokumentation eines Beteiligten auf Fehler eines anderen Beteiligten hindeutet.

Die klagenden Sozialversicherungsträger nehmen die Beklagten wegen Behandlungsfehlern bei der Geburt eines Kindes in Anspruch. Am Tag der Geburt wurde die Mutter in der Klinik der Beklagten zu 1 bis 3 zunächst von der als Beleghebamme tätigen Beklagten zu 5 betreut. Im Laufe des Nachmittags ergaben mehrere CTG-Untersuchungen einen pathologischen Befund. Um 19:45 Uhr übernahm der als Assistenzarzt tätige Beklagte zu 4 die Behandlung. Er ordnete nach einem massiven Abfall der Herztöne einen Not-Kaiserschnitt an. Das Kind war nach der Entbindung leblos und wurde wiederbelebt. Es leidet an einer irreversiblen Hirnschädigung.

Das LG hat die Ansprüche gegen die Hebamme für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und deren Schadensersatzpflicht festgestellt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Klagen gegen die Beklagten zu 1 bis 4 hatten in erster Instanz keinen Erfolg. Das OLG erklärte die Klageansprüche auch insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt und stellte die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 bis 4 fest.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet die Behandlungsdokumentation der Hebamme, der zufolge der Beklagte zu 4 bereits um 19:10 Uhr das zuvor aufgenommene, hochpathologische CTG gesehen hat, keine Vermutungswirkung zu Lasten der Beklagten zu 1 bis 4.

Als Urkunde begründet eine Behandlungsdokumentation gemäß § 416 ZPO vollen Beweis (nur) dafür, dass die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden, nicht aber dafür, dass sie inhaltlich zutreffend sind.

Einer ordnungsgemäßen, zeitnah erstellten Dokumentation, die keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet, kann allerdings zugunsten der Behandlungsseite eine Indizwirkung zukommen, die im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen ist. Daraus ergibt sich aber keine Umkehr der Beweislast. Die Indizwirkung ist schon dann erschüttert, wenn der Beweisgeber Umstände dartut, die Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Dokumentation begründen.

Im Streitfall kommt der Dokumentation der Hebamme im Verhältnis gegenüber den Beklagten zu 1 bis 4 jedoch schon deshalb keine Indizwirkung zu, weil sie ambivalent ist. Der in Rede stehende Eintrag kann sowohl darauf hindeuten, dass die Hebamme die dokumentierte Maßnahme tatsächlich vorgenommen hat, als auch darauf, dass sie ihre Verantwortung für das Geschehen in Abrede stellen und den Beklagten zu 4 belasten wollte.

Der Klinikträger muss sich den Behandlungsfehler der Hebamme auch nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Sobald ein Arzt die Behandlung übernommen hat, ist eine mitwirkende Hebamme zwar dessen Gehilfin im Sinne von § 278 BGB. Im Streitfall ist aber nicht festgestellt, dass eine ärztliche Behandlung bereits vor 19:45 Uhr begonnen hat.

Praxistipp: Nach der in § 630h Abs. 3 BGB normierten und bereits zuvor in der Rechtsprechung etablierten Vermutung, gilt eine nicht dokumentierte Maßnahme als nicht durchgeführt. Darum ging es im Streitfall indes nicht nicht.

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Diese Woche geht es um den Innenausgleich zwischen den Haftpflichtversicherern eines an einem Verkehrsunfall beteiligten Gespanns.

Rückwärtsfahren mit Anhänger
BGH, Urteil vom 14. November 2023 – VI ZR 98/23

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit der Haftungsverteilung gemäß § 78 Abs. 3 VVG und § 19 Abs. 4 StVG.

Bei einem Rangiervorgang mit einem Gespann wurde ein anderes Fahrzeug beschädigt. Die Klägerin, bei der das Zugfahrzeug haftpflichtversichert ist, regulierte den Schaden in Höhe von 930 Euro. Sie nimmt die Beklagte, bei der der Anhänger haftpflichtversichert ist, auf Erstattung der Hälfe dieses Betrages in Anspruch. Das AG gab der Klage statt, das LG wies sie ab.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 78 Abs. 3 VVG bestimmt sich das Innenverhältnis zwischen den beiden Haftpflichtversicherern eines Gespanns nach der Regelung in § 19 Abs. 4 StVG. Danach hat der Versicherer des Zugfahrzeugs grundsätzlich den gesamten Schaden zu tragen. Etwas anderes gilt nur, soweit sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht hat als durch das Zugfahrzeug allein. Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG verwirklicht das Ziehen des Anhängers allein im Regelfall keine höhere Gefahr.

Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der in § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG normierte Grundsatz auch dann greift, wenn der Anhänger beim Rückwärtsfahren geschoben wird. Dass das Gespann länger und weniger übersichtlich ist als das Zugfahrzeug allein, reicht nach dem Gesetz nicht aus, um einen Anspruch gegen den Versicherer des Anhängers zu begründen.

Praxistipp: Die beiderseitige Ersatzpflicht für Schäden am versicherten Zugfahrzeug oder am versicherten Anhänger richtet sich gemäß § 19 Abs. 4 Satz 5 StVG nach den allgemeinen Regeln, also §§ 823 ff. BGB und ggf. vertraglichen Vereinbarungen.

Blog Update Haftungsrecht: Bei Unfall mit Leasingfahrzeug haftet der Gegner voll

Wenn bei einem Unfall ein geleastes Fahrzeug beschädigt wird, bereitet die Schadensabwicklung besondere Komplikationen, weil Eigentum und Halterstellung auseinanderfallen. Die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs kann die Leasingfirma als Eigentümerin ersetzt verlangen, ohne dass sie sich die Betriebsgefahr anrechnen lassen muss, denn § 17 Abs. 2 StVG regelt nur die Mithaftung des Halters. Halter ist aber der das Fahrzeug auf eigene Rechnung nutzende Leasingnehmer. Nur wenn diesen ein Verschulden am Unfall trifft, kann es nach § 9 StVG zu einer Kürzung der Ansprüche des Eigentümers kommen; ansonsten muss der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer vollen Ersatz leisten. Die Vertragsgestaltung des Leasings geht also zu seinen Lasten.

Dies lässt sich, wie der BGH kürzlich entschieden hat (Urt. v. 18.4.2023 – VI ZR 345/21, VersR 2023, 851 = MDR 2023, 771), auch nicht dadurch vermeiden, dass der Haftpflichtversicherer den Halter und den Fahrer des Leasingfahrzeugs im Wege eines Gesamtschuldnerausgleichs in Regress nimmt. Diese stehen nämlich nicht zusammen mit dem Unfallgegner in einem Gesamtschuldverhältnis gegenüber der Leasingfirma. Eine Haftung aus Betriebsgefahr scheidet aus, weil die §§ 7 und 18 StVG nicht bei Beschädigung des selbst genutzten Fahrzeugs gelten. Da der Unfallhergang unaufgeklärt blieb, kam auch eine deliktische oder vertragliche Haftung nicht in Betracht. Die AGB des Leasingvertrags sahen eine verschuldensunabhängige Haftung nur für die Zahlung der Leasingraten vor und begründeten eine Schadensersatzpflicht lediglich für den Fall, dass der Schaden nicht von dritter Seite (wie hier der Haftpflichtversicherung) reguliert wird.

Auch aus ungerechtfertigter Bereicherung lässt sich in einem solchen Fall kein Anspruch des Haftpflichtversicherers gegen Halter und Fahrer des Leasingfahrzeugs herleiten, denn er hat nicht auf eine fremde Schuld, sondern auf die gegen ihn gerichtete und in voller Höhe begründete Forderung der Leasinggeberin geleistet. Im Ergebnis geht somit beim unaufgeklärten Unfall die Betriebsgefahr des Leasingfahrzeugs zu Lasten des Unfallgegners. Dies mag der Gesetzeslage entsprechen, systemgerecht ist es nicht (für Gesetzeskorrektur daher Greger, in: Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Aufl. 2021, Rz 25.91, m.w.N.).

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen eines Produktfehlers bei einem Medizinprodukt.

Produktfehler bei Hüftendoprothese
BGH, Urteil vom 30. Juni 2023 – V ZR 165/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den Fehlerkategorien des § 3 Abs. 1 ProdHaftG.

Der Klägerin erhielt im Jahr 2007 ein künstliches Hüftgelenk in Form einer so genannten Totalendoprothese, bestehend aus einer Pfanne mit Inlay, einem Hüftkopf und einem Verankerungsschaft. Die Prothese war bei der in Österreich ansässigen Beklagten hergestellt worden. Knapp vier Jahre später musste die Prothese ausgewechselt werden, weil das Keramik-Inlay gebrochen war.

Das LG hat die auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Die (vom OLG zugelassene) Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Einen Fabrikationsfehler hat das OLG rechtsfehlerfrei verneint. Hierbei hat es einen Anscheinsbeweis zu Recht verneint. Dass ein Sachverständiger als mögliche Fehlerquellen eine ungenügend kontrollierte oder reproduzierbare Fertigung oder eine ungenügende Qualitätskontrolle benannt hat, reicht für die Annahme eines typischen Geschehensablaufs nicht aus.

Ein Konstruktionsfehler lag ebenfalls nicht vor. Aus damaliger Sicht war nicht erkennbar, dass ein anderes Material mehr Sicherheit geboten hätte. Dass bei Inlays der im Streitfall eingesetzten Größe ein im Vergleich zu kleineren Inlays höheres Bruchrisiko bestand, reicht für die Annahme eines Fabrikationsfehlers ebenfalls nicht aus. Aus damaliger Sicht war dieses Risiko im Hinblick auf den mit dem Produkt verbundenen Nutzen noch vertretbar.

Die abstrakte Gefahr, die aus dem erhöhten Bruchrisiko resultiert hat, begründete im Jahr 2007 auch noch keine Instruktionspflicht der Beklagten. Eine solche Pflicht kam erst ab dem Jahr 2009 in Betracht, als Brüche bekannt geworden waren.

Die Rechtsprechung des EuGH, wonach Herzschrittmacher und ähnliche Produkte schon dann als fehlerhaft eingestuft werden können, wenn bei anderen Exemplaren des betreffenden Produkts ein potentieller Fehler festgestellt wurde, ist für die Entscheidung nicht relevant. Im Streitfall wurde die Prothese nicht wegen eines potentiellen Fehlers ausgetauscht, sondern deshalb, weil sie bereits gebrochen war. Ein potentieller Fehler ist für den geltend gemachten Schaden deshalb nicht ursächlich geworden.

Praxistipp: Nach der für Schadensereignisse ab 11.01.2009 geltenden Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Rom II reicht es für die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus, dass das Produkt in Deutschland in Verkehr gebracht worden ist und die geschädigte Person beim Eintritt des Schadens hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

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Diese Woche geht es um die Schadensersatzpflicht des Vermieters nach Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs.

Ersatz von Mehrkosten für Unterbringung in Notunterkunft
BGH, Urteil vom 21. Juni 2023 – VIII ZR 303/21

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite von Ersatzansprüchen nach § 536a und § 536 Abs. 3 BGB.

Die Beklagte hatte eine knapp 70 m² große Wohnung für rund 900 Euro inklusive Nebenkostenvorauszahlung an einen arbeitslosen Flüchtling untervermietet, der darin mit seiner insgesamt vierköpfigen Familie wohnte. Die Miete einschließlich Nebenkosten zahlte die Klägerin auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Einige Monate nach Abschluss des Untermietvertrags kündigte der Hauptvermieter den Mietvertrag mit der Beklagten wegen unerlaubter Untervermietung und Zahlungsrückständen. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich die Beklagte zur Herausgabe der Wohnung.

Der Untermieter kam dem Räumungsverlangen des Hauptvermieters nach. Er wurde mit seiner Familie in einer von einem öffentlich-rechtlichen Träger betriebenen Unterkunft untergebracht. Hierfür wurden pro Person 590 Euro pro Monat in Rechnung gestellt, insgesamt also 2.360 Euro pro Monat. Die Klägerin übernahm diese Kosten. Ihre Klage auf Ersatz der Mehrkosten hatte vor dem AG überwiegend Erfolg. Das LG wies die insoweit zuletzt auf Zahlung von rund 37.000 Euro gerichtete Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass dem Untervermieter gegen die Beklagte wegen schuldhaften Entzugs des vertragsgemäßen Gebrauchs der untervermieteten Wohnung ein Schadensersatzanspruch nach § 536a und § 536 Abs. 3 BGB zusteht und dass dieser Anspruch in Höhe der erbrachten Sozialleistungen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf die Klägerin übergegangen ist.

Entgegen der Auffassung des LG steht einem Anspruch auf Ersatz von Mehrkosten für die Unterbringung in der Notunterkunft nicht der Schutzzweck der verletzten Norm entgegen. Die Unterbringung ist eine Folge der Gefahr, die die Beklagte durch den unberechtigten Entzug der untervermieteten Wohnung geschaffen hat.

Dass die Unterbringung mit Kosten verbunden ist, die die vereinbarte Miete deutlich übersteigen, ist allenfalls bei der Bemessung der Schadenshöhe zu berücksichtigen. Nach der Zurückverweisung der Sache wird das LG die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Die zu erstattenden Mehrkosten sind nach § 249 BGB auf den Zeitraum bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zum ersten möglichen Kündigungstermin begrenzt. Ferner sind sie nur insoweit ersatzfähig, als sie für eine anderweitige Unterbringung erforderlich waren. Hierfür ist von Bedeutung, welche Möglichkeiten zum Anmieten einer anderen Wohnung bestanden und wieviel Zeit für die Suche nach einer solchen Wohnung erforderlich war.

Das LG wird ferner zu prüfen haben, inwieweit die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II erforderliche Personenidentität zwischen Anspruchsberechtigtem und Leistungsempfänger besteht.

Praxistipp: Während Ersatzansprüche gegen Dritte bei Zahlung von Bürgergeld und Grundsicherung gemäß § 33 Abs. 1 SGB II kraft Gesetzes auf den Leistungsträger übergehen, bedarf es bei Zahlung von Sozialhilfe gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich einer Überleitung durch Verwaltungsakt. Einen gesetzlichen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger sehen § 94 Abs. 1 SGB XII für Unterhaltsansprüche, § 115 Abs. 1 SGB X für Ansprüche auf Arbeitsentgelt und § 116 Abs. 1 SGB X für Schadensersatzansprüche vor.

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Diese Woche geht es um die Erstattung von Kosten für den Einbau einer mangelhaften Kaufsache.

Erstattung von Einbaukosten
BGH, Urteil vom 21. Juni 2023 – VIII ZR 105/22

Der VIII. Zivilsenat befasst sich erneut mit der Auslegung von § 439 Abs. 3 BGB.

Die Klägerin kaufte bei der Beklagten für rund 800.000 Euro Edelstahlrohre zum Einbau in zwei Kreuzfahrtschiffe. Nach der Lieferung zeigte die Klägerin Materialfehler an. Die Beklagte lieferte neue Rohre.

Die Klägerin verlangt ergänzend den Ersatz von Kosten für das Auseinanderbauen von bereits zusammengeschweißten Rohren und für das Wiederaufbereiten von Verbindungsstücken. Die auf Zahlung von rund 1,4 Millionen Euro gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen keinen Erfolg.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Das OLG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind, weil die Beklagte für ein etwaiges Verschulden der Herstellerin nicht gemäß § 278 BGB einzustehen hat.

Entgegen der Auffassung des OLG ergibt sich aus dem Tatsachenvortrag der Klägerin jedoch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Das Tatbestandsmerkmal „in eine andere Sache eingebaut“ setzt nicht voraus, dass die Kaufsache unselbständiger Bestandteil einer anderen Sache wird. Es reicht vielmehr eine körperliche Verbindung.

Ersatzfähig sind auch Kosten, die im Rahmen eines mehrstufigen Einbauvorgangs entstanden sind, bevor es zur Verbindung der Kaufsache mit der anderen Sache gekommen ist. Im Streitfall bildete das Zusammenschweißen der Rohre einen Bestandteil des Einbauvorgangs. Dass die Rohre wegen der Entdeckung der Mängel nicht in die Schiffe eingebaut wurden, steht einem Ersatzanspruch mithin nicht entgegen.

Unerheblich ist ferner, ob die die zusammengeschweißten Rohre als neue Sache im Sinne von § 950 BGB anzusehen sind. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, stünde dies einem Ersatzanspruch nur dann entgegen, wenn die Verbindung nicht mehr gelöst werden könnte. Im Streitfall können die Rohre – wenn auch mit großem Aufwand – wieder voneinander getrennt werden.

Das OLG wird nach der Zurückverweisung zu klären haben, ob der bestrittene Tatsachenvortrag der Klägerin zutrifft.

Praxistipp: Zum 1. Januar 2022 hat § 439 Abs. 3 BGB eine veränderte Fassung erhalten. Nach altem Recht war der Ersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Mangel dem Käufer im Zeitpunkt des Einbaus bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Nach neuem Recht schadet es, wenn der Mangel vor dem Einbau offenbar geworden ist.

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Diese Woche geht es um die Bemessung des Hinterbliebenengeldes.

Bemessung des Hinterbliebenengeldes nach einem Verkehrsunfall
BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 161/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit grundlegenden Fragen zur Bemessung des Hinterbliebenengeldes nach § 10 Abs. 3 StVG.

Bei einem Verkehrsunfall im September 2020 wurde der Vater der im Juni 2001 geborenen Klägerin getötet. Die volle Haftung der Beklagten zu 1, die mit ihrem Auto in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn geraten war und den auf seinem Motorrad entgegenkommenden Vater der Klägerin frontal erfasst hatte, steht dem Grunde nach außer Streit. Die Beklagte zu 2, bei der das Auto haftpflichtversichert war, hat der Klägerin außergerichtlich ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 7.500 Euro gezahlt. Die auf Zahlung weiterer 22.500 Euro gerichtete Klage ist in den beiden ersten Instanzen nur in Höhe von 4.500 Euro erfolgreich gewesen.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Die Bemessung der nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und § 10 Abs. 3 StVG geschuldeten Hinterbliebenenentschädigung unterliegt gemäß § 287 ZPO dem Ermessen des Tatrichters. Nicht alle vom OLG angestellten Erwägungen sind jedoch frei von Rechtsfehlern.

Bei der Bemessung ist die konkrete seelische Beeinträchtigung des Betroffenen zu bewerten. Hierbei sind alle Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Dennoch ist es nicht zu beanstanden, den in den Gesetzesmaterialien (BT-Dr. 18/11397 S. 11) genannten Betrag von 10.000 Euro als Orientierungshilfe heranzuziehen.

Wie der BGH schon zuvor entschieden hat (Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, BGHZ 235, 254 Rn. 14 f. [insoweit nicht in MDR 2023, 295]), dient das Hinterbliebenengeld dem Ausgleich für immaterielle Nachteile. Maßgeblich sind insbesondere die Intensität und die Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Relevante Indizien bilden in der Regel die Art des Näheverhältnisses, die Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und die Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung.

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht danach die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten von ihrem Vater aufgrund eines kurz nach dem Unfall aufgenommenen Studiums nicht als erhöhenden Faktor herangezogen. Der Verlust von Unterhaltsansprüchen stellt einen materiellen Schaden dar, der nach Maßgabe von § 10 Abs. 2 StVG zu ersetzen ist.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das OLG sich nicht mit dem Grad des Verschuldens befasst hat. Dem insoweit maßgeblichen Parteivortrag lässt sich nicht entnehmen, dass das Maß des Verschuldens im Streitfall prägende Wirkung hat. Dass die Beklagte ihre strafrechtliche Verantwortung abgestritten hat, rechtfertigt eine Erhöhung des Hinterbliebenengeldes für sich gesehen nicht.

Zu Unrecht hat das OLG jedoch den Vortrag der Klägerin zu den Auswirkungen des Unfalltods auf deren autistischen Bruder als unerheblich angesehen.

Nach dem Vorbringen der Klägerin war der verstorbene Vater die maßgebliche Respekts- und Bezugsperson für den Bruder. Der Tod des Vaters habe zur Folge, dass die Klägerin nunmehr in erheblichem Umfang in die Betreuung ihres Bruders eingespannt sei, der aufgrund des Todesfalls massive Verhaltensauffälligkeiten zeige. Auch durch diesen Umstand werde die Klägerin täglich mit dem plötzlichen Unfalltod des Vaters und der damit verbundenen Veränderung ihrer Lebenssituation konfrontiert. Der dadurch andauernde seelische Schmerz sei nahezu unerträglich.

Damit sind entgegen der Auffassung des OLG Umstände vorgetragen, die nicht nur die Intensität und Dauer des seelischen Leids des Bruders betreffen, sondern auch desjenigen der Klägerin. Das OLG wird deshalb zu prüfen haben, ob und ggf. in welcher Höhe diese Umstände die Zubilligung eines höheren Hinterbliebenengeldes gebieten.

Praxistipp: Die Vorschriften über das Hinterbliebenengeld (u.a. § 844 Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 3 StVG und § 5 Abs. 3 HaftPflG) sind gemäß Art. 229 § 43 EGBGB anwendbar, wenn die zum Tode führende Verletzung nach dem 22. Juli 2017 eingetreten ist.

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Diese Woche geht es um Fragen des allgemeinen Schuldrechts.

Ersatz von Kosten zur Abwendung eines Verzögerungsschadens
BGH, Urteil vom 20. April 2023 – I ZR 140/22

Der I. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen und dem Inhalt eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen Schuldnerverzugs.

Eine Versicherungsnehmerin des klagenden Transportversicherers hatte die Beklagte mit dem Transport von Fahrzeugteilen von Bremen zu einer Automobilfabrik in Mexiko betraut. Ende Juni 2017 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin mit, der für die Kalenderwoche 25 vorgesehene Transport von zwei Containern werde sich verzögern. Zuletzt gab sie als voraussichtlichen Ankunftstag den 25. Juli 2017 an. Die Versicherungsnehmerin verlangte am 6. Juli 2017, frühere Verschiffungsoptionen zu prüfen oder die am dringendsten benötigten Teile per Luftfracht zu versenden. Die Beklagte teilte am 10. Juli 2017 mit, eine frühere Verschiffung sei nicht möglich. Eine Versendung per Luftfracht lehnte sie ab. Die Versicherungsnehmerin ließ ab dem 20. Juli 2017 einige Teile von Dritten per Luftfracht befördern. Hierfür bezahlte sie rund 12.900 US-Dollar. Die Klägerin erstattete ihr diesen Betrag abzüglich ersparter Kosten für die Seebeförderung in Höhe von rund 300 Dollar und abzüglich eines Selbstbehalts von 5.000 Dollar.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten teils aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG) und teils aufgrund einer Ermächtigung der Versicherungsnehmerin den Ersatz der Mehrkosten in Höhe von 12.600 US-Dollar. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs erfolgreich.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück, stützt den Ersatzanspruch abweichend vom OLG aber nicht auf den Aspekt der Nichterfüllung, sondern auf Verzug.

Die Leistungsaufforderung der Versicherungsnehmerin vom 6. Juli 2017 konnte keinen Verzug begründen, weil die beiden Container aufgrund der getroffenen Vereinbarungen frühestens am 13. Juli 2017 in Mexiko abzuliefern waren. Eine (erneute) Mahnung nach Fälligkeitseintritt war im Streitfall aber jedenfalls nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, weil die Beklagte schon zuvor unmissverständlich zu erkennen gegeben hatte, dass die Ablieferung der Container nicht rechtzeitig erfolgen wird.

Die Aufwendungen für den Lufttransport sind als erforderliche Kosten der Schadensabwendung im Sinne von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ersatzfähig, weil durch eine verzögerte Anlieferung der betreffenden Teile ein noch höherer Verzögerungsschaden entstanden wäre.

Nach der Rechtsprechung des BGH können die Kosten eines Deckungskaufs grundsätzlich nur auf der Grundlage von § 280 und § 281 BGB ersetzt werden. Im Streitfall diente die anderweitige Beförderung der Teile aber der Abwendung eines im Falle der Verzögerung drohenden höheren Schadens. Solche Kosten sind nach derselben Anspruchsgrundlage zu ersetzen, nach der die vermiedenen Schäden auszugleichen gewesen wären – hier also nach § 286 BGB.

Praxistipp: Ein Anspruch auf Ersatz von Kosten für einen Deckungskauf darf nicht zusätzlich zum Anspruch auf Erfüllung geltend gemacht werden, sondern nur anstelle desselben (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 – VIII ZR 169/12, MDR 2013, 1021 Rn. 29).