Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Umfang des Schadensersatzanspruchs nach erfolgreicher Anfechtung eines Grundstückskaufvertrags wegen arglistiger Täuschung

Ersatz von Maklerkosten und Grunderwerbsteuer nach Arglistanfechtung
Urteil vom 24. September 2021 – V ZR 272/19

Mit dem Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer und Erstattungsansprüchen gegen Dritte befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte vom Beklagten ein Grundstück gekauft. Später focht sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und nahm den Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung aller im Zusammenhang mit dem Erwerb getätigten Aufwendungen in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Erstattung der Notar- und Gerichtskosten. Hinsichtlich der Maklerkosten und der Grunderwerbsteuer wies es die Berufung zurück.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung bzw. zur Feststellung der Erledigung, soweit der Beklagte einen Teil der Forderung bereits beglichen hat.

Die vom Beklagten verübte arglistige Täuschung stellt eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten dar. Zu dem deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Vertrauensschaden gehören grundsätzlich alle Aufwendungen, die die Klägerin im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses getätigt hat. Darunter fallen auch die Maklerprovision und die Grunderwerbsteuer.

Dass der Klägerin aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrags ein Erstattungsanspruch gegen die Maklerin bzw. die Finanzkasse zusteht, steht der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Der Geschädigte muss sich entsprechend dem Rechtsgedanken des § 255 BGB nicht auf die Geltendmachung solcher Ansprüche und die damit verbundenen Risiken verweisen lassen. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ist der Schädiger allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der Erstattungsansprüche zum Schadensersatz verpflichtet.

Praxistipp: Um eine Verjährung der Erstattungsansprüche zu vermeiden, kann der Schädiger den Schuldnern dieser Ansprüche den Streit verkünden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung für arglistig verschwiegene Mängel eines verkauften Grundstücks

Arglisthaftung bei Verkauf eines in Schwarzarbeit errichteten Grundstücks
Urteil vom 28. Mai 2021 – V ZR 24/20

Mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 444 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin kaufte von den Beklagten zu 1 und 2 im März 2012 für 253.000 Euro ein Grundstück. In dem Vertrag wurde die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude hatte eine inzwischen verstorbene Bauunternehmerin im Auftrag des Beklagten zu 1 errichtet. Im Dezember 2012 traten bei Umbauarbeiten Feuchtigkeitsschäden im Keller zutage. Der Beklagte zu 1 trat diesbezügliche Gewährleistungsansprüche gegen die Bauunternehmerin an die Klägerin ab. Die Klägerin verlangte von den beiden Verkäufern sowie den Erben der Bauunternehmerin Ersatz eines Wertminderungsschadens in Höhe von rund 48.000 Euro. Die Klage gegen die zweite Verkäuferin und die Erben der Bauunternehmerin ist inzwischen rechtskräftig abgewiesen. Den Beklagten zu 1 verurteilte das OLG unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 34.000 Euro.

Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Rechtsfehlerfrei ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gebäude mangelhaft ist, weil es keine Vertikalabdichtung und nur eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweist. Der Beklagte zu 1 hat für diesen Mangel wegen des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB nur dann einzustehen, wenn er ihn arglistig verschwiegen hat. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des OLG nicht schon deshalb erfüllt, weil der Beklagte zu 1 das Gebäude in Schwarzarbeit errichten ließ und diesen Umstand vor Abschluss des Kaufvertrags verschwiegen hat.

Der Tatbestand des § 444 BGB ist nur dann erfüllt, wenn der Verkäufer denjenigen Mangel arglistig verschwiegen hat, auf den der Käufer seinen Gewährleistungsanspruch stützt. Ansprüche wegen unzureichender Abdichtung sind deshalb nur dann begründet, wenn der Beklagte zu 1 wusste oder zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass das Gebäude unzureichend abgedichtet ist. Hierfür genügt nicht die Kenntnis, dass das Gebäude in Schwarzarbeit errichtet worden ist.

Der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz begründet für sich gesehen keinen Mangel, der zu einer Haftung nach § 444 BGB führen könnte. Ein solcher Verstoß wirkt sich regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des Grundstücks aus. Dass dem Verkäufer wegen Nichtigkeit des Werkvertrags keine Gewährleistungsansprüche gegen den Bauunternehmer zustehen, führt nicht zu einer abweichenden Betrachtung, weil die Abtretung solcher Ansprüche im Kaufvertrag nicht vereinbart wurde.

Praxistipp: Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen.

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Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit eines Auftrags zum Erwerb eines Grundstücks

Treuhänderischer Auftrag zum Erwerben und Halten eines Grundstücks
Urteil vom 25. Juni 2021 – V ZR 218/19

Mit der Reichweite von § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte schloss im Oktober 1992 einen notariellen Kaufvertrag über eine Wohnung in Österreich. Im November 1992 vereinbarte sie mit dem Kläger in einem privatschriftlichen Vertrag, dass sie die Wohnung treuhänderisch für den Kläger kauft und übernimmt und dass sie auf Verlangen des Klägers an einer Veräußerung der Wohnung mitwirkt. Später verlangte der Kläger, ihm die Wohnung zu übereignen. Die darauf gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof verweist die Sache an das OLG zurück.

Der Bundesgerichtshof nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach ein Treuhandauftrag über den Erwerb eines Grundstücks nur unter dem Gesichtspunkt der Erwerbspflicht des Beauftragten der Form des § 313 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) unterliegt. Ein diesbezüglicher Formmangel ist im Streitfall gegebenenfalls gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) geheilt, weil die Beklagte Eigentümerin der Wohnung geworden ist.

Die Pflicht des Beauftragten, das Grundstück an den Auftraggeber herauszugeben, beruht demgegenüber nicht auf dem Vertrag, sondern auf der gesetzlichen Regelung in § 667 BGB. Sie begründet deshalb nicht das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB (so zuletzt BGH, U. v. 15.1.2021 – V ZR 210/19 – MDR 2021, 609). Etwas anderes gälte nur dann, wenn die Beklagte bei Abschluss des Treuhandvertrags bereits Eigentümerin der Wohnung gewesen wäre oder durch Stellung eines Umschreibungsantrags oder Eintrag einer Vormerkung ein Anwartschaftsrecht gehabt hätte. Hierzu muss das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren noch Feststellungen treffen.

Sollte der Vertrag danach wirksam sein, steht dem Kläger gemäß § 667 BGB ein Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu. Das im Treuhandvertrag vorgesehene Recht, die Mitwirkung an einer Veräußerung zu verlangen, ist nicht an die Stelle dieses Anspruchs getreten. Es stellt nur eine besondere Ausprägung dieses Anspruchs für eine bestimmte, hier nicht gegebene Konstellation dar.

Praxistipp: Die Verpflichtung, einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks abzutreten, unterliegt ebenfalls nicht dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB.

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Diese Woche geht es um die Wissenszurechnung bei Rechtsgeschäften eines Testamentsvollstreckers

Denkmaleigenschaft als Sachmangel
Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

Mit der Haftung für die denkmalrechtliche Einordnung eines verkauften Hauses befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger verkaufte dem Beklagten im Jahr 2009 als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Vaters ein Wohnhaus in Hamburg für fünf Millionen Euro. Der Vertrag sieht den Ausschluss der Haftung für Sachmängel vor. Er enthält ferner den Hinweis, das Objekt sei nach Kenntnis des Verkäufers nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet, weise aus Sicht des Denkmalpflegers jedoch erhaltenswerte Bauelemente auf. Im Februar 2012 erhielt der Kläger eine Baugenehmigung zur Sanierung des Gebäudes. Anfang 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen. Der Kläger musste seine Planung daraufhin ändern. Er begehrt vom Beklagten Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erklärte sie dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Mit dem OLG geht der BGH davon aus, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich einen Sachmangel darstellt. Im Streitfall stand das Gebäude im Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Jahr 2009 aber noch nicht unter Denkmalschutz. Dieser wurde nach den damals geltenden Bestimmungen erst durch Eintragung in die Denkmalliste begründet, also Anfang 2013.

Der Beklagte musste den Kläger vor Vertragsschluss allerdings darauf hinweisen, dass das Gebäude schon seit 2006 in ein Verzeichnis erkannter Denkmäler eingetragen war. Der BGH lässt offen, ob diese Eintragung ebenfalls einen Sachmangel begründete. Eine Hinweispflicht bestand jedenfalls gemäß § 311 Abs. 2 BGB, weil es sich um einen für die Entschließung des Käufers wesentlichen Umstand handelte.

Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es jedoch an der nach § 444 BGB erforderlichen Arglist. Der Kläger, dem die Eintragung in das Verzeichnis nicht bekannt war, muss sich die Kenntnis seiner Geschwister und Miterben nicht zurechnen lassen. Diese waren nicht mit Aufgaben in Bezug auf das Grundstück betraut. Testamentsvollstrecker und Erben bilden auch keine arbeitsteilige Organisation, innerhalb derer relevante Kenntnisse an die entscheidenden Personen weitergeleitet werden müssen. Die Kenntnis der Hausverwaltung muss sich der Kläger ebenfalls nicht zurechnen lassen. Diese war in die Veräußerung des Anwesens nicht einbezogen.

Praxistipp: Wenn Hinweise auf Denkmalschutz bestehen, sollte der Käufer sich vor Vertragsschluss selbst an das Denkmalamt wenden, um den rechtlichen Status des Gebäudes abzuklären.

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Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.

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Im Montagsblog Nr. 200 geht es um die Reichweite des Formerfordernisses aus § 311b Abs. 1 BGB

Auftrag zur Beschaffung eines Grundstücks
Urteil vom 15. Januar 2021 – V ZR 210/19

Mit der Heilung eines zunächst formnichtigen Auftrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das er selbst nutzte. Im Jahr 1999 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Um den Verlust des Grundstücks zu vermeiden, vereinbarte er mit den Beklagten mündlich, dass diese das Grundstück in der Zwangsversteigerung erstehen, dass der Kläger es gegen Erstattung der für die Finanzierung anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen weiter nutzen darf und dass der Kläger berechtigt ist, das Objekt jederzeit gegen Erstattung aller noch offenen Kosten zurückzuerwerben. Nach Erwerb des Grundstücks schlossen die Beklagten mit dem Kläger einen schriftlichen Mietvertrag. Darin bestätigten sie ihre zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarungen. Im Jahr 2017 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis. Der Kläger erhob Stufenklage auf Auskunft über den noch valutierten Betrag der zur Finanzierung aufgenommenen Hypothek und auf Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung dieses Betrags. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die mündlich getroffene und schriftlich bestätigte Abrede zwischen den Parteien ursprünglich unwirksam war, weil der Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Form bedurfte. Das Formerfordernis ergab sich jedoch nur aus dem Umstand, dass sich die Beklagten zum Erwerb eines Grundstücks verpflichtet haben. Der daraus resultierende Formmangel ist gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch Eintragung der Beklagten als Eigentümer im Grundbuch geheilt worden.

Der Umstand, dass sich die Beklagten zugleich verpflichtet haben, das Grundstück auf Verlangen an den Kläger zu übereignen, führt hingegen nicht zur Formbedürftigkeit. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus der Vereinbarung der Parteien. Sie folgt schon aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben hat. Solche Pflichten fallen nicht unter den Tatbestand des § 311b Abs. 1 BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die aus dem Gesetz folgende Verpflichtung eingeschränkt haben. Deshalb ist im Streitfall unschädlich, dass die Beklagten das Grundstück nicht sofort an den Kläger weitergeben sollten.

Praxistipp: Die Form des § 311b Abs. 1 BGB ist auch dann erforderlich, wenn sich der Auftraggeber verpflichtet, das erworbene Grundstück vom Beauftragten zu übernehmen.

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Diese Woche geht es um die Zuständigkeit zur Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht

Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht
Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 148/19

Mit der Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden gemäß § 6 BtBG befasst sich der V. Zivilsenat.

Ein im Jahr 2016 verstorbener Erblasser hatte den beiden Verfahrensbeteiligten im Jahr 2011 in einer als Vorsorgevollmacht bezeichneten Urkunde jeweils Einzelvollmacht zu seiner Vertretung in der Gesundheitsfürsorge, vertraglichen Angelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten sowie in allen Vermögensangelegenheiten einschließlich des Erwerbs und der Veräußerung von Vermögen erteilt, und zwar mit der Maßgabe, dass die Vollmacht über den Tod hinaus gültig sein soll. Die Urkundsperson der Betreuungsbehörde beglaubigte die Echtheit der Unterschrift gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG). Im Jahr 2019 übertrug die Beteiligte zu 1 im Namen der unbekannten Erben den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz unentgeltlich auf den Beteiligten zu 2. Das Grundbuchamt gab den Beteiligten durch Zwischenverfügung auf, eine Genehmigungserklärung der Erben und einen Erbnachweis vorzulegen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH hebt die Zwischenverfügung auf.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts hat die Beteiligte zu 1 ihre Vollmacht in der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen Form nachgewiesen. Die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG zulässige Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht durch einen dafür gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BtBG ermächtigten Mitarbeiter der Betreuungsbehörde ist eine öffentliche Beglaubigung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO.

Eine Vorsorgevollmacht im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG ist eine Vollmacht, die zu dem Zweck erteilt wird, eine künftig mögliche Betreuungsbedürftigkeit zu vermeiden. Eine solche Zwecksetzung ergibt sich im Streitfall schon aus der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht. Die Beglaubigungsbefugnis nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG besteht auch für Vollmachten, die im Außenverhältnis unbedingt erteilt und nur im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall beschränkt werden, und für Vollmachten, die über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten sollen.

Praxistipp: Welche Behörde auf örtlicher Ebene in Betreuungsangelegenheiten zuständig ist, bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1 BtBG nach Landesrecht. In der Regel ist sie auf Ebene der Stadt- und Landkreise angesiedelt. Örtlich zuständig ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BtBG die Behörde, in deren Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Wirksamkeit der Beglaubigung genügt die sachliche Zuständigkeit.

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Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich des Wohnraummietrechts

Vermietung von Wohnräumen an gewerblichen Zwischenmieter
Urteil vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 66/19

Mit den Voraussetzungen einer Einordnung als Wohnraummietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Grundstücks. Die Schuldnerin hatte acht dazu gehörende Wohnungen an eine GmbH & Co. KG vermietet. Der Vertrag trägt die Überschrift „Mietvertrag über Wohnraum“ und sieht unter anderem vor, dass sich die Kündigungsfristen nach der (für die Wohnraummiete geltenden) Regelung in § 573c BGB richten. Ferner ist vereinbart, dass der Mieter zu einer Untervermietung berechtigt ist. Im August 2011 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Gesellschaft. Diese vermietete kurz darauf – noch vor Ablauf der Kündigungsfrist – eine der Wohnungen an den Beklagten. Im Juni 2016 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß. Das AG verurteilte den Beklagten antragsgemäß zu Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung von rückständiger Miete und Nebenkosten. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung des LG ist der Kläger gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in das Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten eingetreten. Die von ihm im August 2011 erklärte Kündigung war wirksam. Sie bedurfte nicht eines berechtigten Interesses im Sinne von § 573 BGB, weil der gekündigte Vertrag nicht den Vorschriften über die Wohnraummiete unterlag. Nach dem Gesetz sind diese Vorschriften nur dann anwendbar, wenn der Mieter die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen will. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor, weil die Gesellschaft die Wohnungen zum Zwecke der Weitervermietung angemietet hat. Entgegen der Auffassung des LG ist dem Vertrag mit der Gesellschaft keine konkludente Einigung über die Geltung der genannten Vorschriften zu entnehmen. Die Bezeichnung als Wohnraummietvertrag und die Vereinbarung der in § 573c BGB geltenden Kündigungsfristen reichen hierfür nicht aus.

Praxistipp: Für den Untermieter hat die Beendigung des Hauptmietvertrags in solchen Konstellationen lediglich einen Vermieterwechsel gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge.

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Diese Woche geht es um die Pflicht zur Erhaltung einer Nachbarwand nach Abbrennen eines daran angebauten Gebäudes.

Abbrennen eines an eine Nachbarwand angebauten Gebäudes
Beschluss vom 22. Januar 2021 – V ZB 12/19

Mit den Pflichten aus § 922 Abs. 3 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke, die durch Teilung entstanden sind. Schon vor der Teilung war auf dem nunmehr dem Beklagten gehörenden Grundstück eine Scheune errichtet worden. An deren Giebelwand wurde später ein nunmehr auf dem Grundstück des Klägers stehendes Wohnhaus angebaut. Im Teilungsvertrag wurde vereinbart, dass die Grundstücksgrenze durch die gemeinsame Giebelmauer verlaufen soll. Im Jahr 2011 wurde die Scheune durch einen Brand, der auch auf das Wohnhaus übergriff, stark beschädigt. Der Kläger erhielt von seiner Gebäudeversicherung 50.000 Euro zur Sanierung der Trennwand. Vom Beklagten verlangt er unter anderem, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Trennwand gegen Witterung, Wärmeverlust und Feuchtigkeitsimmissionen zu schützen. Das LG wies die Klage insoweit ab. Das OLG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision des Beklagten an das OLG zurück – allerdings nur deshalb, weil der Umfang des dem Kläger stehenden Anspruchs näherer Klärung bedarf.

Dem Grunde nach sieht der BGH den Klageanspruch gemäß § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als begründet an. Die Trennwand war zwar weder bei ihrer Errichtung noch beim Bau des Wohnhauses eine gemeinsame Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB. Sie erlangte diese Eigenschaft aber mit der einvernehmlichen Aufteilung des Grundstücks. Mangels abweichender Vereinbarung darf die Wand gemäß § 922 Satz 3 BGB nur einvernehmlich beseitigt oder geändert werden. Durch das Abbrennen der Scheune ist eine der Zustimmung bedürfende Änderung eingetreten, weil das Wohnhaus des Klägers nicht mehr in gleicher Weise gegen Witterungseinwirkungen geschützt ist. Hierfür ist der Beklagte als Zustandsstörer verantwortlich, und zwar – anders als hinsichtlich der am Wohnhaus eingetretenen Schäden – unabhängig davon, ob er den Brand zu verantworten hat. Der Kläger kann deshalb analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, dass die eingetretene Störung beseitigt wird.

Der Anspruch ist nicht gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Gebäudeversicherung des Klägers übergegangen. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist untrennbar mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. Zudem fehlt es an der nach § 86 Abs. 1 VVG erforderlichen Kongruenz. Die Gebäudeversicherung deckt zwar auch Schäden an der Trennwand ab. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist aber auf Erhalt des Bestandes und der Funktion der Wand als gemeinsame Grenzeinrichtung gerichtet, unabhängig davon, ob eine Substanzverletzung eingetreten ist.

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ist die vom OLG ausgesprochene Verurteilung aber zu weitgehend. Zum einen muss dem Beklagten die Möglichkeit offenbleiben, die vorherige Funktion in der Weise wiederherzustellen, dass er eine neue Scheune an die Wand anbaut. Zum anderen darf der Kläger eine Wärmedämmung nur verlangen, wenn und soweit die Wand durch die abgebrannte Scheune ebenfalls gegen Wärmeverlust geschützt war. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muss das OLG nach Zurückverweisung aufklären.

Praxistipp: Die Anwendung von § 921 und § 922 BGB setzt voraus, dass die gemeinsame Einrichtung die Grundstücksgrenze überschreitet.

Stichtag 1.12.2020: Inkrafttreten der WEG-Refom

Am 1.12.2020 tritt die wohl umfassendste Reform des Wohnungseigentumsrechts seit seiner Schaffung im Jahr 1951 in Kraft. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. Der Verband der Wohnungseigentümer – in Zukunft: die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ – wird voll rechtsfähig und ist Träger der Verwaltung. Er entsteht bereits mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher, so dass im Fall der Teilung des Grundstücks eine „Ein-Personen-Gemeinschaft“ existiert. Der Verwalter erhält fast unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht für die Gemeinschaft und kann jederzeit von den Wohnungseigentümern abberufen werden. Sondereigentum ist jetzt auch an Freiflächen möglich. Bauliche Veränderungen können zukünftig grundsätzlich mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Jeder Wohnungseigentümer kann verlangen, dass ihm der Bau einer Ladestation für sein E-Auto gestattet wird. Für Versammlungen gibt es kein Quorum für die Beschlussfähigkeit mehr.  Beschlussanfechtungsklagen sind gegen die Gemeinschaft zu richten. Die Liste der tiefgreifenden Änderungen ließe sich noch ein gutes Stück fortsetzen.

In den Wohnungseigentumsanlagen wird sich daher in Zukunft vieles ändern. Aber nicht nur praktisch, sondern auch dogmatisch ist ein Umdenken angesagt. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) nähert das WEG dem übrigen Verbandsrecht an, wenn es um die Rechtsstellung der  Gemeinschaft im Rechtsverkehr oder die Binnenrechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaft, Wohnungseigentümern, Verwalter und Beirat geht. Hier hat der Gesetzgeber sich an die Strukturen von GmbH, AG und Verein angelehnt, so dass die dort entwickelten Lösungen auch für das WEG fruchtbar gemacht werden können. Auch wenn das WEG so für die meisten Juristen klarer wird, ist dies für Wohnungseigentümer und Verwalter nicht unbedingt der Fall. Mit der konzeptionellen Klarheit einher geht nämlich eine „Bereinigung von Selbstverständlichkeiten“, also die Streichung vermeintlich überflüssiger Regelungen. So findet sich die bisher in § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG geregelte Aufgabe des Verwalters, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen, im neuen WEG nicht mehr. Damit wollte der Gesetzgeber ihn aber keineswegs von der Pflicht entbinden. Er war nur der Ansicht, es bedürfe der Regelung nicht, weil sich diese Pflicht des Verwalters unmittelbar aus seiner Stellung als Vollzugsorgan ergebe.  Dies mag zwar so sein, sorgt aber nicht unbedingt für Rechtssicherheit.

Trotzdem lässt sich als erstes Fazit sagen, dass das neue WEG einen erheblichen und dringend notwendigen Fortschritt darstellt. Die neuen zahlreichen Rechtsfragen werden aber die Gerichte in der nächsten Jahren gut beschäftigen.

Hinweis: Ein zweiteiliger Beitrag, der die Neuregelungen vorstellt, beginnt in MDR 2020, 1409 und wird in Heft 24/2020 fortgesetzt.