Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Klagebefugnisse einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Abwehr von Störungen des Sondereigentums
Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19

Mit der Reichweite von § 9a Abs. 2 WEG befasst sich der V. Zivilsenat.

Dem Kläger steht das Nießbrauchsrecht an einer Eigentumswohnung zu. Der Beklagte ist Eigentümer einer zu derselben Anlage gehörenden Wohneinheit, die aus einem Einzelhaus besteht. Der Kläger macht geltend, Geschosszahl und Gebäudehöhe dieses Hauses widersprächen den Vorgaben der Teilungserklärung. Er begehrt deshalb in Prozessstandschaft für die Eigentümerin der von ihm genutzten Wohnung Schadensersatz wegen Wertminderung in Höhe von 55.000 Euro. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH lässt offen, ob die Gebäudehöhe in Einklang mit der Teilungserklärung steht, und weist die Klage – insoweit abweichend von der Vorinstanz – bereits als unzulässig ab.

Auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums kann die Klage weder nach altem noch nach neuem Recht gestützt werden. Nach der seit 1. Dezember 2020 geltenden Regelung in § 9a Abs. 2 WEG ist die Ausübung von Rechten aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft vorbehalten. Zu diesen Rechten gehören nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung, sondern auch daran anknüpfende Sekundäransprüche. Da die Klage im Streitfall vor diesem Stichtag erhoben wurde, bliebe eine nach altem Recht bestehende Klagebefugnis zwar bestehen. Nach der insoweit maßgeblichen Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. war die Wohnungseigentümerin, deren Rechte der Kläger geltend macht, aber ebenfalls nicht klagebefugt. Der BGH lässt dabei offen, ob der Inhaber eines Beseitigungsanspruchs – der nach altem Recht grundsätzlich vom einzelnen Eigentümer geltend gemacht werden konnte – gemäß § 281 Abs. 4 BGB nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Die Geltendmachung eines solche Schadensersatzanspruchs durch einen einzelnen Wohnungseigentümer widerspräche jedenfalls einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Der Anspruch ist deshalb gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. und kann nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums darf ein einzelner Wohnungseigentümer sowohl nach altem wie nach neuem Recht alleine geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von der geltend gemachten Störung betroffen ist. Diese Befugnis gilt auch für einen Entschädigungsanspruch, den § 14 Abs. 3 WEG für den Fall vorsieht, dass der betroffene Eigentümer eine über das zumutbare Maß hinausgehende Störung ausnahmsweise zu dulden hat. Eine solche Duldungspflicht ist im Streitfall nicht ersichtlich. Der Kläger macht vielmehr einen Schadensersatzanspruch aus § 280 und § 281 BGB geltend. Solche Ansprüche können sowohl nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. als auch nach § 9a Abs. 2 WEG n.F. nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Praxistipp: Die Geltendmachung von Ansprüchen durch einen einzelnen Wohnungseigentümer hat nach neuem Recht nur noch dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Entschädigung nach § 14 Abs. 3 WEG gerichtet und auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums gestützt sind.

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Diese Woche geht es um eine fast immer auftretende, aber nur selten im Fokus stehende Frage des Schadensersatzrechts.

Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
Urteil vom 22. Juni 2021 – VI ZR 353/20

Mit den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw mit nicht regelkonformem Dieselmotor (Typ EA189) geltend. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG wies die Berufung der Beklagten zum überwiegenden Teil zurück, wies die Klage jedoch ab, soweit der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gehören zu dem zu ersetzenden Schaden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

Zum einen muss die Beauftragung eines Anwalts mit der außergerichtlichen Geltendmachung aus der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sein. Hierzu hat das OLG im Streitfall keine Feststellungen getroffen.

Darüber hinaus müssen die Kosten tatsächlich entstanden sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Mandat zunächst auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt ist oder wenn ein Prozessauftrag nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilt wird. Erteilt der Mandant von Beginn an den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, fällt eine Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit (Nr. 2300 RVG) hingegen nicht an.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und dessen Anwalt. Das Auftreten des Rechtsanwalts gegenüber dem Schuldner kann aber ein Indiz bilden. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Im Streitfall hatte der Anwalt des Klägers im ersten Schreiben an die Beklagte mitgeteilt, es werde Klage erhoben, wenn innerhalb der gesetzten Frist keine Zahlung erfolge. Dies durfte das OLG als Indiz für die Erteilung eines unbedingten Klageauftrags werten. Es lag am Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass er seinen Anwalt zunächst nur mit der vorgerichtlichen Vertretung betraut hat.

Praxistipp: Um Probleme bei der Beweisführung zu vermeiden, sollte das Mandat schriftlich erteilt oder bestätigt werden.

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Diese Woche geht es um eine wohl des Öfteren auftretende Frage aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung.

Herausgabe zurückgezahlter Gerichtskosten an den Rechtsschutzversicherer
Beschluss vom 10. Juni 2021 – IX ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen Anwalt, Mandant und Rechtsschutzversicherer bei Erstattung unverbrauchter Gerichtskosten befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Beklagten, eine Rechtsanwaltssozietät und ein für diese tätiger Anwalt, hatten ein bei der Klägerin rechtsschutzversichertes Ehepaar bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Bank gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Klägerin hatte eine Deckungszusage zunächst abgelehnt und später nur für das Klageverfahren in erster Instanz erteilt, nicht aber für die außergerichtliche Vertretung. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Das Gericht überwies unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von rund 2.800 Euro an die Sozietät. Von der Bank erhielt sie die Hälfte der den Mandanten entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Anwaltskosten. Darin enthalten war eine hälftige Verfahrensgebühr in Höhe von rund 900 Euro. Von dem Gesamtbetrag von rund 3.700 Euro zogen die Beklagten die nach dem Vergleich von den Mandanten zu tragende zweite Hälfte der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten für die Einholung der Deckungszusage – insgesamt rund 2.100 Euro – ab. Insoweit erklärten sie namens der Mandanten die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Die auf Zahlung des Abzugsbetrags gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten auf die Berufung der Klägerin antragsgemäß.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagten waren gemäß § 667 BGB verpflichtet, die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge an die Mandanten herauszugeben. Dieser Anspruch ist gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen. Die Pflicht zur Zahlung der Gerichtsgebühren und der Anwaltsvergütung für die gerichtliche Tätigkeit war ein versicherter Schaden, dessen Ausgleich die Leistung der Klägerin diente. Die Mandanten dürfen die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge nicht aufgrund eines Quotenvorrechts dafür einsetzen, um die von der Klägerin nicht übernommenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Einholung der Deckungszusage abzudecken. Dieser Schaden ist nicht kongruent mit dem versicherten Risiko. Die namens der Mandanten erklärte Aufrechnung ist schon deshalb unwirksam, weil diese nicht Schuldner der geltend gemachten Forderung sind.

Praxistipp: Eine Aufrechnung mit offenen Vergütungsforderungen gegen die Mandanten ist in der in Rede stehenden Konstellation nach Maßgabe von § 406 und § 407 BGB möglich. Im Streitfall schied diese Möglichkeit aus, weil die Mandanten die gesamte Vergütung bereits bezahlt hatten.

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Diese Woche geht es um die Organisations- und Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts beim Versand von Schriftsätzen über beA.

Eingang eines über beA eingereichten Dokuments
Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20

Mit der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf geltend. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Beklagte legte fristgerecht Berufung ein. Nach Ablauf der Frist für die Begründung des Rechtsmittels wies das OLG darauf hin, dass eine Begründung nicht eingegangen sei. Die Klägerin beantragte Wiedereinsetzung und machte geltend, die dafür zuständige Fachangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe die Begründung am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt. Bei der durch Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Überprüfung hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen seien Fehler nicht zu erkennen gewesen. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil alle relevanten Rechtsfragen bereits geklärt sind.

Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten beA-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass die vor Fristablauf versandte Nachricht mit der Berufungsbegründung zwar an den Rechner der Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt, von dort aber nicht an den Empfangsrechner des OLG, den so genannten Intermediär, weitergeleitet worden ist. Der BGH hat bereits entschieden, dass der Eingang auf dem für das Gericht bestimmten Intermediär ausreichend, aber auch erforderlich ist (MDR 2020, 1272).

Ebenfalls zu Recht hat das OLG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Ein Rechtsanwalt muss seine mit dem Versand von Dokumenten über beA betrauten Mitarbeiter anweisen, nach dem Versand zu überprüfen, ob die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Dies hat das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden (NJW 2019, 2793). Eine solche Überprüfung war in der im Streitfall maßgeblichen Arbeitsanweisung nicht vorgeschrieben. Wäre sie erfolgt, so wäre der Übermittlungsfehler zu Tage getreten.

Praxistipp: Im beA gibt es zusätzlich zu der Eingangsbestätigung auch ein Prüfprotokoll und ein Übermittlungsprotokoll. Aus diesen Protokollen können zwar bestimmte Fehler ersichtlich sein. Hinreichende Sicherheit, dass die Nachricht beim Gericht eingegangen ist, liefert aber nur die Eingangsbestätigung. Wo diese zu finden ist, wird erläutert im beA-Newsletter 31/2019.

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Diese Woche geht es um eine erbrechtliche Fragestellung.

Grabpflegekosten und Pflichtteil
Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20

Mit der Berechnung des Zusatzpflichtteils nach § 2305 BGB befasst sich der IV. Zivilsenat.

Die im Jahr 1931 geborene und im Jahr 2017 verstorbene Erblasserin hat den Kläger, den sie im Jahr 1981 adoptiert hatte, in einem eigenhändigen Testament zusammen mit sechs weiteren Personen als Erben eingesetzt. Dem Kläger ist ein Anteil von 5 % zugedacht; die Summe der zugedachten Anteile beträgt 55 %. Ferner hat die Erblasserin angeordnet, dass aus dem Nachlass für zwanzig Jahre die Kosten der Grabpflege zu tragen sind. Der Bruttowert des Nachlasses beträgt rund 16.000 Euro, die unstreitigen Nachlassverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 6.300 Euro, die Grabpflegekosten nach den Feststellungen des LG auf rund 9.500 Euro. Nach Abzug dieser Kosten verblieben für alle Erben zusammen also rund 200 Euro. Der Kläger, der bei gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe gewesen wäre, verlangt einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB auf der Grundlage eines Nachlasswerts von rund 9.700 Euro, also ohne Abzug der Grabpflegekosten. Seine ursprünglich (unter Anrechnung eines bereits erhaltenen Betrags von 800 Euro) auf Zahlung von rund 3.600 Euro und in zweiter Instanz zuletzt auf Zahlung von rund 6.300 Euro gerichtete Klage ist vor dem AG und dem LG erfolglos geblieben.

Die auf Zahlung von 3.200 Euro gerichtete Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Zu den vom Erben gemäß § 1968 BGB zu tragenden Beerdigungskosten nur die Kosten des Bestattungsakts. Dieser findet seinen Abschluss mit der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die Kosten für das Grabmal und für Pflege und Instandsetzung des Grabs hat der Erbe zivilrechtlich nicht zu tragen. Insoweit kann er allenfalls nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet sein.

Die testamentarischen Erben sind allerdings aufgrund der Anordnung der Erblasserin, die als Auflage im Sinne von § 1940 BGB zu qualifizieren ist, zur Tragung der Grabpflegekosten verpflichtet. Als testamentarischer Erbe erhält der Kläger deshalb nur einen Anteil des nach Abzug der Grabpflegekosten verbleibenden Restbetrags von rund 200 Euro. Der Anteil des Klägers daran beträgt 9,09 % (ein Elftel). Dem Kläger sind im Testament zwar nur 5 % zugewandt worden. Da die Erblasserin insgesamt nur 55 % zugeteilt hat und ihr Testament dahin auszulegen ist, dass nur die darin genannten Personen Erben sein sollen, sind die einzelnen Anteile aber entsprechend zu erhöhen.

Zusätzlich zu diesem testamentarischen Erbteil von rund 20 Euro steht dem Kläger gemäß § 2305 BGB ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 40,91 % des Nachlasses (die Differenz zwischen dem Pflichtteil von 50 % und dem testamentarisch zugedachten Anteil von 9,09 %) zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Nachlasswert insoweit ohne Abzug der Grabpflegekosten anzusetzen. Die Auflage im Testament ist nicht zu berücksichtigen, weil ein Pflichtteilsanspruch durch Auflagen nicht geschmälert werden darf. Dem Kläger stehen damit rund 4.000 Euro abzüglich der bereits erhaltenen 800 Euro zu.

Eine abschließende Entscheidung ist dem BGH nicht möglich, weil die Beklagten hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines der Erblasser gehörenden Nerzmantels aufgerechnet haben.

Praxistipp: Will der Erblasser auch gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten sicherstellen, dass die Grabpflegekosten aus dem Nachlass gezahlt werden, muss er bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag schließen. Die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen gehören nach § 1967 Abs. 2 BGB zu den Nachlassverbindlichkeiten.

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Diese Woche geht um Fragen des Verbrauchsgüterkaufs.

Kostenvorschuss beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 191/19

Mit den Voraussetzungen und Wirkungen eines Verbrauchsgüterkaufs befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger betrieb bis Juli 2012 eine Tischlerei und stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die mit Hölzern handelt. Anfang 2012 bestellte er bei einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten Brettschichtholz zur Sanierung der Terrasse seines neben der Tischlerei gelegenen Privathauses. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Geschäftsadresse. Im Jahr 2015 beanstandete der Kläger Risse an den Leimfugen, die nach seiner Auffassung auf einer nicht der erforderlichen Nutzungsklasse entsprechende Verleimung beruhen. Die Beklagte machte geltend, das bestellte und gelieferte Holz entspreche dem üblichen Standard. Die auf Zahlung eines Vorschusses für Ausbau und Entsorgung der verbauten Hölzer und für Lieferung und Einbau neuer Hölzer gerichtete Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für den Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit hindeuten. Im Streitfall war der Kläger zwar Gewerbetreibender. Der in Rede stehende Vertrag war aber auf die Anschaffung von Hölzern für private Zwecke gerichtet. Dies war dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten nach den Feststellungen des OLG bekannt oder zumindest erkennbar. Deshalb liegt ein Verbrauchergeschäft vor.

Die Ansprüche sind nicht verjährt. Maßgeblich ist die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB. Die Hölzer sind für den Bau der Terrasse und damit für ein Bauwerk verwendet worden. Dies ist eine übliche Verwendungsweise im Sinne der genannten Vorschrift, weil Holz zu den Materialien gehört, die für ein Bauwerk eingesetzt werden. Ob die bestellten und gelieferten Hölzer für diesen Zweck geeignet waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Im neu eröffneten Berufungsrechtszug wird das OLG Feststellungen zur Höhe des Anspruchs treffen müssen. Ein Anspruch auf Vorschuss für die Beschaffung neuer Hölzer ist allerdings schon dem Grunde nach ausgeschlossen. Anders als ein Mieter oder ein Besteller eines Werks ist ein Käufer grundsätzlich nicht berechtigt, einen Mangel auf Kosten des Verkäufers selbst zu beseitigen. Eine Ausnahme gilt nur für Einbau- und Ausbaukosten, für die § 439 Abs. 3 BGB in der seit 1.1.2018 geltenden Fassung einen Ersatzanspruch vorsieht. Nach der für den Streitfall noch maßgeblichen früheren Rechtslage besteht ein solcher Anspruch, wenn der Verkäufer den Aus- und Einbau wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigern darf. Der Kläger wird im Ergebnis also nur einen Teil dieser Kosten ersetzt verlangen können.

Praxistipp: Ersatz der Kosten für die Beschaffung einer mangelfreien Sache kann der Käufer verlangen, wenn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 ff. BGB erfüllt sind.

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Diese Woche geht um einen Fall der Staatshaftung, der möglicherweise nicht so ungewöhnlich ist, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.

Beratungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung
Urteil vom 11. März 2021 – III ZR 27/20

Mit der Pflicht zum Hinweis auf eher überraschende Gestaltungsmöglichkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung befasst sich der III. Zivilsenat.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin, die schwerbehindert ist, erhielt im Januar 2014 eine Rentenauskunft, nach der die zu erwartende Rente auf der Basis der bisherigen Beiträge rund 922 Euro und bei Weiterzahlung der bisherigen Beiträge bis zur Regelaltersgrenze im April 2016 rund 985 Euro betrug. In einem persönlichen Beratungstermin bei dem beklagten Rentenversicherungsträger überreichte der Berater eine als unverbindlich bezeichnete Probeberechnung, nach der bei einem Rentenbeginn am 1. Juli 2014 eine monatliche Rente von rund 935 Euro zu erwarten war. Auf Antrag der Klägerin vom 15. Juli 2014 bewilligte die Beklagte eine monatliche Altersrente ab 1. Dezember 2014 in Höhe von rund 890 Euro. Grund hierfür war, dass die Kalendermonate mit vollwertigen Beiträgen aufgrund des Hinausschiebens des Rentenbeginns einen gesetzlich festgelegten Durchschnittswert überstiegen und damit die zuvor gegebenen Voraussetzungen für die Anrechnung zusätzlicher (fiktiver) Entgeltpunkte entfallen waren. Ein Widerspruch und eine Klage vor den Sozialgerichten blieben erfolglos. Die auf Zahlung der Differenz von monatlich 45 Euro gerichtete Amtshaftungsklage blieb in den ersten beiden Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war die Beklagte jedenfalls ab 15. Juli 2014 verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie weniger Rente bekommt, wenn sie erst zum 1. Dezember 2014 in Ruhestand geht. Die gesetzliche Beratungspflicht soll sicherstellen, dass die nach dem Sozialgesetzbuch bestehenden sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Hierzu muss der Rentenversicherungsträger insbesondere auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen. Entgegen der Auffassung des OLG widerspricht ein solcher Hinweis nicht dem Zweck der hier maßgeblichen Regelung, wonach zusätzliche Entgeltpunkte nur unterhalb eines bestimmten Durchschnittswerts angerechnet werden. Die Ausübung dadurch eröffneter Entscheidungsspielräume ist legitim. Der Rentenversicherungsträger darf sie deshalb nicht verschweigen.

Der Amtshaftungsanspruch scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass das Verhalten eines Beamten nicht als fahrlässig anzusehen ist, wenn ein Kollegialgericht eine Amtspflichtverletzung verneint hat. Die Beurteilung der Vorinstanzen beruht auf einer schon im Ansatz unzutreffenden Auffassung über den Zweck der maßgeblichen rentenrechtlichen Vorschriften.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahrens wird das OLG Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben. Hierbei muss es das aufgrund des späteren Rentenbeginns bezogene Arbeitseinkommen als schadensmindernd berücksichtigen.

Praxistipp: Eine Hinweispflicht dürfte in solchen Konstellationen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn die für die Rentenhöhe schädliche Planung des Versicherten für den Rentenversicherungsträger erkennbar ist.

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Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Identitätsüberprüfung nach § 12 und § 13 des Geldwäschegesetzes

Identitätsüberprüfung nach dem Geldwäschegesetz
Beschluss vom 20. April 2021 – XI ZR 511/19

Mit den Anforderungen an eine sichere Identitätsüberprüfung befasst sich der XI. Zivilsenat.

Ein zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellter Rechtsanwalt verlangt im Namen der Erben von der Beklagten die Auszahlung eines zum Nachlass gehörenden Girokontoguthabens in Höhe von rund 1.150 Euro. Die Beklagte verweigert die Auszahlung, weil der Nachlasspfleger sich nur durch eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises identifiziert hat, nicht aber durch Vorlage des Personalausweises in einer ihrer Filialen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie ab.

Die Berufung der Kläger bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht ausreicht. Notariell beglaubigte Kopien gehören nicht zu den in § 12 Abs. 1 GwG aufgeführten Dokumenten, die für die Identitätsprüfung geeignet sind. Ein hiernach geeigneter Personalausweis muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG grundsätzlich durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüft werden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG genügt auch ein sonstiges Verfahren, das ein gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist. Eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises genügt dieser Anforderung seit dem 25.06.2017 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat eine früher geltende Vorschrift, nach der ein solches Dokument ausreichend war, ersatzlos gestrichen und stattdessen die Möglichkeit eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes geschaffen.

Praxistipp: Hinweise zum Online-Ausweis gibt das Bundesministerium des Inneren unter https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/buergerinnen-und-buerger/online-ausweisen/online-ausweisen-node.html

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Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Sorgfalt beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax

Abgleich der Telefaxnumer
Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19

Mit der ordnungsgemäßen Organisation des Kanzleibetriebs bei Telefax-Sendungen an das Gericht befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die klagende Arzneimittelherstellerin streitet mit der Beklagten, einer Abnehmerin, darüber, wer von ihnen gesetzliche Preisreduzierungen im griechischen Gesundheitswesen zu tragen hat. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte am letzten Tag der Frist per Telefax Berufung ein. Das Schreiben war an das zuständige OLG adressiert, jedoch mit der Telefaxnummer des LG versehen. Dieses leitete den Schriftsatz an das OLG weiter, wo er erst einen Tag später einging. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das OLG zurück.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt ein Anwalt den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn er seinem Personal schriftlich die allgemeine organisatorische Anweisung erteilt, die in einem Schriftsatz angegebene Faxnummer des Empfangsgerichts vor dem Versand mit einem zuverlässigen Verzeichnis und nach dem Versand mit der im Sendebericht angegebenen Nummer abzugleichen.

Als zuverlässiges Verzeichnis kann auch eine Kanzleisoftware herangezogen werden, in der die Faxnummern der Gerichte hinterlegt sind und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Dokumentvorlagen, die eine automatische Übernahme der Faxnummer aus der Datenbank der Kanzleisoftware vorsehen, wenige Tage vor dem Versand geändert worden waren.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein etwaiger Fehler bei der Änderung der Dokumentvorlagen im Streitfall aber nicht relevant. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch eidesstattliche Versicherung der mit dem Versand betrauten Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass die allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die von der Software eingefügte Nummer vor dem Versand mit der Nummer abzugleichen, die aus dem letzten vom Gericht stammenden Schriftstück in der jeweiligen Akte hervorgeht, hilfsweise mit der Nummer, die auf der Internet-Seite des betreffenden Gerichts angegeben ist. Diese Anordnung war ausreichend. Wäre sie befolgt worden, wäre es zu dem aufgetretenen Fehler nicht gekommen.

Praxistipp: Die organisatorischen Vorkehrungen, um einen rechtzeitigen Versand beim zuständigen Gericht zu gewährleisten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

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Diese Woche geht es um die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments

Keine Geschäftsgebühr für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments
Urteil vom 15. April 2021 – IX ZR 143/20

Eine bislang ausdrücklich offen gelassene Frage beantwortet der IX. Zivilsenat.

Die klagenden Eheleute ließen sich vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Nach Kündigung des Mandats rechnete der Beklagte eine 1,0 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ab. Die Kläger zahlten den Rechnungsbetrag von rund 3.700 Euro. Nunmehr machen sie geltend, anstelle der Geschäftsgebühr seien nur eine Beratungsgebühr von 250 Euro und eine 0,3 Mehrgebühr für die Beauftragung durch zwei Mandanten angefallen. Ihre Klage auf Rückzahlung von rund 3.400 Euro war in zweiter Instanz erfolgreich.

Die Revision des beklagten Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Der BGH hat die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Geschäftsgebühr auslöst, bislang offen gelassen. Er verneint sie nunmehr und führt zur Begründung drei Argumente an: Mit der Anfertigung des Entwurfs wird der Rechtsanwalt nicht nach außen tätig, weil die Tätigkeit nur die Eheleute betrifft, die beide seine Mandanten sind. Er wirkt auch nicht bei der Gestaltung eines Vertrages mit, weil die Erklärungen in einem gemeinschaftlichen Testament nicht im Sinne der §§ 145 ff. BGB aufeinander bezogen sind. Eine erweiternde Auslegung des zuletzt genannten Gebührentatbestands verbietet sich, weil er Ausnahmecharakter hat.

Praxistipp: Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung fällt eine Geschäftsgebühr auch dann nicht an, wenn ein Rechtsanwalt im Auftrag von zwei Eheleuten zwei aufeinander abgestimmte Einzeltestamente entwirft.