Kabinett beschließt Gesetz zur Umsetzung der mitbestimmungsrechtlichen Regelungen der Umwandlungsrichtlinie

Das Kabinett hat am 6.7.2022 den Regierungsentwurf zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2121) über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen beschlossen.

Der Regierungsentwurf sieht wie schon der Referentenentwurf des BMAS im Wesentlichen ein neues Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG-E) sowie Änderungen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG-E) vor. Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der Umwandlungsrichtlinie sollen in einem gesonderten Gesetz, dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) umgesetzt werden. Auch hierzu hat das Kabinett am 6.7.2022 den Regierungsentwurf beschlossen (vgl. hierzu Prof. Dr. Jessica Schmidt). Die Umsetzungsfrist für beide Gesetze endet am 31.1.2023.

Inhaltlich übernimmt der Gesetzentwurf zu den mitbestimmungsrechtlichen Regelungen der Umwandlungsrichtlinie weitgehend den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1.4.2022 (hierzu ausführlich Müller-Bonanni/Jenner, AG 2022, 457). Er enthält jedoch auch einige bedeutsame Änderungen:

1. Begründung zu § 5 Nr. 3 MgFSG-E: Konkrete Betrachtungsweise

Für die Praxis besonders wichtig ist die Klarstellung in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Vorschrift des § 5 Nr. 3 MgFSG-E. Grundsätzlich unterliegt die aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehende Gesellschaft gem. § 4 MgFSG-E den Mitbestimmungsgesetzen des Mitgliedstaats, in dem diese ihren (Register-)Sitz hat. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 5 MgFSG-E vorliegt. In diesem Fall muss ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren (Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums der Arbeitnehmer etc.) eingeleitet werden, in dem das Mitbestimmungsstatut der Gesellschaft im Verhandlungswege festgelegt werden soll. Scheitern die Verhandlungen, gelangen gesetzliche Auffangregelungen über die Mitbestimmung zur Anwendung. Zur Parallelvorschrift des § 5 MgVG wurde anfänglich intensiv diskutiert, ob § 5 Nr. 3 MgVG abstrakt oder konkret zu interpretieren ist. Die Vorschrift bestimmt, dass ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren auch dann einzuleiten ist, wenn das Recht am Sitz der Gesellschaft, die aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgeht, für Arbeitnehmer die in anderen Mitgliedstaaten tätig sind, nicht den gleichen Anspruch auf Mitbestimmung vorsieht, wie sie den Arbeitnehmern im Sitzstaat zustehen. Bei einer abstrakten Lesart wäre der Tatbestand praktisch immer einschlägig, weil derzeit keine europäische Rechtsordnung Arbeitnehmer, die in anderen Mitliedstaaten tätig sind, in die Mitbestimmung einbezieht. Der Regierungsentwurf zu § 5 Nr. 3 MgFSG stellt sich nunmehr auf die Seite der inzwischen ganz herrschenden Ansicht zu § 5 Nr. 3 MgVG, die den Tatbestand nur dann anwendet, wenn die Ausgangsgesellschaft (bei Verschmelzungen: mindestens eine der beteiligten Gesellschaften) tatsächlich der Mitbestimmung unterliegt (siehe etwa Drinhausen/Keinath, AG 2010, 398, 399; Habersack in Habersack/Henssler, 4. Aufl. 2018, § 5 MgVG Rz. 6; Hohenstatt/Dzida in Henssler/Willemsen/Kalb, 10. Aufl. 2022, MgVG Rz. 8; Jacobs in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2021, Vor § 1 SEBG Rz. 56; Thüsing/Forst in Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 3. Aufl. 2022, § 5 MgVG Rz. 19). Unterliegt die Ausgangsgesellschaft nicht der Mitbestimmung, kann der grenzüberschreitende Formwechsel oder die grenzüberschreitende Spaltung ohne das aufwändige Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt werden (es sei denn, der Tatbestand der 4/5-Regelung nach § 5 Nr. 1 MgFSG-E liegt vor).

2. § 6 Abs. 2 MgFSG-E: Verfahrenseinleitende Information der vertretenen Gewerkschaften

Der Regierungsentwurf sieht nun in § 6 Abs. 2 MgFSG-E (abweichend von § 6 Abs. 2 MgVG und § 4 Abs. 2 SEBG) vor, dass die Informationen über das grenzüberschreitende Formwechsel- bzw. Spaltungsvorhaben, mit denen das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren eingeleitet wird (Arbeitnehmerzahlen, bestehende Arbeitnehmervertretungen, Mitbestimmungssituation etc.), nicht nur den Betriebsräten und Sprecherausschüssen im Unternehmen, sondern auch den im Unternehmen vertretenen (inländischen) Gewerkschaften zur Verfügung zu stellen sind. Die Änderung will augenscheinlich verhindern, dass grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen an den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften „vorbei“ umgesetzt werden.

3. § 13 MgFSG-E: Stimmgewichtete Wahl der auf das Inland entfallenden BVG-Mitglieder

Abweichend vom Referentenentwurf bestimmt § 13 MgFSG-E nun in Anlehnung an § 12 MgVG und § 10 SEBG, dass die Wahl der inländischen Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) in einer stimmgewichteten Wahl erfolgt und nicht – wie noch im Referentenentwurf vorgesehen – nach Köpfen. Das Wahlgremium, das die inländischen BVG-Mitglieder wählt, besteht aus den Mitgliedern der höchsten Arbeitnehmervertretung der ihre Rechtsform wechselnden oder sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe (§ 11 Abs. 2 MgFSG-E), wenn es sich um eine Konzernobergesellschaft handelt, also aus den Mitgliedern des Konzernbetriebsrats ansonsten aus den Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats/der Gesamtbetriebsräte oder, wo es einen solchen nicht gibt, aus den Mitgliedern des Betriebsrats/der Betriebsräte. Die Stimmenzahl der Mitglieder des Wahlgremiums richtet sich nach der Zahl der jeweils durch sie vertretenen Arbeitnehmer, wobei Arbeitnehmer betriebsratsloser Betriebe und Unternehmen den Arbeitnehmervertretungen zu gleichen Teilen zugerechnet werden. Das Prinzip der Stimmgewichtung stößt an praktische Grenzen, wenn Abstimmungen geheim durchgeführt werden sollen, was jedes Mitglied des Wahlgremiums verlangen kann. Das Problem ist seit langem bekannt, die Alternative der ursprünglich vorgesehenen Abstimmung nach Köpfen wirft jedoch mitunter Fragen hinsichtlich der demokratischen Legitimation des Abstimmungsergebnisses auf.

Als Folgeänderung der stimmgewichteten Wahl sieht § 13 Abs. 1 Satz 1 MgFSG-E (wie auch § 12 Abs. 1 Satz 1 MgVG und § 10 Abs. 1 Satz 1 SEBG) nun eine doppelte Beschlussfähigkeitsschwelle vor, wonach zwei Drittel der Wahlgremiumsmitglieder, die mindestens zwei Drittel der Arbeitnehmer vertreten, anwesend sein müssen.

4. § 21 MgFSG-E und § 19a MgVG-E: Information über das Verhandlungsergebnis statt Übermittlung einer Abschrift der Beschlussniederschrift

Die im Referentenentwurf in § 21 MgFSG-E und § 19a MgVG-E vorgesehene Übermittlung einer Abschrift der Niederschrift über die Beschlüsse des BVG (einschließlich der jeweiligen Beschlussmehrheiten) an die Arbeitnehmervertretungen, Sprecherausschüsse und im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften gibt der Regierungsentwurf auf. § 21 MgFSG-E und § 19a MgVG-E bestimmen nunmehr im Einklang mit der Umwandlungsrichtlinie, dass lediglich eine Information über das Verhandlungsergebnis zu erfolgen hat. Hierdurch wird sichergestellt, dass aus der Mitteilung keine Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten der BVG-Mitglieder gezogen werden können.

5. § 32 MgFGS-E und § 30 MgVG-E: Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren bei nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen nur, wenn in der hervorgehenden Gesellschaft eine Form der Unternehmensmitbestimmung besteht

Gemäß § 32 MgFSG-E und § 30 MgVG-E ist bei nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen, die innerhalb von vier Jahren nach Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Maßnahme stattfinden, ein (erneutes) Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen, allerdings nur dann, wie der Regierungsentwurf nun klarstellt, wenn in der Gesellschaft, die aus der grenzüberschreitenden Maßnahme hervorgeht, tatsächlich eine Form der Mitbestimmung der Arbeitnehmer besteht. Dies entspricht den Vorgaben der durch die Umwandlungsrichtlinie eingeführten Art. 86l Abs. 7, Art. 133 Abs. 7 und Art. 160l Abs. 7 GesRRL.

6. § 36 MgFSG-E: Missbrauchsverbot

Der Referentenentwurf des BMAS sah gestützt auf die Umwandlungsrichtlinie in § 36 MgFSG-E bereits eine „Missbrauchsverbotsregelung“ vor. Ein „Missbrauch“ sollte nach dem Referentenentwurf insbesondere dann vorliegen, wenn innerhalb von vier Jahren ab Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Vorhabens strukturelle Änderungen erfolgen, die bewirken, dass Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte vorenthalten oder entzogen werden.

Der Regierungsentwurf ändert § 36 Satz 2 MgFSG-E dahin gehend, dass „Missbrauch“ insbesondere dann vorliegt, wenn innerhalb von vier Jahren ab dem Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Maßnahme strukturelle Änderungen erfolgen, die bewirken, dass ein Schwellenwert der Mitbestimmungsgesetze im Sitzstaat überschritten wird oder sonst Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte vorenthalten oder entzogen werden. Unverändert geblieben ist, dass bei einem Verstoß gegen das „Missbrauchsverbot“ Verhandlungen über den Mitbestimmungsstatus der Gesellschaft zu führen sind, bei deren Scheitern die §§ 25 bis 30 MgFSG über die Mitbestimmung kraft Gesetzes anzuwenden sind. Gemeint ist dabei offenbar, dass die Auffangregelungen unter Zugrundlegung der Verhältnisse im Zeitpunkt der strukturellen Änderung anzuwenden sind, was in den Fällen der Überschreitung mitbestimmungsrechtlicher Schwellenwerte darauf hinausläuft, dass die Gesellschaft fortan der Mitbestimmung unterliegt.

Der Begriff des „Missbrauchs“ erscheint in diesem Kontext deplatziert, weil ein Anwachsen der Arbeitnehmerzahl, zumal innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren, für sich genommen nicht missbräuchlich ist. Es erscheint auch zweifelhaft, ob die Regelung durch die Richtlinie gedeckt ist, da der nationale Gesetzgeber das durch die Umwandlungsrichtlinie vorgegebene sog. Vorher-/Nachher-Prinzip aufweicht. Das Vorher-/Nachher-Prinzip schützt den im Zeitpunkt der grenzüberschreitenden Maßnahme bestehenden mitbestimmungsrechtlichen status quo, nicht aber potentielle Mitbestimmungszuwächse (vgl. zum SE-Recht Uffmann, AG 2022, 427, 436).

Immerhin betont aber die Entwurfsbegründung, dass mit einem „Missbrauch“ i.S.d. § 36 Satz 2 MgFSG-E keine strafrechtliche Sanktion verknüpft ist.

BMJ veröffentlicht RefE GbR-Gesellschaftsregisterverordnung (GesRV)

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 23.6.2022 den Referentenentwurf zur „Verordnung über die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters (Gesellschaftsregisterverordnung – GesRV)“ veröffentlicht. Dieses legislative Vorhaben der Bundesregierung ist das verfahrensrechtliche Pendant zur Einführung des Gesellschaftsregisters für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) vom 10.8.2021 (BGBl. I 2021, 3436) zum 1.1.2024. Die Regelungskompetenz des BMJ zum Erlass der GesRV mit Zustimmung des Bundesrats ergibt sich aus § 387 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 1 Abs. 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16.8.2002 (BGBl. I 2002, 3165) und dem Organisationserlass vom 8.12. 2021 (BGBl. I 2021, 5176; vgl. dazu Begr. GesRV-RefE, S. 13). Das neue GbR-Gesellschaftsregister und damit auch das durch die GesRV abgebildete Registerverfahrensrecht dienen dem Ziel, das aufseiten der GbR gegenwärtig – vor allem im Grundbuchrecht – bestehende „notorische Publizitätsdefizit“ zu beheben (vgl. dazu Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 101 f.; Schollmeyer in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 12 Rz. 1 f.). Der RefE zur GesRV geht konform mit dem Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung i.S.d. Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (Begr. GesRV-RefE, S. 13 f.). Die Möglichkeit der GbR zur Eintragung in ein mit Publizitätswirkung ausgestattetes öffentliches Register soll insoweit den Rechtsverkehr erleichtern und ein gewisses Maß an öffentlicher Kontrolle gewährleisten (Begr. GesRV-RefE, S. 13 f.). Die GesRV leistet dadurch nach Auffassung des Verordnungsgebers einen Beitrag zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, fördert die Durchsetzung des Rechts und stärkt dadurch insgesamt den sozialen Zusammenhalt i.S.d. Management-Regel Nr. 10 der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Begr. GesRV-RefE, S. 13 f.; Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 101, 114). So gilt auch § 20 GWG (Geldwäschegesetz) für die eGbR.

Eintragungsoption versus Voreintragungsprinzip im Grundbuchrecht und bei Aufnahme in die GmbH-Gesellschafterliste

Nach § 707 Abs. 1 BGB n.F. können die Gesellschafter die GbR bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anmelden. Mit der Eintragung ist die GbR nach § 707a Abs. 2 BGB n.F. verpflichtet, als Namenszusatz die Bezeichnung „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. In das Gesellschaftsregister eingetragen wird gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 GesRV-RefE der Rechtsformzusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (vgl. dazu Begr. GesRV-RefE, S. 17). Für die Erlangung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Alt. 1 BGB n.F. ist die Registereintragung nicht erforderlich; die Registrierung hat also insoweit nur deklaratorischen Charakter (vgl. Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 128). Ein faktischer Zwang zur Eintragung in das Gesellschaftsregister (Eintragungsobliegenheit) besteht aber, sofern die GbR die Eintragung als Inhaberin eines Rechts in ein Subjekt- oder Objektregister anstrebt und das für dieses Register geltende Recht eine Voreintragung der GbR im „eigenen“ Gesellschaftsregister verlangt (vgl. dazu Hermanns in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 2 Rz. 2). Dieses Voreintragungsprinzip gilt insbesondere gem. § 47 Abs. 2 GBO n.F. für Grundbucheintragungen und gem. § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG für Eintragungen in die GmbH-Gesellschafterliste.

Auch die Eintragung einer GbR als Gesellschafterin einer anderen, nach § 707 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. §§ 2 ff. GesRV-RefE eingetragenen GbR setzt die eigene Voreintragung im Gesellschaftsregister voraus (§ 707a Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. i.V.m. § 3 Abs. 2 GesRV-RefE). Die Regelung des § 3 Abs. 2 GesRV-RefE stellt insoweit klar, dass die fehlende Voreintragung der Gesellschafter-Gesellschaft ein Eintragungshindernis darstellt (Begr. GesRV-RefE, S. 16). Vermieden werden sollen hier Publizitätsdefizite bei mehrgliedriger Beteiligung einer GbR an einer anderen GbR (Begr. GesRV-RefE, S. 16). Dass die Regelung des § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. als Soll-Vorschrift konfiguriert ist, bedeutet nur, dass eine Eintragung der GbR als Gesellschafterin einer anderen GbR unter Verstoß gegen das Voreintragungsprinzip die Wirksamkeit der Eintragung unberührt lässt (Begr. GesRV-RefE, S. 16). § 707a Abs. 1 Satz 2 gilt über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB n.F. auch für die Beteiligung einer GbR an einer OHG/KG.

Eintragungsinhalt und Publizität des Gesellschaftsregisters

Nach § 1 Abs. 1 GesRV-RefE ist für die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters die Handelsregisterverordnung (HRV) entsprechend anwendbar, soweit in der GesRV-RefE nichts anderes bestimmt ist. Hierzu wird die GbR nach § 1 Abs. 2 GesRV-RefE der OHG i.S.d. HRV weitgehend gleichgestellt. An die Stelle der Firma der OHG tritt gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 GesRV-RefE der Name der GbR und an die Stelle der persönlich haftenden Gesellschafter der OHG treten die Gesellschafter der GbR (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 GesRV-RefE). Der Inhalt der Eintragung richtet sich nach §§ 707 Abs. 2, 707a Abs. 1 Satz 1 BGB n.F i.V.m. § 4 GesRV-RefE. Danach sind insbesondere der Name und der Sitz der GbR sowie ihre Gesellschafter mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort einzutragen, soweit es sich um natürliche Personen handelt. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GesRV-RefE ist in Spalte 3 des Gesellschaftsregisters unter Buchstabe a die „allgemeine Regelung zur Vertretung der Gesellschaft durch die Gesellschafter“ einzutragen. Registrierungspflichtig ist insoweit also gerade der Fall, in dem die Vertretung nicht durch Gesellschaftsvertrag abweichend von der gesetzlichen Gesamtvertretungsbefugnis nach § 720 Abs. 1 BGB n.F. geregelt ist (Begr. GesRV-RefE, S. 18; Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 131). Diese gesetzeswiederholende Eintragung dient der „Nutzerfreundlichkeit des Registers“ und stimmt überein mit der tradierten sowie bewährten handelsregisterrechtlichen Praxis (vgl. dazu Begr. GesRV-RefE, S. 18). Aus dem Gesellschaftsregister soll jederzeit ohne Weiteres ersichtlich sein, wer die eGbR vertritt (Begr. GesRV-RefE, S. 18). Eine von der dispositiven gesetzlichen Gesamtvertretung nach § 720 Abs. 1 BGB n.F. abweichende gesellschaftsvertragliche Vertretungsregelung ist nach § 4 Abs. 3 Satz 4 GesRV-RefE in Spalte 3 des Gesellschaftsregisters zu vermerken. Insoweit besteht Übereinstimmung mit § 5 Abs. 3 Satz 4 Partnerschaftsregisterverordnung (PRV) und § 40 Nr. 3 Buchstabe b Satz 2 HRV n.F. Die Eintragung in das Gesellschaftsregister lässt gem. § 707a Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. die Pflicht unberührt, die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 106 Abs. 1 HGB). Bei Abweichungen des Registerinhalts von der Lage nach materiellem Recht ist die Regelung des § 15 HGB über die Publizität des Handelsregisters gem. § 707a Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass ein Fehlen der Kaufmannseigenschaft nicht an der Publizität des Gesellschaftsregisters teilnimmt.

Registerverfahren bei Statuswechsel – insbesondere von der GbR zur GmbH & Co. KG

Bedeutender und zugleich komplexer Bestandteil des neuen Registerrechts der GbR ist der Statuswechsel. Bei einem Statuswechsel handelt es sich gem. § 707c Abs. 1 BGB n.F. um die Eintragung einer bereits in einem Register eingetragenen Personengesellschaft in ein anderes Register unter einer anderen Rechtsform einer rechtsfähigen Personengesellschaft.

Dieser Statuswechsel von einer Rechtsform des Personengesellschaftsrechts zu einer anderen ist strikt zu trennen von Umwandlungen nach dem UmwG (vgl. dazu Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 136 f.; Schollmeyer in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 12 Rz. 50). Am Statuswechsel beteiligt sind die rechtsformwechselnde Personengesellschaft, das Ausgangsgericht (abgebendes Register) und das Zielgericht (aufnehmendes Register; vgl. zur Terminologie Begr. GesRV-RefE, S. 25 ff.). Begrifflich gleichbedeutend sind – insbesondere in der täglichen Registerkorrespondenz – die Abbreviaturen „Ausgangsregister“ und „Zielregister“.

Große praktische Relevanz hat der Statuswechsel von der Rechtsform der eGbR oder der PartG zur GmbH & Co. KG; der vor allem für die eGbR auch bei einem Erbfall nach § 724 Abs. 1 BGB n.F. im Raum steht. Im Rahmen eines Statuswechsels von der eGbR zur KG können – wie sich auch aus § 106 Abs. 4 Satz 3 HGB n.F. ergibt – eine GmbH als Komplementärin beitreten und alle bisherigen Gesellschafter als Kommanditisten eingetragen werden (Begr. GesRV-RefE, S. 23; Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 138). Die Begrenzung der Haftung der Kommanditisten für Altverbindlichkeiten regelt dann § 707c Abs. 5 BGB n.F. Gem. § 106 Abs. 3 HGB n.F. muss, wenn die Personengesellschaft im Gesellschaftsregister oder im Partnerschaftsregister eingetragen ist, die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister – abweichend von § 106 Abs. 1 HGB n.F. – im Wege eines Statuswechsels beim Ausgangsregister und nicht beim Handelsregister als Zielregister erfolgen. Im Falle eines Statuswechsels von der eGbR zur GmbH & Co. KG muss daher gem. § 707c Abs. 1 BGB n.F. die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister beim Gesellschaftsregister im Wege des Statuswechsels erfolgen. Nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GesRV-RefE i.V.m. § 707c Abs. 2 BGB n.F. trägt dann das Gesellschaftsregistergericht in Spalte 4 des Gesellschaftsregisters den Statuswechsel ein. Diese Eintragung ist gem. § 707c Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. mit dem Vermerk zu versehen, dass die Eintragung erst mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wirksam wird, sofern die Eintragung im Zielregister nicht am selben Tag erfolgt. Sodann gibt das Gesellschaftsregister als Ausgangsgericht das Verfahren gem. § 707c Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. von Amts wegen an das Handelsregister als Zielgericht ab. Nach Vollzug des Statuswechsels durch Eintragung als GmbH & Co. KG in das Handelsregister teilt dieses Zielgericht gem. § 106 Abs. 5 Satz 3 HGB n.F. dem Gesellschaftsregister den Tag der Eintragung der GmbH & Co. KG in das Handelsregister und die neue Registernummer von Amts wegen mit. Das Gesellschaftsregister trägt dann als Ausgangsgericht nach § 707c Abs. 2 Satz 4 BGB n.F. den Tag der Handelsregistereintragung in das Gesellschaftsregister ein.

Registerrecht für den nicht eingetragenen Verein

Für den nicht staatlich konzessionierten wirtschaftlichen Verein enthält der RefE zur GesRV keine Sonderregelung. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. sind für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt haben, die Vorschriften über die Gesellschaft entsprechend anzuwenden. Bei Fehlen eines Handelsgewerbes i.S.d. § 105 Abs. 1 HGB n.F. ist also das neue Recht der GbR „entsprechend anzuwenden“. Daraus folgt auch die Möglichkeit der Eintragung in das Gesellschaftsregister nach § 707 Abs. 1 BGB n.F. Da § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. nur eine entsprechende Anwendung des Rechts der GbR anordnet, ist der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein rechtlich nicht als Gesellschaft zu klassifizieren; er bleibt vielmehr Verein (vgl. Wertenbruch in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rz. 8 ff.). § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GesRV-RefE sind daher im Falle der Eintragung eines nicht konzessionierten wirtschaftlichen Vereins in das Gesellschaftsregister so zu verstehen, dass dessen Name und Sitz einzutragen ist. Anstelle des Zusatzes „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GesRV-RefE) ist der Rechtsformzusatz „wirtschaftlicher Verein ohne Rechtspersönlichkeit“ einzutragen. Auch dies folgt unmittelbar aus der von § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. angeordneten entsprechenden Anwendung des GbR-Rechts für den Fall, dass kein Handelsgewerbe gegeben ist. Soweit in Bezug auf ein anderes Register das Voreintragungsprinzip gilt, muss der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein sich in das Gesellschaftsregister eintragen lassen. Praktische Bedeutung hat dies aufgrund des Voreintragungsprinzips des § 47 Abs. 2 GBO n.F. für Grundbucheintragungen (Wertenbruch in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rz. 18).

Keine Anwendung findet die GesRV auf den nicht in das Vereinsregister eingetragenen Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit. Für diesen Verein gilt nicht das Recht der Gesellschaft, sondern gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. das Recht des eingetragenen Vereins (§§ 24-53 BGB) entsprechend (vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rz. 5 ff.). Es gilt also grundsätzlich eine Gleichstellung mit dem eingetragenen Idealverein als juristische Person. Der Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit ist daher auch in den Fällen, in denen gem. § 47 Abs. 2 GBO n.F. für eine GbR – und gem. § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. auch für den nicht konzessionierten wirtschaftlichen Verein ohne Rechtspersönlichkeit – das Voreintragungsprinzip gilt, wie ein eingetragener Idealverein ohne Weiteres grundbuchfähig (vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rz. 14 ff.). Er kann also unter dem eigenen Namen ohne Eintragung der Vereinsmitglieder in das Vereinsregister eingetragen werden (Wertenbruch in Schäfer [Hrsg.], Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rz. 14 ff.). Das in Bezug auf Grundbucheintragungen bestehende Publizitätsdefizit rechtfertigt keine Anwendung des Rechts der GbR (einschließlich GesRV) im Rahmen einer analogen Anwendung des § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. Eine Verpflichtung des nicht eingetragenen Idealvereins zur Eintragung in das Vereinsregister zum Zwecke der Beseitigung von Publizitätsdefiziten begründet auch das MoPeG nicht.

Eintragungsfreiheit und Publizitätserwartungen des Rechtsverkehrs

Soweit nicht in Bezug auf die Eintragung der GbR als Inhaberin eines Rechts in ein anderes Register das Voreintragungsprinzip und damit eine Eintragungsobliegenheit Platz greift, steht es den Gesellschaftern zwar nach § 707 Abs. 1 BGB n.F. grundsätzlich frei, ob sie ihre Gesellschaft nach Maßgabe der GesRV in das Gesellschaftsregister eintragen lassen. Es stellt sich aber die Frage, ob der Rechts- und Geschäftsverkehr und damit insbesondere die potentiellen Vertragspartner eine fehlende Eintragung akzeptieren. Dies gilt vor allem für Banken und Sparkassen bezüglich der Eröffnung und Führung eines Girokontos. Denn die im RefE zur GesRV geregelte Publizität von Gesellschaftssitz, Personalien der persönlich haftenden Gesellschafter sowie der Vertretungsverhältnisse ist nicht vorhanden, obwohl die Registrierung mit einem überschaubaren Aufwand realisiert werden kann.

Im Falle einer nicht vorliegenden Eintragung der GbR laufen ihre Geschäftspartner vor allem Gefahr, dass wegen des nach § 720 Abs. 1 BGB n.F. grundsätzlich geltenden Prinzips der Gesamtvertretung nicht alle Gesellschafter beteiligt werden, sodass die GbR in Wirklichkeit gar nicht verpflichtet wird. Die persönliche Gesellschafterhaftung nach § 721 BGB n.F. für Verbindlichkeiten der GbR kann nur schwer realisiert werden, wenn die Gesellschafter nicht nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a i.V.m. Satz 2 GesRV-RefE im Gesellschaftsregister eingetragen sind. Probleme bei der Klageerhebung nach § 253 ZPO kommen hinzu. Dass Banken und Sparkassen sowie sonstige potentielle Vertragspartner bei der Geschäftsanbahnung mit einer GbR den Sinn einer Eintragung im Gesellschaftsregister, insbesondere im Hinblick auf den Eintragungszweck in Gestalt der Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, wesentlich geringer valutieren als das BMJ als Verordnungsgeber (vgl. dazu Begr. GesRV-RefE, S. 13 f.; Begr. Gesetzentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 101, 114), können etwaige Eintragungsskeptiker aufseiten der GbR eigentlich nicht erwarten. Vielmehr kann das Image einer GbR durch eine Unterlassung der Eintragung schnell eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung erfahren.

Rechtsform der GmbH & Co. KG ab 1.8.2022 für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt zwar nach Art. 137 ganz überwiegend erst am 1.1.2024 in Kraft (BGBl. I 2021, 3436). Dies gilt auch für die an die Freien Berufe adressierte Öffnungsregelung des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F., nach der durch konstitutive Handelsregistereintragung die Rechtsform der OHG und KG einschließlich GmbH & Co. KG erlangt werden kann, „soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt“. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften v. 7.7.2021 (BGBl. I 2021, 2363) wurden aber für die Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht nur die berufsrechtlichen Usancen für eine Handelsregistereintragung ab 1.1.2024 definiert. Die einschlägigen Normen des betreffenden Berufsrechts sind vielmehr darüber hinaus ab dem 1.8.2022 bis zum Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 als temporäre leges speciales anzusehen mit der Folge, dass die konstitutive Eintragung in das Handelsregister bereits ab dem 1.8.2022 erfolgen kann. Für den anwaltlichen Bereich folgt dies aus § 59b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BRAO n.F., der die Zulassung aller deutschen Gesellschaftsformen statuiert, und der zu dieser Norm veröffentlichten amtlichen Begründung (Begr. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 177; vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 24; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3981). Entsprechendes gilt auf Grundlage des § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StBerG n.F. für die Personengesellschaft der Steuerberater (Begr. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 177 i.V.m. S. 275).

Ein Stück weit diffiziler und intransparenter ist insoweit die Rechtslage bei der Wirtschaftsprüfer-Personengesellschaft. Die Öffnungsoption des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. übt hier gem. Art. 22 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften die Vorschrift des § 27 WPO n.F. aus (vgl. dazu Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 323; Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 22; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3990). Das in § 27 Abs. 2 WPO a.F. geregelte Eintragungserfordernis in Gestalt einer Treuhandtätigkeit entfällt. Die amtliche Begründung zur Änderung des § 27 WPO enthält zwar – anders als die Begründung zur Novelle von BRAO und StBerG – zur Frage der Einordnung als temporäre lex specialis vom 1.8.2022 bis zum Inkrafttreten des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB am 1.1.2024 keine Ausführungen. Die Auslegung des § 27 WPO n.F. unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs mit den parallel verabschiedeten § 59b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BRAO n.F und § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StBerG n.F. ergibt aber hinsichtlich der zeitlichen Dimension eine Übereinstimmung mit dem neuen Berufsrecht für Anwälte und Steuerberater (vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 24; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3991), sodass die konstitutive Handelsregistereintragung auch hier schon ab dem 1.8.2022 zulässig ist. Die Funktion als Scharnier zwischen Gesellschaftsrecht und Berufsrecht der Freien Berufen übernimmt § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. unisono für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer am 1.1.2024.

Mit der generellen Zulässigkeit der KG und der GmbH & Co. KG steht Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auch die Variante der Einheits-GmbH & Co. KG offen, da die berufsrechtlichen Bedingungen auch hier grundsätzlich erfüllt werden (vgl. dazu Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3979 ff.). Die Einheits-KG sichert – im Vergleich zur beteiligungsidentischen klassischen GmbH & Co. KG – schon deshalb kraft Rechtsform die von den Kommanditisten als Gründern intendierte Beteiligungsidentität, weil nur die KG als solche Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ist. Bei der beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG kann es demgegenüber im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters trotz Implementierung von darauf bezogenen gesellschaftsvertraglichen Synchronisierungsklauseln vor allem wegen der nur bei der Komplementär-GmbH nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Platz greifenden Legitimationswirkung der Gesellschafterliste zu Disparitäten kommen (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1181 Rz. 20 ff.; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3963 ff.). Die bisherige Problematik der Ausübung des Stimmrechts der KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH entschärft § 170 Abs. 2 HGB n.F. mithilfe einer partiellen gesetzlichen Vertretungsmacht der Kommanditisten (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1181 Rz. 9 ff.; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3934 ff.). Zudem besteht ein erheblicher Kostenvorteil der Einheits-GmbH & Co. KG darin, dass im Fall einer geplanten Übertragung von Beteiligungen an dieser KG nur die Kommanditanteile nach §§ 398, 413 BGB abgetreten werden müssen, wofür keine notarielle Form vorgeschrieben ist. Bei der klassischen GmbH & Co. KG ist dagegen die Übertragung der GmbH-Geschäftsanteile ebenso wie das Kausalgeschäft beurkundungspflichtig (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG), und nach den Grundsätzen über das einheitliche Beurkundungsgeschäft erfasst dieser Formzwang dann regelmäßig auch eine synchrone Übertragung der Kommanditanteile (vgl. dazu Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3960 ff.). Im Fall der Neugründung einer Einheits-GmbH & Co. KG ist das Übertragungsmodell (Gründung der Komplementär-GmbH durch die späteren Kommanditisten und Übertragung der Geschäftsanteile auf die KG nach deren Gründung) gegenüber dem Beteiligungsmodell vorzugswürdig (vgl. Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3934 ff.). Wesentlicher und komplexer Regelungsgegenstand des Gesellschaftsvertrags der Einheits-GmbH & Co. KG ist die transparente Trennung der Stimmrechtsausübung und der Beschlussfassungen in den beiden Gesellschafterversammlungen (vgl. zum Aufbau und zum Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Einheitsgesellschaft Heckschen in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, Verträge und Formulare, M 60).

Die Rechtsform der PartG mbB steht den Freien Berufen zwar weiterhin als Rechtsformalternative zur Wahl. Der Ausschluss der persönlichen Gesellschafterhaftung kommt hier aber nur für Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Zuge, die auf Fehlern bei der Berufsausübung beruhen. Insbesondere für Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen und Mietverträgen wird demgegenüber vollumfänglich persönlich gehaftet. Die PartG ist daher im Bereich des Gesellschaftsrechts der Freien Berufe trotz einiger legislatorischer Nachbesserungen nie so richtig Avantgarde gewesen.

New Kid in Town: Was bringt die größte Reform des Umwandlungsrechts?

Das Gesellschaftsrecht gilt mitunter als das „hottest game in town“ (Buxbaum, 18 Del. J. Corp. L. 867, 868 [1993]). Geht man von dieser These aus, stellt das Umwandlungsrecht ein ganz besonderes Viertel dieser Stadt dar, das wiederum einen jungen und modernen Block beheimatet: das grenzüberschreitende Umwandlungsrecht. Hier bewegt sich in den letzten Jahrzehnten mehr als sonst irgendwo im Stadtgebiet. Das Umwandlungsrecht wurde in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Bereichen harmonisiert und erfuhr einige Kodifikationen (ausführlich Heckschen/Knaier – erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 2-9). Triebfeder für europäische Richtlinien war dabei oftmals auch der EuGH und dessen Interpretation der Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV. Jüngstes Legislativprojekt auf EU-Ebene ist hierbei die Umwandlungsrichtlinie. Diese gilt es bis zum 31.1.2023 in mitgliedstaatliches Recht umzusetzen. Hierfür liegt nun ein Referentenentwurf vor.

Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, mein Block

Dieses New Kid in Town bringt frischen Wind in das Umwandlungsrecht, in vielerlei Hinsicht. Der UmRUG-RefE setzt in erster Linie die Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie um und schafft für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel unter Beteiligung von AG, KGaA und GmbH ein rechtssicheres unionsweit kompatibles Verfahren, bei dem die beteiligten Handelsregister digital miteinander kommunizieren. Damit einher gehen weitere Änderungen des UmwG, die teilweise auch für nationale Umwandlungsvorgänge innerhalb Deutschlands gelten. Zudem wird das Spruchverfahrensgesetz reformiert, um das Verfahren zu beschleunigen, ohne dabei die Rechte der Beteiligten zu beschneiden. Strukturell wird sich künftig das Sechste Buch mit grenzüberschreitenden Umwandlungen befassen, während das bisherige Sechste Buch und das Siebte Buch ein Buch nach hinten rücken. Die §§ 305–319 UmRUG-RefE behandeln die grenzüberschreitende Verschmelzung, die §§ 320–332 UmRUG-RefE die grenzüberschreitende Spaltung und die §§ 333–345 UmRUG-RefE den grenzüberschreitenden Formwechsel.

Das gesamte Stadtbild des Viertels wird also umgestaltet. Erfreulicherweise bleibt man hierbei jedoch authentisch, denn der Referentenentwurf nutzt den Begriff „grenzüberschreitender Formwechsel“ und entspricht damit der hergebrachten deutschen Begriffsverwendung anstatt auf die für diesen Vorgang in der deutschen Fassung der Umwandlungsrichtlinie verwendete Bezeichnung „grenzüberschreitende Umwandlung“ zurückzugreifen, da letztere nach deutschem Verständnis einen Oberbegriff für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel bildet (Begr. UmRUG-RefE, S. 52).

Alte Bausubstanz und neues Leben

Aber nur weil das Viertel moderner wird, muss man nicht alles abreißen. Die Umsetzung soll unter möglichst weitgehender Wahrung der Grundsätze und Systematik des deutschen Umwandlungsrechts erfolgen (Begr. UmRUG-RefE, S. 52). Dementsprechend nutzt der Referentenentwurf auch die baukastenartige Verweisungstechnik, die dem UmwG inne wohnt. Nach §§ 305 Abs. 2, 320 Abs. 2 bzw. 333 Abs. 2 UmRUG-Ref-E gelten für die grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen die für das innerstaatliche Pendant geltenden Regeln entsprechend, insoweit sich aus den Sonderregelungen für die jeweilige grenzüberschreitende Variante nichts anderes ergibt (dazu J. Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr [Teil 1] – erscheint in NZG 13/2022, 579).

Wenn man aber schon renoviert, kann man dabei auch gleich Risse und Fehler an der in die Jahre gekommenen Bausubstanz beseitigen. Der nationale Gesetzgeber sollte entsprechend dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf jeweils überprüfen, inwieweit Vorschriften, die für transnationale Umwandlungen gem. §§ 305 ff. UmRUG-RefE gelten, nicht auch für rein nationale Umwandlungen Anwendung finden. Hier gilt es zu beachten, dass die beteiligten Rechtsträger sehr einfach durch Einbeziehung eines ausländischen Rechtsträgers mit Sitz in der EU/EWR aus einem nationalen Umwandlungsvorgang in einen grenzüberschreitenden Verschmelzungs- oder Spaltungsvorgang wechseln können. Weiterhin ist es sinnvoll, Redaktionsversehen und Unstimmigkeiten des nationalen Umwandlungsrechts (vgl. u.a. §§ 125 S. 1, 142 Abs. 1 UmwG) zu beseitigen. Das UmRUG will auch aus diesem Grund tief in das nationale Umwandlungsrecht (vgl. insbesondere §§ 14, 15 UmRUG-RefE) eingreifen.

Nicht ohne mein Team

Egal wie lebenswert, hip oder im Trend ein Viertel auch erscheinen mag, wäre es doch nichts ohne die Personen die es ausmachen. Und diese müssen sich sicher und wohl fühlen, sodass aus einem Inbezirk keine No-go-Area wird. Dementsprechend geht mit dem UmRUG-RefE auch ein umfassendes Konzept zum Schutz der an den Umwandlungsmaßnahmen beteiligten Stakeholder einher (dazu ausführlich Heckschen/Knaier – erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 21-27).

Der Gläubigerschutz (dazu ausführlich Heckschen/Knaier – erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 21-25) wird sowohl bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung als auch bei der grenzüberschreitenden Spaltung und dem grenzüberschreitenden Formwechsel an mehreren Stellen des Verfahrens berücksichtigt. Im Mittelpunkt steht der Bericht des unabhängigen Sachverständigen, der ohnehin für jede Umwandlung erstellt werden muss – zumindest zur Prüfung der Barabfindung, bei Verschmelzung und Spaltung auch zur Prüfung des Umtauschverhältnisses. Gläubiger können wie bisher Sicherheiten verlangen, wenn sie Forderungen haben, die vor Offenlegung der Verschmelzung bestanden, aber nicht fällig waren. Doch kein Städtebau ohne Diskussion: Wie kann man in diesem Zusammenhang einen Missbrauch der Gläubigerrechte verhindern? Eine überzeugende Lösung für die Problematik ist in der Literatur bisher noch nicht gefunden worden. Diese könnte möglicherweise in der Eröffnung eines Verfahrens analog § 16 Abs. 3 und 6 UmwG bestehen.

Zentrales Instrument des Schutzes der Minderheitsgesellschafter (dazu ausführlich Heckschen/Knaier – erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 26) ist das Austrittsrecht gegen Barabfindung. Die §§ 313 Abs. 2 (grenzüberschreitende Verschmelzung und über Verweis in § 327 auch für grenzüberschreitende Spaltung), 340 Abs. 2 (grenzüberschreitender Formwechsel) regeln im UmRUG-RefE das Austrittsrecht gegen Barabfindung. Demnach muss der Anteilsinhaber, der eine Annahme des Barabfindungsangebots beabsichtigt, diese Absicht zunächst dem Unternehmen binnen einer Frist von einem Monat nach der Anteilseignerversammlung kundtun. Dies bedeutet noch keine Annahme des Angebots. Diese Erklärung ist auch elektronisch möglich und bedarf selbst dann, wenn es sich beim betroffenen Unternehmen um eine GmbH handelt, nicht der notariellen Beurkundung. In einem zweiten Schritt allerdings muss dann das Angebot binnen weiterer zwei Monate förmlich angenommen werden. Daneben tritt bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen zusätzlich ein Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses (§§ 305 Abs. 2, 15 UmRUG-RefE für die grenzüberschreitende Verschmelzung und §§ 320 Abs. 2, 125 Abs. 1 S. 1, 15 UmRUG-RefE für die grenzüberschreitende Spaltung).

Kein Bauprojekt ohne städtebauliche Diskussionen: Sowohl für grenzüberschreitende wie auch (endlich) für nationale Umwandlungen wird den Anteilseignern des Zielrechtsträgers das Spruchverfahren eröffnet. Gleichzeitig können sie die Maßnahme nicht mehr mit dem Argument angreifen, das Umtauschverhältnis sei unangemessen oder die Informationen dazu wären unzureichend. Zunächst bindet ein Spruchverfahren aber Liquidität. Teilweise wird eine sog. Ersetzungsbefugnis gewährt: anstatt Geld dürfen Aktien gewährt werden. Reicht das? Hier und bei der Ausgestaltung dieser Befugnis werden heftige Diskussionen nicht ausbleiben

Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie stärkt den Schutz der Arbeitnehmerrechte durch mehr Transparenz und Information (siehe auch J. Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr [Teil 1] – erscheint in NZG 13/2022, 579). So sind nun etwa umfassende und frühzeitige Berichtspflichten für die Arbeitnehmer vorgesehen. Gleichzeitig mit dem UmRUG-RefE wurde durch das BMAS ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (UmRUGMitbest-RefE) veröffentlicht Der UmRUGMitbest-RefE (ausführlich hierzu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! Teil II unter VI.) will zur Umsetzung der Art. 86l und 160l Gesellschaftsrechts-RL über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Spaltung und Formwechsel ein neues Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) schaffen. Soweit inhaltliche Parallelen zum SE-Recht und zur grenzüberschreitenden Verschmelzung bestehen, orientieren sich die Regelungen an bestehenden Gesetzen, dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG). Darüber hinaus wird das MgVG punktuell geändert.

Unternehmensumwandlung nur oldschool oder auch digital?

Im restlichen Gesellschaftsrechtsbezirk hallt allerorts die Digitalisierung durch die Gassen. Von der virtuellen Hauptversammlung über das DiRUG bis hin zum DiREG wird alles digitaler. Dem kann sich auch das Umwandlungsrecht nicht erwehren, auch wenn der UmRUG-RefE hierzu weitgehend schweigt. Neben der digitalen Kommunikation zwischen den Registern bei grenzüberschreitenden Umwandlungen dürfte das notarielle Online-Verfahren nach den §§ 16a ff. BeurkG in der geplanten Fassung durch das DiREG und durch die ebenfalls durch selbiges zugelassene Sachgründung in diesem Verfahren dazu führen, dass sämtliche innerstaatliche und grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge, die mit einem gründungsgleichen Vorgang einhergehen, auch digital möglich sein werden (dazu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtli-nienumsetzung! Teil II unter VII.).

In ist, wer drin ist

Letztlich lebt die Wertigkeit eines Inviertels auch von dessen Exklusivität. Die neu geschaffenen Verfahren sollen auf deutscher Seite für die AG, die KGaA und die GmbH und damit auch ihrer Rechtsformvariante der UG (haftungsbeschränkt) zur Verfügung stehen (§§ 305, 306 UmRUG-RefE). Hinsichtlich der Beteiligung ausländischer Unternehmensträger wird auf Art. 119 Nr. 1 Gesellschaftsrechts-RL verwiesen, der wiederum Anhang II der Gesellschaftsrechts-RL in Bezug nimmt. Hinzutreten muss, dass die an der Umwandlung beteiligte Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des EWR gegründet worden sein muss und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der EU oder im EWR hat. Damit wird den Vorgaben des Art. 119 Gesellschaftsrechts-RL Rechnung getragen. Zugleich wird die Option des Art. 120 Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL genutzt. Genossenschaften werden nicht zu den grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen auf deutscher Seite zugelassen. Ebenso wird den zahlreichen Forderungen (s. etwa Bayer/J. Schmidt, BB 2019, 1922, 1935; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 300, 302; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353, 354; Bungert, FS Krieger, 2020, 109, 110 f.; Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61, 63) nach einer überschießenden Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie durch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Personengesellschaften nicht entsprochen. Auch Drittstaatengesellschaften bleibt der Zugang verweht, sodass sich diese nach Alternativen umsehen müssen (ausführlich hierzu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! Teil II unter VII.).

Prof. Dr. Heribert Heckschen ist seit 1990 Notar in Dresden (Heckschen & van de Loo – Notare). Seit 1986 referiert und veröffentlicht er zu Fragen des Gesellschafts-, Insolvenz- und Erbrechts, insbesondere zur Unternehmensnachfolge. Er wurde mehrfach vom Rechtsauschuss des Bundesministeriums der Justiz zu Fragen des Umwandlungs- und Personengesellschaftsrechts als Sachverständiger hinzugezogen, zuletzt im Rahmen des MoPeG  und des UmRUG. Er leitet seit 20 Jahren die Gesellschaftsrechtliche Jahresarbeitstagung des DAI sowie ein Seminar zum Umwandlungsrecht. Seit 2015 referiert Prof. Dr. Heckschen regelmäßig beim Deutschen Steuerberatertag zur Unternehmensnachfolge.

Ralf Knaier ist Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Notarinstitut und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Gesellschaftsrecht (Prof. Dr. Christoph Teichmann) an der Julius-Maximilians-Universität jeweils in Würzburg. Seit 2014 referiert und veröffentlicht er regelmäßig zu Fragen des deutschen und europäischen Unternehmensrechts, insbesondere im Bereich des Umwandlungsrechts und des GmbH-Rechts.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Digitalisierung der Anteilseignerversammlung – eine interdisziplinäre Herausforderung

Schon bevor die Corona-Pandemie den Gesetzgeber sinnvollerweise zu Lösungen für hybride oder virtuelle Gesellschafterversammlungen animiert hat, hatte der Regierungsentwurf zum MoPeG in der Regierungsbegründung angedeutet, dass man über eine Neudefinition des Begriffs der Gesellschafterversammlung nachdenken muss. Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen während der Corona-Krise haben durch das COVMG und seine ständige Überarbeitung unter anderem dazu geführt, dass die Aktiengesellschaft virtuelle (besser gesagt: hybride) Hauptversammlungen durchführen konnte und in einem letzten Schritt wurden solche Versammlungen auch der Genossenschaft ermöglicht, und zwar selbst dann, wenn der Zustimmungsbeschluss zu einer Umwandlungsmaßnahme im Raum steht. Nach Verabschiedung dieser weiteren Reform der COVID-Maßnahmegesetze hat der Bundesgerichtshof in einer aus Sicht des Verfassers bisher zu wenig diskutierten Entscheidung (vgl. dazu Heckschen/Hilser, ZIP 2022, 461, 467) zunächst festgestellt, dass die virtuelle Versammlung dort zulässig ist, wo Gesetz oder Satzung sie eröffnen. Teilweise wurde aus der Entscheidung weitergehend gefolgert, dass virtuelle Versammlungen ganz grundsätzlich und auch ohne Zulassung durch Satzung und Gesetz ermöglicht seien, obwohl dies gerade aus der Entscheidung nicht folgt. Dem Bundesgerichtshof hätte auch die Zuständigkeit dafür gefehlt, z.B. das Aktiengesetz zu ändern. In einem weiteren Schritt will nun der Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium vom 10.2.2022 die virtuelle – auch hier besser als hybrid zu bezeichnende – Hauptversammlung einführen.

Es dürfte ohne Zweifel stehen, dass virtuelle Versammlungen durch die Satzung ermöglicht werden sollten, gerade wenn es darum geht, die Gesellschafter zu informieren oder sog. Durchlauftermine möglichst unaufwendig bewältigen zu können.

Es ist aber erstaunlich, dass die Diskussion rund um virtuelle Versammlungen bisher nur aus dem Blickwinkel geführt wird, dass solche Versammlungen in ein digitales Zeitalter passen, für Unternehmen kostensparender sind und möglicherweise einen besseren Zugang gerade für Anteilseigner ermöglichen, die weite Anreisewege zu einer Präsenzversammlung haben. Es ist bedauerlich, dass andere Aspekte im Rahmen der Diskussion völlig außer Acht bleiben: Das Thema des Geheimnisschutzes, der Datensicherheit und der Wahrung der „Privatsphäre einer Gesellschafterversammlung“, der Diskretion, wird praktisch in der Diskussion bisher ausgeblendet. Soweit sich die Gesellschaft nicht selber für eine Versammlung in der Öffentlichkeit und einen Zugang der Presse entscheidet, hat jeder einzelne Gesellschafter ein subjektives Recht darauf, dass die Versammlungen nur unter den Gesellschaftern stattfinden und nicht im Beisein Dritter. Das geht sogar so weit, dass man die Teilhabe von Beratern etc. nur dann für zulässig erachtet, wenn dafür berechtigte Interessen des Gesellschafters sprechen. So klar dieser Befund bisher in der Literatur und Rechtsprechung ist, so wenig wird berücksichtigt, dass Versammlungen, die in Bild und Ton übertragen werden, praktisch ohne große Probleme von Dritten verfolgt, gehackt und Abstimmungsergebnisse manipuliert werden können. Beschreitet man den Weg zur digitalen Versammlung, sind Herausforderungen aus vielen Blickwinkeln zu bewältigen: Die Erkenntnisse aus dem Bereich der Informations- und Datentechnologie gehören auf jeden Fall dazu. Aus meiner Sicht müssten aber auch die inzwischen immer häufiger und vertieft gewonnenen Erkenntnisse aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaften berücksichtigt werden (Heckschen/Hilser, ZIP 2022, 670). Hier ist es weitgehend unbestritten, dass im Rahmen einer virtuellen oder hybriden Versammlung wesentliche Aspekte eines Kommunikationsaustauschs auf der Strecke bleiben. Es fehlen nicht nur Gestik und Mimik. Minderheitsgesellschafter, die bisher im privaten Rahmen und ohne die Furcht, dass Dritte die Versammlung verfolgen können, mutig das Wort ergriffen haben, halten sich im Rahmen einer Videokonferenz möglicherweise aus Angst vor dem Mithören Dritter zurück. Rede und Widerrede, auch ein „Dazwischenreden“ finden in weit geringerem Umfang statt und letztlich leidet darunter das Wohl der Gesellschaft. Es dürfte weitgehend unbestritten sein, dass dort, wo problematische Beschlüsse auf der Tagesordnung stehen, wo echte Diskussion gefordert wird, Menschen im direkten präsenten Zusammensein besser Lösungen finden als über eine virtuelle Konferenz.

Der Gesetzgeber sollte sorgfältig aus juristischer, technischer, insbesondere sicherheitstechnischer, kommunikationswissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Analyse heraus den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern einen Rahmen vorgeben und einen Mindeststandard für virtuelle Versammlungen setzen und sich dabei auch die Frage stellen, ob nicht bestimmte Versammlungen nur ausnahmsweise digital stattfinden können. Weiterhin stellt sich die spannende Frage, ob das Individualrecht jedes Gesellschafters auf Teilnahme an einer präsenten Versammlung einfach per Mehrheitsbeschluss abgeschafft werden kann. Mit dem Gesetz zur virtuellen Hauptversammlung geht der Gesetzgeber grundsätzlich den richtigen Weg, da er die Zulässigkeit für die Einführung der virtuellen Versammlung nicht von sich aus festlegt, sondern in die Zuständigkeit der Gesellschaft verlagert. Es ist auch sinnvoll, dass hier Überprüfungsregelungen (fünf Jahre) gesetzlich festgelegt werden sollen. Es sollten aber auch Überlegungen angestellt werden, wie ein Mindeststandard im Bereich der Datensicherheit und Verschwiegenheit hergestellt wird. Minderheitsrechte sind zu berücksichtigen und es ist schwer nachvollziehbar, dass die Gesellschaft, die sich dann einer virtuellen Versammlungsform bedient, nicht für Versäumnisse ihrerseits bei der technischen Organisation dieser Versammlungen haftet.

Inwieweit gerade Gesellschaften mit einem beschränkten Kreis an Anteilseignern die Möglichkeit erhalten sollten, mit einem einfachen Mehrheitsbeschluss diese Art von Versammlungen einzuführen, erscheint bedenklich. Die Gesellschaften sollten sich auch selber überlegen, inwieweit sie grundsätzlich solche Versammlungen, die nicht lediglich informatorischer Art sind, ohne Zustimmung aller Gesellschafter durchführen. Sind alle einverstanden, sollte die Satzung/der Gesellschaftsvertrag aber diese Option eröffnen. Ansonsten bieten sich abgestufte Verfahren an (vgl. hierzu Heckschen/Strnad, GmbHR 2020, 807). Aus einer gewissen Digitalisierungseuphorie heraus sollten jedenfalls Gesellschaften neben den Vorteilen, die virtuelle und hybride Formate haben, auch ihre Nachteile mit berücksichtigen, die nicht nur im Bereich der Datensicherheit und der Diskretion liegen, sondern auch im Bereich des Verlusts einer Kommunikation, die gerade in schwierigen oder Konfrontationssituationen in Präsenz deutlich besser und erfolgversprechender verläuft als im rein virtuellen Bereich. Die Diskussion verlangt dringend nach einer Einbeziehung der Erkenntnisse anderer Wissenschaftsbereiche außerhalb der Rechtswissenschaften. Zu nennen sind insbesondere kommunikationswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch Erkenntnisse aus dem Bereich der Informatik und Datensicherheit.

Prof. Dr. Heribert Heckschen ist seit 1990 Notar in Dresden (Heckschen & van de Loo – Notare). Seit 1986 referiert und veröffentlicht  er zu Fragen des Gesellschafts-, Insolvenz- und Erbrechts, insbesondere zur Unternehmensnachfolge. Er wurde mehrfach vom Rechtsauschuss des Bundesministeriums der Justiz zu Fragen des Umwandlungs- und Personengesellschaftsrechts als Sachverständiger hinzugezogen, zuletzt im Rahmen des MoPeG  und des UmRUG. Er leitet seit 20 Jahren die Gesellschaftsrechtliche Jahresarbeitstagung des DAI sowie ein Seminar zum Umwandlungsrecht. Seit 2015 referiert Prof. Dr. Heckschen regelmäßig beim Deutschen Steuerberatertag zur Unternehmensnachfolge.

 

Unternehmensrecht im Koalitionsvertrag der Ampel

Am Mittwoch, den 24.11.2021, haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP den Koalitionsvertrag präsentiert, der auf den Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ lautet. Bei der Lektüre des 178 Seiten langen Textes fällt auf, dass die Ampel-Koalition zwei unternehmensrechtliche Themen, die früher Gegenstand von Wahlkämpfen waren, nicht aufgreift: die Geschlechterquote in den Gesellschaftsorganen und die Managervergütung. Augenscheinlich ist das Unternehmensrecht in diesem Zusammenhang fortschrittlich genug und muss nicht angetastet werden. Im Hinblick auf die Reformen der vergangenen Jahre bleibt zu hoffen, dass sich die Koalitionäre an ihr Schweigen halten. Der Schwerpunkt der unternehmensrechtlichen Reformvorhaben liegt in anderen Bereichen, die im Folgenden dargestellt werden.

Sorgfaltspflichten in den Lieferketten

Am Ende der vergangenen Legislaturperiode hat der deutsche Gesetzgeber das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG; BGBl. I 2021, S. 2959) verabschiedet (zum Entwurf vom März 2021 Reich, AG 2021, R116; Scheffler, AG 2021, R120; zur Endfassung Scheffler, AG 2021, R199). Außerdem hat das Europäische Parlament im März 2021 einen Legislativvorschlag zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen präsentiert. Der für Herbst 2021 erwartete Richtlinienentwurf der EU-Kommission liegt bislang nicht vor. An diese Entwicklung anknüpfend halten die Ampel-Koalitionäre auf S. 34 fest, dass sie ein wirksames EU-Lieferkettengesetz unterstützen, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert. Das deutsche LkSG werde unverändert umgesetzt und ggf. verbessert. Insgesamt wäre die Bundesregierung wohl gut beraten, zunächst die Entwicklungen auf europäischer Ebene abzuwarten und ggf. zu versuchen, sie zu beeinflussen. Erst wenn das Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene ins Stocken geraten oder gar scheitern sollte, wäre es zweckmäßig, das LkSG nachzubessern.

Whistleblowing

Anders als das LkSG hat es ein Hinweisgeberschutzgesetz in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr über die Ziellinie geschafft. In dieser Legislaturperiode ist hiermit sicher zu rechnen, da die Whistleblowing-Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23.10.2019 den Mitgliedsstaaten Regelungen zum Whistleblowing zwingend zur Umsetzung vorgibt. Da die Umsetzungsfrist bereits am 17.12.2021 endet, wäre es nicht überraschend, wenn das Whistleblowing zu denjenigen unternehmensrechtlichen Themen zählt, die die Ampel-Koalitionäre prioritär angehen.

Die Essenz der Umsetzung deutet der Koalitionsvertrag auf S. 111 nur vage an. Zu begrüßen ist die ausdrückliche Festlegung, insofern über eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinauszugehen, als das angestrebte Regime nicht auf die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht beschränkt bleiben soll, sondern auch bestimmte Verstöße gegen nationale Vorschriften umfasst sein sollen. Abgesehen hiervon wäre es der Rechtssicherheit und Praktikabilität dienlich, wenn der Gesetzgeber Klarheit hinsichtlich der Frage schafft, ob und inwieweit Hinweisgebersysteme im Konzern einheitlich betrieben werden können (hierzu Holle, ZIP 2021, 1950). Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger stellen die Ampel-Koalitionäre unter einen Prüfvorbehalt, so dass abzuwarten bleibt, inwieweit sie sich dazu durchringen werden, Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote vorzusehen.

Verbandssanktionen

Kein unionsrechtlicher Umsetzungsdruck besteht beim Thema Verbandssanktionierung. Die gegenwärtige Rechtslage wird von vielen aus guten Gründen aber als unbefriedigend empfunden; die in der letzten Legislaturperiode anvisierte Neuaufstellung des Rechts der Verbandssanktionierung ist auf der Zielgeraden gescheitert. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Koalitionsvertrag sich ihrer auf S. 111 neuerlich annimmt. Ob sich dahinter eine ähnlich weitreichende Neuaufstellung des Rechts der Verbandssanktionierung verbirgt, wie sie der in der vergangenen Legislaturperiode vorliegende Regierungsentwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG; BT-Drucks. 19/23568) bedeutet hätte, ist fraglich. Tendenziell klingt es nach einer kleinen Lösung, die sich mit einer Anhebung der Bußgeldobergrenzen, der Normierung einer Compliance-Defense sowie gewisser Regelungen zu internen Untersuchungen im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts begnügt.

GmbH mit gebundenem Vermögen

Ein klares Bekenntnis geben die Ampel-Koalitionäre auf S. 30 des Vertrags zu einer neuen Rechtsform ab, die im Schrifttum sehr umstritten ist: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (für die Einführung einer solchen Gesellschaftsform Sanders/Dauner-Lieb/Kempny/Möslein/Veil, GmbHR 2021, 285; dagegen etwa Habersack, GmbHR 2020, 992). Den Einsatz dieser Rechtsform als Vehikel für Steuersparkonstruktionen will die künftige Regierung vermeiden (auf diese Gefahr hinweisend Hüttemann/Schön, DB 2021, 1356; relativierend Kempny, DB 2021, 2248). Ungeachtet der steuerrechtlichen Probleme sollte der Gesetzgeber überprüfen, ob es einer solchen Gesellschaftsform tatsächlich bedarf, um die angestrebten Ziele zu erreichen (eingehend Hüttemann/Rawert/Weitemeyer, npoR 2020, 296).

GmbH-Gründungsrecht

Darüber hinaus verpflichten sich die Koalitionäre auf S. 111 f. des Vertrags, die Gründung von Gesellschaften zu erleichtern, indem sie Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlage und weiteren Beschlüssen erlauben. Die Ampel dürfte damit in erster Linie die GmbH im Blick gehabt haben. Auch wenn keine sachlichen Gesichtspunkte gegen eine elektronische AG-Gründung sprechen, dürfte dies trotz aller Fortschrittsbekundungen auch künftig keine Option sein.

Der Koalitionsvertrag setzt an § 2 Abs. 3 GmbHG i.d.F. des DiRUG (BGBl. I 2021, S. 3338) an, wonach nur eine elektronische GmbH-Bargründung möglich ist. Diese Einschränkung, die im Schrifttum kritisiert wurde (s. nur Drygala/Grobe, GmbHR 2020, 985 Rz. 32 ff.), soll in der Zukunft entfallen, was nachdrücklich zu begrüßen ist. Die Unternehmensgründung soll zudem durch eine umfassende Start-Up-Strategie gefördert werden, zu der u.a. die Einführung von flächendeckenden „One Stop Shops“ (Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung) gehört. In solchen „One Stop Shops“ sollen Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden möglich sein (S. 30 des Koalitionsvertrags).

Hauptversammlungsrecht

Auf einhellige Zustimmung dürfte die auf S. 112 des Koalitionsvertrags angekündigte dauerhafte Einführung von Online-Hauptversammlungen fallen. Die auf Corona-Sondergesetzgebung gestützte Online-Hauptversammlung (s. § 1 COVMG) hat sich im Groben und Ganzen bewährt (zur Empirie s. nur Danwerth, AG 2021, 613) und kann als Blaupause für die anstehende Aktienrechtsreform dienen.

Spannend bleibt die Frage, wie die Aktionärsrechte im künftigen Hauptversammlungsrecht ausgestaltet werden. Die Ampel-Koalition verspricht, jene uneingeschränkt zu wahren. Dies deutet darauf hin, dass die Regelungen in § 1 Abs. 1, 2 und 7 COVMG, die das Rede-, Auskunfts- und Anfechtungsrecht der Aktionäre beschränken, nicht ins Aktiengesetz überführt werden (speziell zur Aktionärskommunikation Seibt/Danwerth, AG 2021, 369 und VGR, AG 2021, 380 Rz. 8 ff.). Ungeachtet der rechtspolitischen Diskussionen um die Reichweite der Aktionärsrechte sollte das BMJ zügig einen Referentenentwurf präsentieren, damit die Unternehmen nach den Erfahrungen mit § 1 COVMG in der Hauptversammlungssaison 2023 nicht wieder im vordigitalen Zeitalter landen (zu COVMG-Verlängerungen und der Zeitschiene für die Aktienrechtsreform Danwerth, AG 2021, R283 f.).

Die Ampel-Koalition sollte die Digitalisierung der Hauptversammlung dafür nutzen, auch das Beschlussmängelrecht zu reformieren. Die Große Koalition, die eine solche Reform auf S. 131 des Koalitionsvertrags für die 19. Legislaturperiode angekündigt hatte, hat ihr Versprechen trotz umfassender rechtspolitischer Vorschläge nicht umgesetzt (s. nur die Beschlüsse des 72. Deutschen Juristentags, S. 27 ff. und die Vorschläge des AK Beschlussmängelrecht, AG 2008, 617).

Überdies sollte die künftige Regierung erwägen, die Möglichkeit einer digitalen Versammlung auch für die Gesellschaftsorgane und andere Gesellschaftsformen auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Wie die Corona-Pandemie gezeigt hat, besteht nicht nur für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ein Bedarf an virtuellen Sitzungen.

Elektronische Aktie

In der 19. Legislaturperiode hat der Gesetzgeber mit dem eWpG (BGBl. I 2021, S. 1423) die Möglichkeit geschaffen, elektronische Wertpapiere zu begeben (hierzu nur Sickinger/Thelen, AG 2020, 862; Sickinger/Thelen, AG 2021, R198). Gleichwohl beschränkt sich das Gesetz gem. § 1 eWpG auf Inhaberschuldverschreibungen; die Begebung elektronischer Aktien ist nicht möglich (s. Begr. RegE, BT-Drucks. 19/26925, 38). Dies könnte sich in der 20. Legislaturperiode ändern: Beiläufig erwähnt der Koalitionsvertrag auf S. 172 unter der Überschrift „Digitale Finanzdienstleistungen und Währungen“, die Emission elektronischer Aktien zu ermöglichen (zu den gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen Guntermann, AG 2021, 449).

Kapitalmarktrecht

Positiv ist zu würdigen, dass sich die Ampel auf den S. 169 ff. des Koalitionsvertrags zur Vertiefung der Kapitalmarktunion bekennt und die Barrieren für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte in der EU abbauen, den Zugang von KMU zum Kapitalmarkt erleichtern und die Markttransparenz stärken möchte. Auch die Schaffung eines angemessenen regulatorischen Rahmens für FinTechs und vergleichbare Unternehmen ist zu begrüßen. Gleichwohl sollte die künftige Regierung bei all der Regulierungsfreude bedenken, dass sich die enorme Regelungsdichte im Kapitalmarktrecht als ein Grund dafür erweist, den Kapitalmärkten fernzubleiben. Vor diesem Hintergrund sollte die Ampel erwägen, ob weniger (und klarer!) nicht doch mehr ist.

Mitbestimmungsrecht

Auf S. 72 kündigen die Koalitionäre an, sich für die Weiterentwicklung der Unternehmensmitbestimmung einzusetzen, so dass es nicht mehr zur vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften kommen kann (Einfriereffekt). Das klingt für zahlreiche Gesellschaften, die (noch) nicht der Unternehmensmitbestimmung unterliegen, wie eine Einladung zur zügigen Umwandlung in eine SE, um rechtzeitig die derzeit bestehende Möglichkeit auszunutzen, das Mitbestimmungsstatut einzufrieren.

Prozessrecht

Aus der Perspektive des Unternehmensrechts interessant sind die Aussagen auf S. 108 des Koalitionsvertrags, wonach das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) – das in der 19. Legislaturperiode ohne inhaltliche Änderungen verlängert wurde (BGBl. I 2020, S. 2186) – modernisiert werden soll und englischsprachige Spezialkammern für internationale Handels- und Wirtschaftsstreitigkeiten ermöglicht werden sollen.

Steuer- und Geldwäscherecht

Fernwirkungen auf das Unternehmensrecht dürften manche steuer- und geldrechtlichen Pläne haben. So sprechen die Koalitionäre auf S. 167 des Vertrags davon, aufbauend auf den Maßnahmen der letzten Legislaturperiode missbräuchliche Dividendenarbitragegeschäfte zu unterbinden. Ein weiteres Reformversprechen betrifft das Transparenzregister. Auf S. 171 f. des Koalitionsvertrags kündigt die künftige Regierung an, die Qualität der Daten im Transparenzregister zu verbessern, so dass die wirtschaftlich Berechtigten in allen vorgeschriebenen Fällen tatsächlich ausgewiesen werden.

Mehr zum Unternehmensrecht im Koalitionsvertrag im AG-Report 24/2021.

Squeeze Out: BGH zur Relevanz des Barwerts der Ausgleichszahlung – ist damit alles geklärt?

Bei einem Squeeze Out sowie bei Vorliegen eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags (kurz: „Unternehmensvertrag“) stellt sich die Frage der Relevanz der in der Regel festen Ausgleichszahlung (auch „Garantiedividende“) für die Bemessung der Barabfindung. Der BGH (v. 12.1.2016 – II ZB 25/14, AG 2016, 359) hatte in der „Nestlé“-Entscheidung 2016 die Frage, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen (kurz: „BdA“) neben dem Börsenkurs als (weitere) Untergrenze zu berücksichtigen ist, explizit noch offengelassen. In der Folge hatte das OLG Düsseldorf (v. 15.11.2016 – 26 W 2/16, AG 2017, 672) unter Bezugnahme auf rechtliche Argumente die Auffassung bekräftigt, der BdA sei prinzipiell nicht zu berücksichtigen. Dagegen hatte das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 20.11.2019 (21 W 77/14, AG 2020, 298) ausgeführt, der BdA sei als Mindestwert zu berücksichtigen, und die Rechtsfrage dem BGH vorgelegt.

In seinem Beschluss vom 15.9.2020 (II ZB 6/20, AG 2020, 949 – „Wella III“) hält der BGH nunmehr zunächst allgemein fest, die angemessene Barabfindung könne nach dem BdA bestimmt werden, wenn dieser höher als der anteilige Unternehmenswert ist, der Unternehmensvertrag zum nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt bestand und von seinem Fortbestand auszugehen war. Die Diskontierung der festen Ausgleichszahlungen sei eine Methode zur Errechnung des Barwerts des Fruchtziehungsrechts. Ob der BdA, der quotale Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahren oder eine Kombination aus beiden den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbilde, sei eine Frage des Einzelfalls.

Im Hinblick auf die Relevanz des BdA als Untergrenze argumentiert der BGH mit dem OLG Frankfurt über die Vermögensposition des außenstehenden Aktionärs. Infolge der Übertragung der Aktie verliere der Minderheitsaktionär seine Stellung als außenstehender Aktionär und damit den Anspruch auf die Garantiedividende. Für den Minderheitsaktionär bestimme sich der Wert der Unternehmensbeteiligung primär durch die Erträge, die er ohne Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär zukünftig erhalten hätte. Während der Laufzeit des Unternehmensvertrags seien das die Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG. Der Ausgleichsanspruch ersetze (allerdings) nur die Aussicht auf Dividende, nicht aber den Anteil an der Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch bestehe. Daher stelle der BdA regelmäßig nur den Mindestwert der Abfindung dar.

Im Ergebnis hat der BGH mit der „Wella III“-Entscheidung die vorgelegte Rechtsfrage nunmehr im Sinne einer notwendigen Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen entschieden. Allerdings ergeben sich für die Bewertungs- und Rechtspraxis weiterhin interessante Auslegungs- und Umsetzungsfragen, die in diesem Blog-Beitrag nur angerissen werden können. Für eine ausführlichere Diskussion der BGH-Entscheidung sowie für eine Diskussion weiterer Entscheidungen und Entwicklungen in Spruchverfahren aus dem Jahr 2020 verweisen wir auf unseren Beitrag   „Unternehmensbewertung im Spiegel der Rechtsprechung – Entwicklungen im Jahr 2020“ in AG 2021, 296.

In methodischer Hinsicht stellt sich zunächst die Frage, ob eine zeitlich erst nach dem Squeeze Out im Spruchverfahren zum Unternehmensvertrag rechtskräftig erhöhte Ausgleichszahlung (nachträglich) heranzuziehen ist. Darüber hinaus ist der für die Diskontierung der Ausgleichszahlungen (risiko-)adäquate Zinssatz zu ermitteln. Daneben eröffnen die Entscheidungen des BGH in Sachen „Nestlé“ und „Wella III“ Interpretationsspielräume, ob der Börsenkurs ggf. keine Untergrenze im Sinne des BGH darstellt.

Ob der BdA, der anteilige Ertragswert oder eine Kombination aus beiden den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, ist nach der Auffassung des BGHs eine Frage des Einzelfalls. Sofern aus der Sicht des Bewertungsstichtags (vereinfachend) von einer unendlichen Laufzeit des Unternehmensvertrags ausgegangen wird und der BdA (berechnet über die Formel der ewigen Rente) über dem anteiligen Ertragswert und dem Börsenkurs liegt, greift entsprechend dem BGH – im Sinne einer Meistbegünstigung – der BdA als Untergrenze der Abfindung. Wird dagegen eine begrenzte Laufzeit prognostiziert, dürfte der Kombinationswert greifen. Dabei wird für die prognostizierte Laufzeit des Unternehmensvertrags der Barwert der festen Ausgleichszahlungen angesetzt und der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert des anteiligen Ertragswerts nach der erwarteten Beendigung des Unternehmensvertrages addiert. Der Prognose einer realistischen Laufzeit des Unternehmensvertrags unter Abstraktion von dem Squeeze Out kommt somit eine maßgebliche Bedeutung zu. Wirtschaftlich entscheidend sind dabei die planerischen Überlegungen der herrschenden Gesellschaft. Von gewichtiger Bedeutung ist daher der vom BGH bei den Ausführungen zum Verhältnis zwischen BdA und Börsenkurs gegebene Hinweis auf die wirtschaftliche Interessenlage der betroffenen Parteien. Dazu wird vom BGH darauf hingewiesen, dass ein Unternehmensvertrag, der erheblich über dem Ertragswert liegende Ausgleichszahlungen gewährt, nicht dauerhaft von Bestand sein werde. Dahinter steht die wirtschaftliche Überlegung, dass für ein vertraglich herrschendes Unternehmen in einem solchen Fall die festen Ausgleichszahlungen „teurer“ sind als der entsprechende Anspruch der außenstehenden Aktionäre an der beherrschten Gesellschaft ohne Unternehmensvertrag. Für das herrschende Unternehmen bzw. den Mehrheitsaktionär wäre in einem solchen Fall grundsätzlich die Beendigung des Unternehmensvertrags ökonomisch rational.

Aus einer entscheidungstheoretischen Sicht ist die somit vom BGH angeregte Vornahme von wirtschaftlichen Rationalitätsüberlegungen zu begrüßen. Genauso wie der Ertragswert über den Börsenkurs und/oder Multiplikatoren und der Börsenkurs über den Ertragswert zu plausibilisieren ist, besteht die Notwendigkeit den (rein technisch) ermittelten BdA ökonomisch zu plausibilisieren. Bei dieser Plausibilisierung ist der BdA dem quotalen Ertragswert gegenüberzustellen. Dabei sollten nicht nur die Plausibilität der unterstellten Laufzeit, sondern auch die weiteren im Rahmen der Ermittlung des BdA angesetzten Parameter (im Wesentlichen der Diskontierungszins) gewürdigt werden.

Liegt der BdA im konkreten Fall erheblich über dem anteiligen Ertragswert und wird von einer adäquaten Festlegung der weiteren Bewertungsparameter ausgegangen, dürfte dies entsprechend ein starkes Indiz für die sachgerechte Annahme einer begrenzten Laufzeit sein. Dies wäre grundsätzlich selbst dann der Fall, wenn noch keine konkretisierten Überlegungen des herrschenden Unternehmens bekannt oder dokumentiert sind. Vereinfachend könnte in diesen Fällen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände sowie rechtlichen Beendigungsmöglichkeiten bspw. eine frühestmögliche Beendigung des Unternehmensvertrags nach der Detailplanungsphase oder eine alternative typisierende Laufzeitannahme sachgerecht sein.

Bei Wella lag der vom OLG Frankfurt herangezogene BdA bei rund 94 € je Aktie und der anteilige Ertragswert bei rund 65 € je Aktie. Der BdA lag somit um rund 46 % über dem anteiligen Ertragswert. Ob demnach bereits eine „erhebliche“ Diskrepanz vorlag, die letztendlich aufgrund wirtschaftlicher Plausibilisierungsüberlegungen für die Prognose einer begrenzten Laufzeit des Unternehmensvertrags oder eine Diskussion der weiteren bei der Ermittlung des BdA angesetzten Bewertungsparameter sprechen könnte, wird vom BGH nicht weiter ausgeführt.

Hinweis: Für eine ausführliche Darstellung der Entscheidung des BGH in Sachen „Wella III“ sowie  zu weiteren Entwicklungen in Spruchverfahren aus dem Jahr 2020 verweisen wir auf Ruthardt/Popp, Unternehmensbewertung im Spiegel der Rechtsprechung – Entwicklungen im Jahr 2020, AG 2021, 296. Zu Bewertungsmethoden in der Rechtsprechung verweisen wir umfassend auf Popp/Ruthardt in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2019, § 12.

Brexit: Implikationen des EU-UK TCA im Bereich des Gesellschaftsrechts

Die EU und das UK haben am 30.12.2020 ein Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement – EU-UK TCA) unterzeichnet, das zum 1.1.2021 vorläufig in Kraft trat.

Konsequenzen für die Anerkennung und rechtliche Behandlung von Gesellschaften

Infolge des Austritts des UK aus der EU gilt im Verhältnis zwischen UK und EU-/EWR-Mitgliedstaaten keine Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV bzw. Art. 31 Abs. 1, 34 Abs. 1 EWRV) mehr. Folglich verpflichtet die Niederlassungsfreiheit Deutschland im Verhältnis zum UK auch nicht mehr zur Anwendung der Gründungstheorie (grundlegend insoweit die EuGH-Urteile Centros, Überseering und Inspire Art).

Im Verhältnis zu Drittstaaten – wie es das UK nun ist – gilt nach st. Rspr. des BGH grundsätzlich die Sitztheorie, sofern nicht aufgrund einer internationalen Übereinkunft eine Pflicht zur Anwendung der Gründungstheorie besteht.

Im EU-UK TCA finden sich zwar keine speziellen Vorschriften zum Gesellschaftsrecht und auch keine den Art. 49, 54 AEUV direkt vergleichbaren Regelungen. Das EU-UK TCA enthält jedoch äußerst umfassende Regelungen zur Liberalisierung von Investitionen (Art. SERVIN.2.1-SERVIN.2.7), die weitgehend denjenigen in Kapitel 8 CETA nachgebildet sind. Insbesondere gelten zugunsten von Investoren der anderen Vertragspartei und erfassten Unternehmen in Bezug auf establishment and operation die Prinzipien der Inländerbehandlung (national treatment – NT) und der Meistbegünstigung (most favoured nation treatment – MFN) (Art. SERVIN.2.3 Abs. 1, Art. SERVIN.2.4 Abs. 1, 2 EU-UK TCA). Jedes erfasste Unternehmen und jeder Investor einer Vertragspartei darf also im Hinblick auf establishment and operation – d.h. sowohl im Hinblick auf die Errichtung einer Niederlassung als auch auf deren Betrieb – im Gebiet der anderen Vertragspartei nicht weniger günstig behandelt werden als inländische Investoren (NT) und Investoren aus Drittstaaten (MFN) in vergleichbaren Situationen. Dies setzt aber notwendig voraus, dass ein Investor einer Vertragspartei und ein erfasstes Unternehmen von der anderen Vertragspartei als rechtsfähig anerkannt werden müssen – und zwar als juristische Person nach dem Recht der Vertragspartei, nach dem sie gegründet wurden.

Eine Ausnahme wäre aufgrund der Definition des Begriffs legal person of a Party (Art. SERVIN.1.2(k) EU-UK TCA) allenfalls zulässig für Gesellschaften, die auf dem Gebiet des UK keine substantive business operations ausüben. Dies würde aber nur sehr wenige Fälle ausschließen und zudem Praxis und Gerichte mit erheblichen Abgrenzungsproblemen belasten. Insgesamt sprechen daher die besseren Argumente dafür, im Verhältnis zum UK (weiterhin) generell die Gründungstheorie anzuwenden.

Wegfall der Bindung des UK an das EU-Gesellschaftsrecht

Eine weitere wichtige Konsequenz des Brexit ist, dass das UK mangels EU-Mitgliedschaft nicht mehr an das EU-Gesellschaftsrecht gebunden ist. Das UK hat jedoch weite Teile des EU-Gesellschaftsrechts in sein innerstaatliches Recht inkorporiert.

Gleichwohl gibt es seit dem 1.1.2021 einige wichtige Neurungen, u.a.:

  • Das UK ist nicht mehr am BRIS beteiligt.
  • Grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen UK-Kapitalgesellschaften und EU-/EWR-Kapitalgesellschaften auf der Basis der nationalen Umsetzungsvorschriften zur GesRRL (in Deutschland: §§ 122a ff. UmwG) sind nicht mehr möglich. Die Vertrauensschutzregelung des § 122m UmwG geht ins Leere.
  • Grenzüberschreitende Spaltungen und grenzüberschreitende Formwechsel auf der Basis der Art. 49, 54 AEUV bzw. der GesRRL sind ebenfalls nicht mehr möglich.
  • Es können keine SE, SCE und EWIV mit Sitz im UK mehr gegründet werden. SE, SCE und EWIV aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten können ihren Sitz nicht mehr ins UK verlegen. Im UK noch existierende SE und EWIV wurden zum 1.1.2021 ipso iure in UK Societas bzw. UKEIG umgewandelt.

Ausführlich zum Ganzen demnächst J. Schmidt GmbHR 5/2021.

Die Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes

Lesenswert für alle Mandatsträger und Einladung zur Selbstreflektion an die Adresse der Regierungskommission Deutsche Corporate Governance Kodex

Die Bundesregierung hat am 16.9.2020 die Neufassung der Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes 2020 beschlossen. Diese lösen mit Bekanntmachung durch das Bundesministerium der Finanzen vom selben Tag (VIIII B 1 – FB 0203/20/100002:003) die Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes vom 1. Juli 2009 (GMBl. 2011, 409 ff.) ab.

War der „alte“ Public Corporate Governance Kodex des Jahres 2009 nur ein schwacher Aufguss des damaligen Deutschen Corporate Governance haben sich nun 2020 die Vorzeichen verkehrt. Während sich die Regierungskommission bei ihrem „großen“ Neuaufschlag 2018/20 vorrangig in kleinteiligen Versuchen verzettelte, Corporate Germany eine bestimmte Vorstellung der Vorstandsvergütung aufzuzwingen und damit lediglich breitflächige Proteste auf Seiten vieler Unternehmen auslöste (unverändert nachlesbar https://www.dcgk.de/de/konsultationen/archiv/konsultation-2018/19.html), schreitet die Bundesregierung richtungsweisend nach vorn.

Während die Europäische Union noch de lege ferenda fragt, ob die Unternehmensleitung  bei ihren Entscheidungen neben den finanziellen Interessen der Gesellschafter auch Faktoren wie Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung oder den Klimawandel berücksichtigen sollte (https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/2020-sustainable-finance-strategy-consultation-document_en.pdf, question 46) und Studien über „directors duties and sustainable corporate governance“ in Auftrag gibt bzw. „Sustainablitiy, duty of care and due diligence“ auf die Agenda der ICLEG setzt (vgl. Jessica Schmidt, BB 2020, 1794, 1799), formuliert die Bundesregierung bereits eine klare Antwort und setzt erste Standards:

Der gesamte Abschnitt 5.5 des Public Corporate Governance Kodex 2020 handelt nämlich von nichts anderem als „nachhaltiger Unternehmensführung“. Das bemerkenswerte daran ist, dass es die Bundesregierung nicht bei einer Auflistung plakativer Schlagworte belässt, sondern weit über ein Dutzend Einzelempfehlungen ausspricht und konkrete Verpflichtungen für die Geschäftsführung formuliert.

Sie im Einzelnen nachzuzeichnen würde hier den Rahmen dieses Blogs sprengen; die Überlegungen der Bundesregierung sind aber (nicht nur insoweit) gewiss lesenswert für alle Mandatsträger in Vorstand und Aufsichtsrat, aber auch eine Einladung zur Selbstreflektion an die Adresse der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex.

Die Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes sind im Einzelnen nachlesbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/grundsaetze-guter-unternehmens-und-aktiver-beteiligungsfuehrung.html.

Stürmische Zeiten an der Börse – Bedeutung des Börsenkurses für die Ermittlung der angemessenen Kompensation in Spruchverfahren

Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sorgt für dramatische Kursverluste an den Aktienmärkten und stellt die Unternehmensbewertungspraxis vor neue Herausforderungen. Die aktuellen Entwicklungen werden auch (zukünftige) aktien- und umwandlungsrechtliche Strukturmaßnahmen (bspw. Squeeze Out, Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, etc.) prägen, bei denen außenstehenden Aktionären eine „angemessene“ Kompensation anzubieten ist.

In der jüngeren Vergangenheit wird dazu von juristischen Kommentatoren eine stärkere Gewichtung bzw. im Extremfall alleinige Orientierung an Börsenkursen vertreten. In Spruchverfahren aus dem Jahr 2019 haben sich insbesondere die Landgerichte Stuttgart und Frankfurt a.M. in ihren Beschlüssen vom 8.5.2019 bzw. 27.6.2019 ausführlich dazu geäußert, warum nach ihrer Auffassung die marktorientierte Bewertung (allein) anhand eines umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenkurses eine grundsätzlich geeignete und in der Regel zu angemessenen Ergebnissen führende Bewertungsmethode sei. Eine gerichtliche Prüfung des Ertragswerts sei entbehrlich, wenn es aussagekräftige Börsenkurse gebe (vgl. LG Stuttgart v. 8.5.2019 – 31 O 25/13, BeckRS Rz. 255; LG Frankfurt/M. v. 27.6.2019 – 3-05 O 38/18, AG 2020, 143 = BeckRS Rz. 66).

Gerade in Krisenzeiten wird deutlich, dass Börsenkurse „Preise“ für einzelne Wertpapiere darstellen. Nicht weniger aber eben auch nicht mehr. „Preise“ sind – als Momentaufnahme – das Ergebnis von Angebot und Nachfrage und können (mehr oder weniger stark) durch nicht fundamental begründbare Faktoren bzw. (irrationale/erratische) Marktstimmungen beeinflusst sein. Zu Verkäufen aufgrund schlechterer Ertragsaussichten kommen solche aufgrund kurzfristiger Liquiditätsbedürfnisse von Investoren hinzu. Algorithmus-basierte Handelsstrategien können bestehende Trends verstärken (vgl. FAUB, Fachlicher Hinweis zur Auswirkung des Coronavirus auf Unternehmensbewertungen v. 25.3.2020).

Betriebswirtschaftlich ist von „Börsenpreisen“ der nach fundamentalanalytischen Wertermittlungsverfahren – d.h. im Rahmen einer Unternehmensbewertung – ermittelte „Wert“ von Unternehmen und Unternehmensanteilen zu unterscheiden. Für die Wertbemessung wird dabei im Rahmen von Spruchverfahren regelmäßig auf das Ertragswertverfahren zurückgegriffen. Der „Wert“ bestimmt sich dabei durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen zukünftigen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner (vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 4). Der fundamentale oder innere Wert einer Aktie weicht regelmäßig von ihrem Börsenkurs ab. Der Börsenkurs wird vor diesem Hintergrund als ein Wert bezeichnet, der einem labilen Regelkreis folgend um seinen fundamentalen Wert schwankt. Die Richtung (nach oben oder nach unten) und die Dauer der Abweichungen lässt sich allerdings nicht verallgemeinern. Regelmäßig wird davon ausgegangen, dass nur langfristig eine Rückkehr auf den fundamentalen Wert zu erwarten ist.

Unstrittig dürfte sein, dass es sich weder beim Börsenkurs noch beim Ertragswert um perfekte Wertmaßstäbe handelt und ein eindeutiger „wahrer Wert“ ein unerreichbares Ideal verkörpert. Durch eine fundamentale Unternehmensbewertung kann allerdings eine angebotene Kompensation durch eine fundamentale Unternehmensbewertung durch den Bewertungsgutachter, den gerichtlich bestellten Prüfer sowie das erkennende Gericht unter Rückgriff auf umfassende unternehmensinterne Informationen und Ansprechpartner gewürdigt werden. Auf diese Weise können alle möglichen verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden, um dem hehren Ziel einer verfassungs- und einfachrechtlich angemessenen Kompensation möglichst nahe zu kommen. Vor dem Hintergrund des notwendigen Nebeneinanders von Börsenkurs und Ertragswert kann tatsächlich von der Unternehmensbewertung als einem interdisziplinären Begegnungsfach gesprochen werden.

Hinweis: Für eine ausführliche Diskussion der Bedeutung des Börsenkurses im Rahmen von aktien- und umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahmen verweisen wir auf Ruthardt/Popp, Unternehmensbewertung im Spiegel der Rechtsprechung – Entwicklungen im Jahr 2019 – Teil I: Börsenkurs, AG 2020, 240 sowie den umfassenden Beitrag zu Bewertungsmethoden in der Rechtsprechung von Popp/Ruthardt in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2019, § 12.