Das im Bundesrat zunächst gescheiterte Wachstumschancengesetz stand am 22.3.2024 erneut zur Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundesrats. Im Anschluss an die bereits erfolgte Verhandlungsrunde mit einer unechten Einigung im Vermittlungsausschuss hatte der Bundestag am 23.2.2023 bereits seine Zustimmung erteilt (s. bereits den Geberth/Bartelt, Blog-Beitrag v. 22.2.2024, GESRBLOG0001740). Nunmehr hat auch der Bundesrat der vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Fassung des Gesetzes final zugestimmt. Damit ist das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Mit der Verkündung des Gesetzes ist in naher Zukunft zu rechnen.
OLG Schleswig bejaht Vorrang der separaten Vorkaufsrechtsausübung beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen – keine Erstreckung auf gesamten Anteilsverkauf analog § 467 S. 2 BGB
I. Gesetzlicher Grundsatz der separaten Vorkaufsrechtsausübung
Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 7. Februar 2024 (GmbHR 2024, Ausgabe 7 m. Anm. Wertenbruch/Döring) – im Anschluss an BGHZ 168, 152 = WM 2006, 1598 und gegen eine verbreitete Literaturauffassung – beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen der Ausübung eines einzelnen, auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters bezogenen statutarischen Vorkaufsrechts den grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem in § 464 Abs. 2 BGB geregelten Grundsatz der Vertragsidentität eingeräumt. Nach § 464 Abs. 2 BGB muss der Vorkaufsberechtigte den Inhalt des vom Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag prinzipiell in toto übernehmen. Wenn aber mehrere Gegenstände verkauft werden, an denen nur zum Teil oder eigenständige Verkaufsrechte bestehen, dann kann ein Vorkaufsrecht in Bezug auf einen einzelnen davon erfassten Verkaufsgegenstand separat ausgeübt werden. Nach § 467 Satz 1 BGB ist in dieser Konstellation ein verhältnismäßiger Teilkaufpreis zu ermitteln und vom Vorkaufsberechtigten zu entrichten. Das OLG Schleswig hat zu Recht auf Grundlage der im konkreten Fall tatsächlich erfolgten separaten Vorkaufsrechtsausübung eine doppelt analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB prinzipiell abgelehnt und wegen drohenden Vollzugs des Paketverkaufs eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung erlassen.
II. Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht statt doppelt analoger Anwendung des § 467 Satz 2 BGB – Darlegungs- und Beweislast
Auch eine mehrfach analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB kann beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen und Bestehen separater statutarischer Vorkaufsrechte vor allem deshalb keine geeignete Problemlösung darstellen, weil diese kaufrechtliche Vorschrift einseitig auf das Vorliegen eines Nachteils aufseiten des durch die separate Vorkaufsrechtsausübung verpflichteten Mitverkäufers und nicht auf die Interessen des anderen Mitverkäufers sowie der verkaufsberechtigten Gesellschafter auf der Gegenseite abstellt (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Allein nach Kaufrecht kommt es daher bei separater Vorkaufsrechtsausübung nicht zu einer Erstreckung auf das von den Verkäufern im Rahmen der Vertragsfreiheit vordefinierte gesamte Anteilspaket. Da bei den üblichen wechselseitigen Vorkaufsrechten an GmbH-Geschäftsanteilen sowohl die Berechtigten als auch die Verpflichteten als Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegen, kann sich beim Paketverkauf – und daher auch im Fall des OLG Schleswig – eine Obliegenheit zur einheitlichen Ausübung der Vorkaufsrechte aus dieser zentralen mitgliedschaftlichen Verpflichtung ergeben (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Insoweit ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, die § 467 Satz 2 BGB auch im Rahmen einer weitgehenden Analogie nicht gewährleisten könnte. Zu beachten ist aber, dass die separate Vorkaufsrechtsausübung der gesetzliche Regelfall ist mit der Folge, dass die Paketverkäufer die Darlegungs- und Beweislast für eine auf einheitliche Vorkaufsrechtsausübung gerichtete Treuebindung der vorkaufsberechtigten Mitgesellschafter tragen (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Dem Vorkaufsberechtigten obliegt allerdings eine sekundäre Darlegungslast.
III. Beschränkte gesellschaftsvertragliche Lösungsmöglichkeiten – Tragweite von statutarischen Anbietungsrechten
Im Rahmen der Gestaltung einer GmbH-Satzung kann zwar die Frage der Art der Ausübung wechselseitiger Vorkaufsrechte bei Vorliegen eines Paketverkaufs besonders geregelt werden. Der bei Eintritt eines konkreten Vorkaufsfalls gegebenen Interessenlage und den sonstigen relevanten Umständen könnte dann aber nur schwer hinreichend Rechnung getragen werden. Auch dies belegt, dass die vorkaufsrechtliche Problematik eines Paketverkaufs im Streitfall letztlich nur auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gelöst werden kann. Die in der Praxis verbreiteten statutarischen Anbietungspflichten können die Vereinbarung von mitgliedschaftlichen Vorkaufsrechten zwar ergänzen, aber die hier in Rede stehenden Probleme bei der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vermeiden (vgl. zum Wesen der Anbietungspflicht in GmbH-Satzungen BGHZ 48, 141 = WM 1967, 927; Seibt in Scholz, 13. Aufl. 2022, § 15 GmbHG Rz. 118). Im Fall des BGH lautete die darauf bezogene Satzungsklausel: „Jeder zum Verkauf gelangende Anteil am Stammkapital ist zunächst jedem Gesellschafter gemäß dessen Anteil am Stammkapital und, soweit eine Übernahme nicht erfolgt, der Gesellschaft selbst anzubieten“ (BGHZ 48, 141, 145 = WM 1967, 927, 928). Lehnt ein vorkaufsberechtigter Gesellschafter nach Anbietung eines oder mehrerer Geschäftsanteile den Ankauf ab, so wird dadurch sein Verhalten bei einem nachfolgenden Anteilsverkauf mit Auslösung des Vorkaufsfalls weder gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich determiniert. Für den Gesellschafter als Adressaten einer aktuellen Anbietung ist in Bezug auf die Kaufentscheidung in erster Linie von Bedeutung, ob ein wirtschaftliches Interesse an der Aufstockung der Beteiligung zu konstatieren ist und der Kaufpreis ohne größere Schwierigkeiten finanziert werden kann. Kommt es im Anschluss an die Ablehnung des Ankaufs nach satzungskonformer Anbietung zur Entstehung des Vorkaufsfalls gem. § 463 BGB durch Anteilsverkauf, so kann für die Ausübung des Vorkaufsrechts stattdessen die Abwehr des Eintritts des vom Vorkaufsberechtigten als nicht akzeptabel klassifizierten Anteilskäufers im Vordergrund stehen. Der vorkaufsberechtigte Mitgesellschafter handelt daher grundsätzlich nicht widersprüchlich oder in sonstiger Weise treuwidrig, wenn er deswegen nunmehr das am konkreten Geschäftsanteil bestehende Vorkaufsrecht ausübt. Ob im Falle eines Paketverkaufs die Vorkaufsrechte einheitlich ausgeübt werden müssen, ist auch hier im Wege einer Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu klären.
SEC mit neuen ESG-Offenlegungspflichten für börsennotierte Unternehmen
- allen klimabezogenen Risiken, die wesentlich sind, d.h. finanzielle Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie oder die Geschäftsergebnisse haben;
- Aktivitäten, die unternommen werden, um die identifizierten Risiken zu mindern oder Anpassungsmaßnahmen umzusetzen;
- Überwachung durch die Geschäftsleitung und die Rolle des Managements in Bezug auf die wesentlichen klimabezogenen Risiken;
- Scope-1-Emissionen und/oder Scope-2-Emissionen bei großen und mittleren Unternehmen;
- Kosten und Verluste, die durch Unwetter und andere Naturereignisse im jeweiligen Geschäftsjahr entstanden sind.
Vermittlungsausschuss: Sog. unechtes Vermittlungsergebnis zum Wachstumschancengesetz
Am 21.2.2024 hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat getagt und unter anderem über das Wachstumschancengesetz beraten. Am Ende der Verhandlungen gab es ein sog. unechtes Vermittlungsergebnis. Zwar konnte der im Vorfeld erarbeitete Kompromiss, der nur noch ein Entlastungsvolumen von 3,2 Mrd. € beinhaltet, mit einer Mehrheit der Stimmen beschlossen werden, allerdings ohne die Stimmen der CDU- und CSU-Mitglieder in diesem Gremium. Das Ergebnis bedarf nun aber im weiteren Verfahren noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Sollte also die Zustimmung von CDU/CSU im Bundesrat ausbleiben, kann eine erneute Beratung im Vermittlungsausschuss erforderlich werden. Die Unionsparteien machen ihre Zustimmung weiterhin davon abhängig, dass die Ampelkoalition die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Agrardiesel rückgängig macht.
Das Vermittlungsergebnis lässt sich nur im Abgleich mit dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 (vgl. Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Bundestags) analysieren. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 können wie folgt zusammengefasst werden:
Bereits im Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzte und nur deshalb nicht mehr im Gesetz enthaltene Maßnahmen:
› Steuerliche Anpassungen der Abgabenordnung (AO) und anderer Gesetze an das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) einschließlich der befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer.
› Reform und Anpassung der Zinsschranke im Zuge der ATAD-Umsetzung (§ 4h EStG, § 8a KStG).
› Verzicht auf die Besteuerung der Soforthilfe Dezember 2022 (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG).
› Anpassung der Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG).
› Datenaustausch der Kranken- und Pflegeversicherung: Die Einführung des neuen Verfahrens wurde um zwei Jahre verschoben. Neuer Starttermin ist der 01.01.2026 (§ 52 Abs. 36 Satz 3 und 4 EStG).
Mangels Einigung aus dem Gesetz gestrichene Maßnahmen:
› Einführung einer steuerlichen Investitionsförderung in Ergänzung zu den bestehenden Projektförderungen für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 15 % der begünstigten Aufwendungen.
› Mitteilungspflichten in Bezug auf innerstaatliche Steuergestaltungen.
› Erweiterung des Verlustrücktrags auf drei Jahre sowie Anhebung des Höchstbetrags auf 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € ab dem 01.01.2024 bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2025. Ab dem Veranlagungszeitraum 2026 sollte der Höchstbetrag von ursprünglich € 1 Mio. bzw. € 2 Mio. bei Zusammenveranlagung dauerhaft auf € 5 Mio. bzw. € 10 Mio. bei Zusammenveranlagung angehoben werden (§ 10d Abs. 1 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter und den Abschreibungsmöglichkeiten zu den Sammelposten durch Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter von € 800 auf € 1.000 und für Sammelposten von € 1.000 auf € 5.000 sowie Senkung der Auflösungsdauer der Sammelposten auf drei Jahre für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden (§ 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.000 € (§ 3 Nr. 73 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen von € 28 auf € 30 und von € 14 auf € 15 ab dem 01.01.2024 (§ 9 Abs. 4a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen von 110 € auf 150 € ab dem 01.01.2024 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Anhebung der Förderung bei der energetischen Gebäudesanierung um zehn Prozentpunkte auf 30 % der Aufwendungen, sofern die Sanierung in 2024 oder 2025 erfolgt. (§ 35c Abs. 1a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Das vorzeitige Auslaufen des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz bereits zum 29.02.2024 (§ 28 Abs. 5 und 6 UStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Umsatzbesteuerung der Landwirte, Anpassung des Durchschnittssatzes für 2024 (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG-E laut Bundestagsbeschluss). Die Maßnahme soll nochmal überprüft werden, auch mit Blick auf Beihilfefragen.
Durch den Vermittlungsausschuss nochmal geänderte Maßnahmen:
› Verlustvortrag § 10d EStG: Anhebung der Prozentgrenze von 60 % auf nur noch 70 % (statt 75 % laut Bundestagsbeschluss) für 4 Jahre (2024 bis 2027) bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Auf die entsprechende Regelung bei der Gewerbesteuer laut Bundestagsbeschluss wird verzichtet.
› Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG-E): Degressive Abschreibung in Höhe von bis zu 20 % (statt 25 % laut Bundestagsbeschluss) höchstens dem 2-fachen (statt dem 2,5-fachen laut Bundestagsbeschluss) der linearen Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 (statt nach dem 31.12.2023 laut Bundestagsbeschluss) und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind.
› Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude mit 5 % (statt 6 % laut Bundestagsbeschluss) mit Baubeginn ab 01.10.2023 befristet auf 6 Jahre (§ 7 Abs. 5a EStG-E).
› § 7g EStG: Anhebung der Sonderabschreibung für Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 € im Jahr vor der Investition nicht überschreiten, von derzeit 20 % der Investitionskosten auf 40 % (statt 50 % laut Bundestagsbeschluss) der Investitionskosten für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter.
› Firmen- und Dienstwagenbesteuerung – Anhebung der Bruttolistenpreisgrenze ohne Entfall der alternativen Reichweitengrenze: Es bleibt bei der vom Bundestag beschlossenen Anhebung des Höchstbetrags für die Inanspruchnahme des Viertels der 1%-Bemessungsgrundlage für die private Nutzung bei rein elektrischen Firmenwagen (inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge), die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden, von € 60.000 auf € 70.000 Listenpreis (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG-E). Darüber hinaus sollte laut Bundestagsbeschluss die Bemessungsgrundlage bei der Bewertung der Entnahme für die private Nutzung betrieblicher Elektrofahrzeuge, die nicht in den Genuss der Viertel-Regelung kommen, und extern aufladbarer Hybridelektrofahrzeuge nur noch dann zur Hälfte anzusetzen sein, wenn das Fahrzeug einen Kohlendioxidausstoß von höchstens 50 Gramm je gefahrenem Kilometer hat. Nunmehr hat man sich allerdings darauf verständigt, dass die aktuell vorgesehene Alternative einer elektrischen Mindestreichweite des Fahrzeugs von mindestens 80 Kilometern nicht ab 2025 entfallen soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 Nr. 5 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).
› Die Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuer-Abzugsverfahren (Aufhebung von § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) soll nicht rückwirkend zum 01.01.2024 (laut Bundestagsbeschluss), sondern zum 01.01.2025 erfolgen.
› Forschungszulage; §§ 3 und 4 FZulG: Ausweitung der förderfähigen Aufwendungen auf bestimmte Sachkosten und Anhebung der maximal förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 4 Mio. € auf 10 Mio. € (statt auf 12 Mio. € laut Bundestagsbeschluss) ab dem Tag nach der Gesetzesverkündung (statt ab 01.01.2024 laut Bundestagsbeschluss); zusätzlich bleibt es bei der Erhöhung für kleine und mittlere Unternehmen um 10 Prozentpunkte.
› Die ursprünglich für Anfang 2024 angedachten Änderungen des InvStG sollen nicht rückwirkend, sondern überwiegend erst mit Gesetzesverkündung Wirksamkeit entfalten.
Vermittlungsausschuss: Einigung zum Wachstumschancengesetz läuft auf Hochtouren
Mit den Steuerentlastungen des Wachstumschancengesetzes will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die lahmende Wirtschaft anschieben. Länder und Kommunen hatten allerdings kritisiert, dass bei ihnen der Großteil der Steuermindereinnahmen anfallen sollte. Deswegen wurde – vor allem mit den Stimmen der Union – der Gesetzentwurf im Bundesrat blockiert.
Am 9.2.2024 hat man in einer Arbeitsgruppe, die den für den 21.2.2024 geplanten Termin des Vermittlungsausschusses vorbereitet, eine weitgehende Einigung mit der Union erzielt. Demnach soll das Entlastungsvolumen für die Wirtschaft nur noch 3,2 Mrd. € pro Jahr betragen. Das Volumen wird damit in etwa halbiert. Vor allem die Kommunen werden nicht so stark belastet. Auf sie sollen 555 Mio. € der erwarteten Steuermindereinnahmen des Staates entfallen, auf den Bund knapp 1,4 Mrd. € und auf die Länder knapp 1,3 Mrd. €.
Dem Vernehmen nach ist das Kernstück des geplanten Gesetzes, die geplante Prämie in Höhe von 15 Prozent der Gesamtsumme bei Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, nicht mehr in dem Paket enthalten ebenso wie die von der Ampel-Koalition vorgesehene Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen.
Die Einigung zum Wachstumschancengesetz steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Einigung zu einer Forderung, die von der Union während den Verhandlungen erhoben wurde: Die Ampel soll die kürzlich von ihr beschlossenen Maßnahmen zum Agrardiesel zurücknehmen. Diese Forderung kann zwar nicht mehr in das laufende Gesetzgebungsverfahren eingefügt werden, allerdings könnte der Vermittlungsausschuss sich darauf einigen, sie in einem künftigen Verfahren unterzubringen.
Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes? (Teil 2 – Deep Dive)
In einem Blog-Beitrag v. 13.2.2024 haben sich die Autoren zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes geäußert. In diesem Beitrag gehen die Autoren noch näher auf die Entscheidungsgrundlage und -möglichkeiten der betroffenen Unternehmen ein – insbesondere warum der „Vorratsbeschluss“ das Mittel der Wahl sein kann.
Nichtstun und hoffen oder Vorratsbeschluss? – das ist die Frage, die sich derzeit zahlreiche große börsennotierte Unternehmen im Hinblick auf ihre diesjährige Hauptversammlung stellen. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, die in den nächsten Wochen – und damit noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes – ihre Hauptversammlung einberufen werden, stehen vor der Frage, ob sie die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch auf die Tagesordnung ihrer Hauptversammlung setzen oder später eine entsprechende gerichtliche Bestellung beantragen sollten (siehe hierzu den Blog-Beitrag v. 13.2.2024).
1. Die Krux und die Vertrauensfrage für Unternehmen
Die Krux für die betroffenen Unternehmen ist wie folgt:
- Wenn die Hauptversammlung keinen (Vorrats-)Beschluss über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts fasst und der Gesetzgeber keine taugliche Übergangsregelung schafft, dann müsste der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gerichtlich bestellt werden. Ein solcher Antrag könnte – de lege lata und so wie es auch die derzeitige unveröffentlichte Fassung des Referentenentwurfs des CSRD-Umsetzungsgesetzes vorsieht – erst nach dem Ablauf des Geschäftsjahres 2024 gestellt werden (vgl. § 318 Abs. 4 HGB, § 324d HGB-E) und es wäre möglich, dass das Gericht sehr spät etwa erst im März 2025 hierüber entscheidet und ggf. sogar nicht dem Kandidatenvorschlag des Vorstands folgt, sondern einen anderen WP oder eine andere WPG zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts bestellt. Da der (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht Bestandteil des (Konzern-)Lageberichts sein wird, bestünde auch das Risiko, dass die Rechnungslegungsunterlagen nicht mehr innerhalb der 90-Tagesfrist (vgl. Empfehlung F.2 DCGK) offengelegt werden können und ggf. sogar die 4-Monatsfrist zur Übermittlung an das Unternehmensregister (vgl. § 325 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 1a HGB) nicht eingehalten werden kann.
- Bei einem Vorratsbeschluss der Hauptversammlung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts wäre hingegen – wie bei allen HV-Beschlüssen – nicht ausgeschlossen, dass ein Aktionär diesen mit einer Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angreift. Bei der im Blog-Beitrag v. 13.2.2024 vorgeschlagenen Ausgestaltung des Hauptversammlungsbeschusses dürften allerdings sowohl das Risiko einer solchen Klageerhebung als auch die Erfolgsaussichten einer Beschlussmängelklage sehr gering sein. Sollte tatsächlich eine Beschlussmängelklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss erhoben werden, dann wäre zudem nach der Gerichtspraxis und der h.M. eine gerichtliche Bestellung des Prüfers während der anhängigen Beschlussmängelklage möglich. Eine solche (absichernde) gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts könnte sich aber auch erübrigen, falls der Gesetzgeber (noch) eine Übergangsregelung vorsehen sollte, wonach der Abschlussprüfer als der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 gilt, soweit die Hauptversammlung bei diesem Bestellungsbeschluss nichts Abweichendes beschließt. Sollte eine dann noch anhängige Beschlussmängelklage wider (jegliches) Erwarten durchgreifen und den Hauptversammlungsbeschluss rückwirkend beseitigen, so hätte dies (wenn überhaupt) wohl nur geringe Folgen für die Reputation der Gesellschaft, da der Vorratsbeschluss und die Bestellung eines Nachhaltigkeitsprüfers im wohlverstandenen Unternehmensinteresse und ganz im Sinne der Aktionärsdemokratie erfolgten. Und schließlich bestünde zudem die Möglichkeit, den Tagesordnungspunkt betreffend die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Beginn der Hauptversammlung noch abzusetzen, wenn das Gesetzgebungsverfahren eine Übergangsregelung erwarten lässt, die eine entsprechende Beschlussfassung der Hauptversammlung obsolet werden ließe. Mit einem Vorratsbeschluss auf der Tagesordnung würde die Gesellschaft also auch Zeit gewinnen, um dann hoffentlich in der komfortableren Situation zu sein, nicht blind auf eine taugliche Übergangsregelung des Gesetzgebers zu hoffen.
Wie sich betroffene Unternehmen entscheiden, ist daher letzten Endes auch eine gewisse Frage des Vertrauens in die Arbeit des Gesetzgebers und der Registergerichte, nämlich zum einen ob der Gesetzgeber eine taugliche Übergangsregelung für die (erstmalige) Bestellung des Prüfers in Bezug auf den Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2024 schafft und, falls nicht, ob das jeweils zuständige Registergericht den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zügig und gemäß dem Antrag des Vorstands bestellt. Bei Zweifeln und entsprechender Folgenabschätzung kann auch ein sorgfältig zu gestaltender Vorratsbeschluss das Mittel der Wahl sein (siehe hierzu den Formulierungsvorschlag im Blog-Beitrag v. 13.2.2024) – zumal man sich anderenfalls ggf. der Frage von Aktionären, Stimmrechtsberatern und institutionellen Investoren stellen muss, warum man die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts gerade nicht auf die Tagesordnung gesetzt hat und nicht die Aktionäre hierüber entscheiden lässt.
2. Warum der „Vorratsbeschluss“ das Mittel der Wahl sein kann
Die Nichtigkeitsgründe für Hauptversammlungsbeschlüsse sind im Interesse der Rechtssicherheit im Gesetz abschließend geregelt (vgl. § 241 AktG: „nur dann nichtig, wenn“). Ungeschriebene Nichtigkeitsgründe gibt es nicht (Ehmann in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 241 AktG Rz. 10). Die Nichtigkeitsfolge ist damit im Beschlussmängelrecht die Ausnahme.
Gemäß § 241 Nr. 3 AktG ist ein Hauptversammlungsbeschluss nur dann nichtig, wenn er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der Tatbestand des § 241 Nr. 3 AktG ist von einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe geprägt und es gibt insbesondere keine allgemein akzeptierte Definition dessen, was das „Wesen der Aktiengesellschaft“ ausmacht (vgl. Austmann in MünchHdb/AG, 5. Aufl. 2020, § 42 Rz. 12). Der BGH spricht von den „Grundprinzipien des Aktienrechts“, ohne allerdings erkennen zu lassen, welche der drei Tatbestandsvarianten des § 241 Nr. 3 AktG er dabei im Blick hat (BGH. 20.9.2004 – II ZR 288/02, NJW 2004, 3561, 3562 = AG 2004, 673). Nach dem OLG München liegt ein Verstoß gegen das Wesen der AG vor, „wenn gegen einen fundamentalen Grundsatz des aktuell geltenden Aktienrechts verstoßen wird, der nicht bereits durch eine speziellere Regelung geschützt bzw. sanktioniert wird und dieser Verstoß auch unter Berücksichtigung der Wertung des Gesetzgebers, wonach die Nichtigkeit die Ausnahme eines Rechtsverstoßes darstellt, die Nichtigkeit nach sich ziehen soll“ (OLG München v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, NZG 2013, 459, 461 = AG 2013, 173).
Nichtig wegen Verstoßes gegen das Wesen der Aktiengesellschaft sind nach h.M. kompetenzüberschreitende Hauptversammlungsbeschlüsse, die in die Zuständigkeit eines anderen Gesellschaftsorgans eingreifen (vgl. Englisch in Hölters/Weber, 4. Aufl. 2022, § 241 AktG Rz. 66: „Angelegenheit ausschließlich der Kompetenz eines anderen Organs zugeordnet“; Ehmann in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 241 AktG Rz. 16: „Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen den Organen“; Drescher in BeckOGK/AktG, Stand: 1.10.2023, § 241 AktG Rz. 238: „Beschluss fällt in die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Organs“; Koch, ZHR 182 [2018], 378, 389 f.: „Kompetenzverletzungen zu Lasten anderer Gesellschaftsorgane“; hingegen weniger deutlich, aber i.E. auch Koch, 17. Aufl. 2023, § 241 AktG Rz. 17; Schäfer in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 AktG Rz. 62).
Unseres Erachtens greift ein Beschluss der Hauptversammlung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes nicht in die Kompetenz eines anderen Gesellschaftsorgans ein. Der Aufsichtsrat ist weder nach derzeitiger Rechtslage noch nach Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes dafür zuständig, den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu bestellen. De lege lata ist der Aufsichtsrat zwar befugt, eine (freiwillige) externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. §§ 289b, 315b HGB zu beauftragen (vgl. § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG) – eine Befugnis, über die der Aufsichtsrat im Übrigen (nur) verfügt, weil der von der Hauptversammlung zu bestellende Abschlussprüfer keine (verpflichtende) inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung vornimmt (vgl. § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB). Um den Prüfer der nichtfinanziellen Berichterstattung geht es aber vorliegend nicht, sondern um den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts im Sinne der CSRD, für den die CSRD eine externe Prüfung durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen sog. unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen vorsieht.
Wenn man die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses – abseits eines Eingriffs in die Kompetenz eines anderen Gesellschaftsorgans – allein damit begründen wollte, dass die Hauptversammlung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) nicht über die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts verfügt, weil sie ihr im Gesetz (bislang) nicht (ausdrücklich) zugeordnet ist (vgl. § 119 Abs. 1 AktG), wäre dies wegen des Ausnahmecharakters der Nichtigkeit sehr fraglich und unseres Erachtens nicht ausreichend.
Damit käme allenfalls eine Anfechtungsklage wegen vermeintlicher Unzuständigkeit der Hauptversammlung für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes infrage.
Dagegen könnte allerdings argumentiert werden, dass die für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständige Hauptversammlung (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG) erst recht auch für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zuständig sein muss (argumentum a maiore ad minus). Denn wenn die Hauptversammlung bereits für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständig ist und der Abschlussprüfer auch den Lagebericht prüfen muss (vgl. § 316 Abs. 1 HGB), der zukünftig um den Nachhaltigkeitsbericht als weiteren prüfungspflichtigen Gegenstand zu erweitern ist, dann muss – in dem (starren) Organisationsgefüge bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – dieser Hauptversammlungsbefugnis auch die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts immanent sein.
Darüber hinaus kann das Risiko einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage dadurch minimiert werden, dass der Hauptversammlungsbeschluss über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts (i) mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gefasst wird und (ii) seine Durchführung nur für den Fall angeordnet wird, dass ein für das Geschäftsjahr 2024 zu erstellender Nachhaltigkeitsbericht extern durch einen von der Hauptversammlung zu bestellenden Prüfer zu prüfen ist (siehe hierzu den Formulierungsvorschlag im Blog-Beitrag v. 13.2.2024).
Der Beschluss wird also nur wirksam, wenn das CSRD-Umsetzungsgesetz in Kraft tritt und die entsprechende Bestellungskompetenz der Hauptversammlung ausdrücklich zuweist; ansonsten entfaltet der Beschluss keinerlei Rechtswirkungen. Eine Kompetenzüberschreitung durch die Hauptversammlung wäre daher unseres Erachtens fernliegend. Zudem ist mit einer solchen Ausgestaltung des Beschlusses auch dessen Vereinbarkeit mit der Rechtslage nach dem CSRD-Umsetzungsgesetz sichergestellt.
Darüber hinaus kann der Beschluss während der Schwebezeit bis zum Eintritt der Wirksamkeitsvoraussetzung auch nicht mit einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage angegriffen werden (Schäfer in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 AktG Rz. 16; Austmann in MünchHdb/AG, 5. Aufl. 2020, § 42 Rz. 13).
Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die Hauptversammlung 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes? (Teil 1 – Intro)
Der Beitrag wurde am 15.2.2024 aktualisiert und ergänzt. In einem weiteren Blog-Beitrag v. 15.2.2024 (Deep Dive) gehen die Autoren noch näher auf die Entscheidungsgrundlage und -möglichkeiten der betroffenen Unternehmen ein – insbesondere warum der Vorratsbeschluss das Mittel der Wahl sein kann.
Nach der am 5.1.2023 in Kraft getretenen Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bereits für nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahre ihren Lagebericht um einen Nachhaltigkeitsbericht erweitern, der extern durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen sog. unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen zu prüfen ist. Damit müssen also Unternehmen, die bereits heute der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. § 289b Abs. 1, § 315b Abs. 1 HGB unterliegen, erstmals für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen und extern prüfen lassen. Im ersten Quartal 2025 werden somit die ersten Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten haben die CSRD bis zum 6.7.2024 in nationales Recht umzusetzen.
I. Gesetzgebungsverfahren und seine Folgen für die HV-Saison 2024
Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht („RefE“) ist in Kürze zu rechnen. Die derzeit in der Ressortabstimmung befindliche (unveröffentlichte) Fassung des RefE vom 11.12.2023 sieht vor, dass der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts nicht zwingend der Abschlussprüfer des Jahres- bzw. Konzernabschlusses sein muss, sondern auch ein anderer Wirtschaftsprüfer („WP“) bzw. eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft („WPG“) sein kann. Eine Übergangsregelung für die (erstmalige) Bestellung des Prüfers in Bezug auf den Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2024 sieht die Entwurfsfassung des RefE nicht vor.
Zahlreiche Unternehmen, die in den nächsten Wochen – und damit noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes – ihre Hauptversammlung einberufen werden, stehen daher vor der Frage, ob sie die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch auf die Tagesordnung ihrer Hauptversammlung setzen sollten. Eine spätere Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch eine weitere (außerordentliche) Hauptversammlung nach Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes scheidet schon aus Kostengründen aus, so dass der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gerichtlich bestellt werden müsste.
1. Gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts
Wird der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 nicht durch die Hauptversammlung gewählt, müsste er auf Antrag durch das zuständige Gericht bestellt werden. Falls das CSRD-Umsetzungsgesetz die für die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers geltende Regelung des § 318 Abs. 4 HGB für entsprechend anwendbar erklärt (wie in der derzeitigen Entwurfsfassung des RefE vorgesehen), würde dies insbesondere zweierlei bedeuten:
a) Der Antrag auf gerichtliche Bestellung könnte erst nach dem Ablauf des Geschäftsjahres 2024 gestellt werden – und zwar selbst dann, wenn bereits vorher abzusehen ist, dass die Hauptversammlung den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts nicht mehr vor dem Geschäftsjahresende wählen wird (h.M., z.B. Justenhoven/Heinz in BeckBilanzKomm, 13. Aufl. 2022, § 318 HGB Rz. 111 m.w.N.; a.A. etwa Mylich in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, 4. Aufl. 2024, § 318 HGB Rz. 156). Bis das zuständige Registergericht am Sitz der Gesellschaft über den Antrag entscheidet, können ggf. mehrere Wochen vergehen (s.u. b)), so dass eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts etwa auch erst im März 2025 nicht ausgeschlossen wäre.
b) Neben dem zur Antragstellung berechtigten und verpflichten Vorstand und dem antragsbefugten Aufsichtsrat könnte auch jeder Aktionär beim zuständigen Registergericht am Sitz der Gesellschaft einen Antrag auf Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts stellen und für den WP bzw. die WPG entsprechende Vorschläge unterbreiten. Solche Aktionärsanträge würden nicht nur das gerichtliche Bestellungsverfahren in die Länge ziehen, sondern hätten aus Sicht des Vorstands zudem das Risiko, dass das Gericht bei der Auswahl des Prüfers nicht seinem Vorschlag folgt. Denn das Gericht ist auch an die Vorschläge der Verwaltungsorgane nicht gebunden, und zwar selbst dann, wenn beantragt wird, dass die WPG, welche die Abschlussprüfung bereits durchführt, auch die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung übernimmt.
Vor diesem Hintergrund wäre für das CSRD-Umsetzungsgesetz eine Übergangsregelung wünschenswert, die eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsbericht 2024 bereits vor dem Ende des Geschäftsjahrs 2024 gestattet und die Aktionäre von den Antragsberechtigten ausnimmt, etwa wie folgt:
„Ist der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das zum 31.12.2024 endende Geschäftsjahr bis zum Ablauf des 31.8.2024 noch nicht gewählt worden, so hat das Gericht auf Antrag des Vorstands oder Aufsichtsrats den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu bestellen.“
Noch vorzugswürdiger wäre eine Übergangsregelung, wonach der Abschlussprüfer als der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 gilt, soweit die Hauptversammlung bei diesem Bestellungsbeschluss nichts Abweichendes beschließt.
Da sich Unternehmen kaum auf die Einführung einer solchen Übergangsregelung werden verlassen können, gilt es folgende Handlungsoption zu erwägen:
2. Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes
Sollten also die betroffenen Unternehmen die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bereits vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes von ihrer Hauptversammlung beschließen lassen und damit schon vor Abschluss des erst noch einzuleitenden Gesetzgebungsverfahrens auf die Tagesordnung ihrer HV-Einberufung setzen?
Gegen die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die Hauptversammlung vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes könnte vorgebracht werden, dass die Hauptversammlung zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts verfügt. Denn nach § 119 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung (nur) in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen; bis zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gehört aber die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch nicht zu den (ausdrücklichen) Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung, sondern (lediglich) die Bestellung des Abschlussprüfers (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG).
Dieser Argumentation könnte jedoch wiederum entgegengehalten werden, dass die für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständige Hauptversammlung erst recht auch für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zuständig sein muss (argumentum a maiore ad minus). Denn wenn die Hauptversammlung bereits für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständig ist und der Abschlussprüfer auch den Lagebericht prüfen muss (vgl. § 316 Abs. 1 HGB), der zukünftig um den Nachhaltigkeitsbericht als weiteren prüfungspflichtigen Gegenstand zu erweitern ist, dann muss – in dem (starren) Organisationsgefüge bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – dieser Hauptversammlungsbefugnis auch die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts immanent sein.
Darüber hinaus würde eine vermeintliche Unzuständigkeit der Hauptversammlung für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes (lediglich) zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, also nicht seine Nichtigkeit begründen (vgl. § 241, § 243 Abs. 1 AktG). Und falls dann überhaupt eine Anfechtungsklage innerhalb der Einmonatsfrist erhoben werden sollte, dürfte hier die Gerichtspraxis in der Weise helfen, dass bei einer anhängigen Anfechtungsklage analog § 318 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 HGB eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zulässig wäre, und zwar auch schon vor Abschluss des Geschäftsjahres (OLG Karlsruhe v. 27.10.2015 – 11 Wx 87/15, AG 2016, 42 ff.; Koch, 17. Aufl. 2023, § 243 AktG Rz. 44f m.w.N.).
Schließlich könnte dem möglichen Vorbringen der (einstweiligen) Unzulässigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, mit dem die den Jahresabschluss zum 31.12.2024 prüfende WPG auch zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 bestellt wird, dadurch begegnet werden, dass der Hauptversammlungsbeschluss mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gefasst wird.
Vor dem Hintergrund aber, dass sich das Risiko einer Anfechtungsklage nicht vollständig ausschließen lässt, sollte die Beschlussfassung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 aus Vorsichtsgründen als separater Tagesordnungspunkt mit Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats aufgenommen werden. Denn dann dürften sogar Berufskläger kaum geneigt sein, eine Anfechtungsklage wegen vermeintlicher Unzuständigkeit der Hauptversammlung zu erheben, weil der gesonderte (Standard-)Hauptversammlungsbeschluss über die Bestellung des Abschlussprüfers davon unberührt bliebe. Wenn dem nicht so wäre, d.h. bei einer einheitlichen Beschlussfassung über die Bestellung des Abschlussprüfers und des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts, hätten die Kläger ein höheres Drohpotenzial, da die möglichen Folgen einer erfolgreichen Wahlanfechtung von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses bis zur drohenden Rückabwicklung von Dividendenzahlungen reichen.
Im Falle eines – zu empfehlenden – gesonderten Tagesordnungspunkts bestünde zudem die Möglichkeit, den Tagesordnungspunkt betreffend die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Beginn der Hauptversammlung wieder abzusetzen. Eine Absetzung des Tagesordnungspunkts könnte z.B. in Betracht kommen, wenn das Gesetzgebungsverfahren eine Übergangsregelung erwarten lässt, die eine entsprechende Beschlussfassung der Hauptversammlung obsolet werden ließe.
II. Vorschlag für den Tagesordnungspunkt und Beschlussvorschlag zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts in der HV-Einberufung vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes
[•]. Beschlussfassung über die Wahl des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024
Nach der am 5.1.2023 in Kraft getretenen Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bereits für nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahre ihren (Konzern-)Lagebericht um einen (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht erweitern, der extern durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen zu prüfen ist. Damit müssen also Unternehmen, die wie die [Firma der Gesellschaft] bereits heute der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. § 289b Abs. 1, § 315b Abs. 1 HGB unterliegen, erstmals für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht für die Gesellschaft und den Konzern aufstellen und extern prüfen lassen.
Die EU-Mitgliedstaaten haben die CSRD bis zum 6.7.2024 in nationales Recht umzusetzen. Es ist somit davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber ein Gesetz zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht („CSRD-Umsetzungsgesetz“) verabschieden und das CSRD-Umsetzungsgesetz bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist in Kraft treten wird. [ggf. Ausführungen zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahren ergänzen]
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft schlägt daher – gestützt auf die Empfehlung seines Prüfungsausschusses – vor, die [Wirtschaftsprüfungsgesellschaft], [Sitz], Zweigniederlassung [Ort], mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 zu wählen. Der Beschluss kommt nur zur Durchführung, wenn nach dem CSRD-Umsetzungsgesetz ein für das Geschäftsjahr 2024 zu erstellender Nachhaltigkeitsbericht extern durch einen von der Hauptversammlung zu bestellenden Prüfer zu prüfen ist.
Der Prüfungsausschuss hat in seiner Empfehlung gemäß Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Abschlussprüferverordnung (Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission) erklärt, dass diese frei von ungebührlicher Einflussnahme durch Dritte ist und ihm keine die Auswahlmöglichkeiten der Hauptversammlung beschränkende Klausel der in Art. 16 Abs. 6 der EU-Abschlussprüfungsverordnung genannten Art auferlegt wurde.
Abschließend noch ein Hinweis zur Vorbereitung eines solchen „Vorratsbeschlusses“: Der Prüfungsausschuss ist nicht verpflichtet (etwa abgeleitet aus Art. 16 Abs. 2 UAbs. 2 Abschlussprüferverordnung – „AP-VO“), dem Aufsichtsrat zwei Vorschläge für den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu unterbreiten. Die AP-VO gilt (nur) für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) Abschlussprüfungen durchführen. Mit der CSRD ist die AP-VO nur marginal dahingehend angepasst worden, dass auch bestimmte Nichtprüfungsleistungen verboten sind, wenn der Abschlussprüfer die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durchführt. In der CSRD ist insbesondere auch keine Vorgabe vorgesehen, dass für den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts eine vorherige Ausschreibung erforderlich ist, welche gewissermaßen die Grundlage für zwei Vorschläge des Prüfungsausschusses an den Aufsichtsrat bilden würde.
(Keine) Einbeziehung der Finanzbranche in die CS3D?
Am 14.12.2023 haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, „CS3D“) erzielt. Die formelle politische Einigung über die Richtlinie im Rat steht zwar noch aus, ein entsprechendes Draft Agreement wurde aber bereits veröffentlicht. Bis zuletzt war zwischen Parlament und Rat, aber auch unter den einzelnen EU-Mitgliedstaaten umstritten, ob bzw. inwieweit die CS3D die Finanzbranche einbeziehen soll. Während sich das Parlament für eine möglichst umfassende Regulierung einsetzte, plädierten die Mitgliedstaaten für Ausnahmen für Finanzakteure. Das Draft Agreement sieht nun eine Kompromisslösung vor.
Einbeziehung bestimmter regulierter Finanzunternehmen
Nach Art. 2 Abs. 7 Draft Agreement sind Alternative Investmentfonds (AIF) i.S.v. Art. 4 Abs. 1 RL 2011/61/EU, also etwa Hedgefonds, Private Equity- und Immobilienfonds, sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S.v. Art. 1 Abs. 2 RL 2009/65/EG nun aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen.
Eine Vielzahl regulierter Finanzunternehmen fällt jedoch weiterhin nach Art. 3 lit. a Ziff. iv Draft Agreement unter die Definition eines „Unternehmens“ i.S.d. CS3D und damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der CS3D. Sie sind dabei sogar unabhängig von ihrer Rechtsform erfasst, während sich der Adressatenkreis bei sonstigen Unternehmen auf bestimmte Rechtsformen beschränkt. Für regulierte Finanzunternehmen gelten die auch für sonstige Unternehmen vorgesehenen Umsatz- und Arbeitnehmerschwellen aus Art. 2 Draft Agreement. Das Draft Agreement zählt abschließend auf, welche Akteure die CS3D unter die Definition des „regulierten Finanzunternehmens“ fasst. Hierzu gehören etwa bestimmte Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Verwalter von AIF, Verwaltungsgesellschaften von OGAW, Finanzholdinggesellschaften und Zahlungsinstitute.
Reichweite der Sorgfaltspflichten
Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag verwendet das Draft Agreement nicht mehr den Begriff der Wertschöpfungskette, sondern stellt maßgeblich auf die Tätigkeit in der „Aktivitätskette“ des jeweiligen Unternehmens ab. Dabei schließt jedoch nur der vorgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette („upstream“) die Erbringung von Dienstleistungen ein, nicht aber der nachgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette (“downstream“), Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreemeent.
Diese Regelung bedeutet für die Finanzbranche, dass Finanzdienstleistungen, also die „downstream“-Aktivitätskette, aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen sind. Für den vorgelagerten Teil ihrer Aktivitätskette unterliegen jedoch auch regulierte Finanzunternehmen den Sorgfaltspflichten der CS3D (vgl. Erwägungsgrund 19). In der Praxis dürfte die Ausnahme von Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der CS3D etwa dazu führen, dass sich die Sorgfaltspflichten von Banken nach der CS3D nicht auf deren Kunden beziehen.
Mit der Ausnahme der Erbringung von Dienstleistungen aus der nachgelagerten Aktivitätskette wurde eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die zunächst zugunsten der Finanzbranche vorgesehen waren, obsolet und aus dem Entwurf gestrichen. Nach der Vorfassung mussten regulierte Finanzunternehmen etwa bei der Vergabe von Krediten und Darlehen keine tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsbelange identifizieren und bewerten.
Überprüfungsklausel
Die Entscheidungen zur Einbeziehung der Finanzbranche in den Anwendungsbereich der CS3D sollen teilweise zu einem späteren Zeitpunkt einer Evaluation unterzogen – und dann gegebenenfalls revidiert – werden. Die Kommission ist nach Art. 29 Abs. 1 Draft Agreement verpflichtet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der CS3D, spätestens jedoch zwei Jahre danach, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht dazu vorzulegen, inwiefern zusätzliche Sorgfaltspflichten für regulierte Finanzunternehmen in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen und Anlagetätigkeiten notwendig sind (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 70 des Draft Agreement). Gegenstand eines weiteren Prüfberichts der Kommission, der spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten der CS3D an das Parlament und den Rat zu erstatten ist, soll nach Art. 29 Abs. 2 lit. d Draft Agreement die Definition der nachgelagerten Aktivitätskette aus Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreement sein. Damit stünde auch die Ausnahme von Finanzdienstleistungen auf dem Prüfstand.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob die im Draft Agreement vorgesehenen Regelungen in dieser Form in Kraft treten und wie die Mitgliedstaaten sie in diesem Fall in nationales Recht umsetzen werden. Angesichts der frühen Evaluation, die teilweise bereits zum Ende der Umsetzungsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CS3D anstünde, dürfte die Einbeziehung der Finanzbranche weiter intensiv diskutiert werden.
Vermittlungsausschuss: Beratung zum Wachstumschancengesetz am 21.2.2024
Der Bundesrat hat offiziell verkündet, dass der Vermittlungsausschuss am 21.2.2024 zur Beratung über das Wachstumschancengesetz zusammentreten wird. Ein solcher Termin war im vergangenen Jahr nicht mehr zustande gekommen, weil sich die Koalition einerseits und die Länder andererseits zunächst über die Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2024 einig werden wollten. Hintergrund ist, dass das Wachstumschancengesetz haushaltswirksame Regelungen in Höhe von 6 bis 7 Mrd. € enthält und deshalb die Haushaltslage abgewartet werden sollte. Nun steht zur Debatte, in welcher Höhe insbesondere die Länder bereit sind, Aufkommenseinbußen mitzutragen.
Dem Vernehmen nach wird ein Vorschlag diskutiert, der auf ein Gesamtvolumen von nur noch etwa 3 Mrd. € hinauslaufen würde. Gekürzt werden müsste dann insbesondere bei den geplanten Maßnahmen zur degressiven Afa, zum Abbau der unsystematischen Beschränkungen bei der Verlustverrechnung sowie bei der Investitionsprämie. Der Entwurf soll außerdem auch nicht haushaltswirksame Maßnahmen enthalten, wie z.B. die Einführung der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen sowie die Einführung der obligatorischen e-Rechnung im zwischenunternehmerischen Bereich.
Welche Regelungen es durch den Vermittlungsausschuss schaffen und welche nicht, bleibt daher spannend. Auch steuerfremde Themen können insoweit Einfluss auf ein etwaiges Verhandlungsergebnis haben, als am 21.2.2024 insgesamt vier Gesetzgebungsvorhaben im Vermittlungsausschuss beraten werden. Neben dem Wachstumschancengesetz sind dies auch das „Krankenhaustransparenzgesetz“, das „Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz“ sowie das „Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten“.
Fokus-Risiken der BaFin für 2024
Mitte Januar veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Übersicht zu den Risiken, die sie im Jahr 2024 bei der Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Versicherern besonders in den Fokus nehmen wird.
Sie benennt darin sieben Risiken, die am ehesten die Finanzstabilität oder die Integrität der Finanzmärkte in Deutschland gefährden könnten:
- Risiken aus signifikanten Zinsanstiegen,
- Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten,
- Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten,
- Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen,
- Risiken aus Cyber-Attacken mit gravierenden Auswirkungen,
- Risiken aus unzureichender Geldwäscheprävention,
- Risiken aus Konzentrationen bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen.
Ergänzend zu den Risiken legt die BaFin auch ein Augenmerk bei Kreditinstituten und Versicherern auf die angemessene Berücksichtigung und den Umgang mit langfristigen Trends. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und geopolitische Umbrüche werden genannt und sind für die Beaufsichtigung des Finanzwesens relevant.
Fokus: Nachhaltigkeit
Wie auch schon im „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeit“ (2019) sieht die BaFin Klima- und Umweltrisiken nicht als eigenständige (neue) Risikoart, sondern als Teil von Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Haftungs- und Reputationsrisiken sowie von operationellen, versicherungstechnischen und strategischen Risiken. Sie übernahm diesen Ansatz in die neue MaRisk (2023).
Die BaFin verweist in diesem Zusammenhang auf eine Auswertung der Deutschen Bundesbank, in der das Management von Nachhaltigkeitsrisiken bei weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions) untersucht wurde. Im Ergebnis lässt sich ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Risikomanagements von Kreditinstituten und Versicherern ableiten. Dementsprechend erwartet die BaFin, dass die von ihr beaufsichtigten Unternehmen Erkenntnisse aus Stresstests und Szenarioanalysen, die auch Nachhaltigkeitsrisiken integrieren, zunehmend in die Strategie und ins Risikomanagement einfließen lassen.
Darüber hinaus nimmt auch die Prüfung der Offenlegungspflichten nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR – Offenlegungs-VO (EU) 2019/2088) sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung i.S.d. der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 und zukünftig der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – RL (EU) 2022/2464) Raum in der Beaufsichtigung ein.