KapMuG-Reform: Problematische Änderungen im Rechtsausschuss

Am 13.6.2024 fand im Deutschen Bundestag die zweite und dritte Beratung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) statt (vgl. BT‑Drucks. 20/10942). Wenige Tage zuvor haben die Regierungsfraktionen tiefgreifende und überwiegend ausgesprochen problematische Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf vorgeschlagen, die Gegenstand dieser Beratungen waren. Die vorgeschlagenen Änderungen gehen zurück auf die Empfehlungen des Rechtsausschusses (BT‑Drucks. 20/11787). Im Folgenden werden die vom Rechtsausschuss empfohlenen und vom Bundestagsplenum angenommenen wesentlichen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzesentwurfs kritisch gewürdigt.

Neufassung von Feststellungszielen im Eröffnungsbeschluss

Das Oberlandesgericht ist nach dem Regierungsentwurf nicht mehr an den Vorlagebeschluss des Landgerichts gebunden, sondern erlässt einen eigenen Eröffnungsbeschluss (§ 9 Abs. 1 KapMuG-E). Diese wesentliche Neuerung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage soll die Verfahrensherrschaft des Oberlandesgerichts stärken (BT‑Drucks. 20/10942, 33). Nicht vollständig geklärt war bislang, welcher Prüfungsmaßstad für den Erlass des Eröffnungsbeschlusses gelten soll und inwieweit das Oberlandesgericht die Feststellungsziele „inhaltlich zuschneiden“ können soll.

Der Rechtsausschuss empfiehlt nun, dass das Oberlandesgericht die Feststellungsziele innerhalb des durch die vorgelegten Musterverfahrensanträge gezogenen Rahmens auch teilweise oder gänzlich „neu fassen“ kann, um die Sachdienlichkeit der Klärung des betreffenden Feststellungsziels im Musterverfahren erst herzustellen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KapMuG‑E; Empfehlungen des Rechtsausschusses, BT‑Drucks. 20/11787, 46 f.). Gegenüber dem Regierungsentwurf soll damit der Spielraum des Oberlandesgerichts beim Erlass seines Eröffnungsbeschlusses und der Festlegung der Feststellungsziele erweitert werden. In der Regierungsbegründung wurde jedoch zu Recht klargestellt, dass sich das Oberlandesgericht bei der Bestimmung der Feststellungsziele im Einklang mit § 308 Abs. 1 ZPO innerhalb des durch die vorlegten Musterverfahrensanträge bestimmten potenziellen Rahmens des Musterverfahrens halten muss (BT‑Drucks. 20/10942, 34).

Das von der Beschlussempfehlung angestrebte (sehr) weite Ermessen des Oberlandesgerichts bei der Festlegung der Feststellungsziele darf keinesfalls dazu führen, dass das Oberlandesgericht im Eröffnungsbeschluss gleichsam von Amts wegen und damit entgegen § 308 Abs. 1 ZPO den Streitgegenstand des Musterverfahrens selbst bestimmt. Vielmehr muss auch weiterhin die Maxime gelten, dass auf der Grundlage unzulässiger Musterverfahrensanträge kein Musterverfahren durchgeführt werden darf (vgl. zum RegE: Liebscher/Steinbrück/Vollmerhausen, WM 2024, 1058, 1062).

Zu weitgehende Lockerung des Aussetzungsmaßstabs

Dreh- und Angelpunkt einer sachgerechten Verbindung der Ausgangsverfahren vor den Landgerichten mit dem Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht ist das Merkmal der „Abhängigkeit“ der Ausgangsverfahren von der Klärung der Feststellungsziele im Musterverfahren (derzeit § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG).

Die Beschlussempfehlung sieht nun vor, dass alle Ausgangsverfahren ausgesetzt werden sollen, die „voraussichtlich“ von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängen (§ 10 KapMuG-E). Das Prozessgericht soll eine „von einem Wahrscheinlichkeitsurteil getragene Prognoseentscheidung“ treffen (Empfehlungen des Rechtsausschusses, BT‑Drucks. 20/11787, 47). Es soll damit ein sog. abstrakter Abhängigkeitsbegriff kodifiziert werden, die eine Abkehr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedeuten würde, nach der ein konkreter Maßstab bei der Aussetzungsentscheidung anzulegen ist (vgl. BGH v. 30.4.2019 – XI ZB 13/18, WM 2019, 1553).

Nach der sachgerechten Rechtsprechung des BGH dürfen nur diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen vor der Aussetzung offenbleiben, die den Feststellungszielen des Musterverfahrens nachgelagert sind und die nur auf der Grundlage des Musterentscheids sinnvoll beantwortet werden können. Zu allen anderen Tatsachenfragen ist ggf. Beweis zu erheben, bevor das betreffende Ausgangsverfahren ausgesetzt werden kann. Diese Rechtsprechung beruht auf zentralen verfassungsrechtlich verankerten Rechtsschutzerwägungen: Die Beteiligung an einem Musterverfahren bei gleichzeitiger Aussetzung des eigenen Ausgangsverfahrens vor dem Landgericht ist den Parteien nicht zuzumuten, wenn nicht feststeht, dass es für ihren individuellen Rechtsstreit auf den Ausgang des Musterverfahrens ankommt. Wenn die im Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziele für das eigene Ausgangsverfahren unerheblich sind, darf das Ausgangsverfahren nicht ausgesetzt werden, weil den Parteien ansonsten der verfassungsrechtlich gewährte effektive Rechtsschutz verweigert wird.

Schon unter dem geltenden Recht sind die Landgerichte incentiviert, mit leichter Hand selbst unzulässige, unschlüssige und selbst Klagen, in denen es nicht einmal um kapitalmarktrechtliche Haftungsnormen geht, auszusetzen und die Prozessparteien mit ihrem Rechtsstreit gleichsam in einem KapMuG-Verfahren „zu parken“ (vgl. dazu eingehend Liebscher/Steinbrück/Vollmerhausen, WM 2024, 1058, 1065 ff.). Die Einführung eines abstrakten Aussetzungsmaßstabs würde zur Folge haben, dass die Landgerichte noch schneller Verfahren aussetzen könnten, zumal die dann nur noch geforderte „von einem Wahrscheinlichkeitsurteil getragene Prognoseentscheidung“ kaum justiziabel wäre. Die Aussetzungsstreitigkeiten würde sich dann zwangsläufig in das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht verlagern, was zu erheblichen Verfahrenszögerungen führen würde.

Die angestrebte Lockerung des Gesetzgebers bei der Aussetzung der Ausgangsverfahren wird auch das von ihm angestrebte Ziel, die Anzahl der Beteiligten im Musterverfahren zu verringern (BT‑Drucks. 20/10942, 25, 35), offensichtlich verfehlen. Will der Gesetzgeber die Anzahl der Beteiligten im Musterverfahren verringern, muss er einen konkreten Abhängigkeitsmaßstab wählen, wie ihn die Rechtsprechung bereits vorgegebenen hat, damit nur solche Verfahren ausgesetzt werden, deren Entscheidung in materiell-rechtlicher Hinsicht konkret von den Feststellungszielen abhängt. Bei einem abstrakten Maßstab würden eher mehr als weniger Verfahren ausgesetzt werden (sofern der Kläger einen Antrag auf Aussetzung stellt, dazu sogleich), da die Voraussetzungen niedriger sind.

Will der Gesetzgeber das Musterverfahren „entschlacken“ (zu diesem trügerischen Gesetzgebungsziel s. Liebscher/Steinbrück/Vollmerhausen, WM 2024, 1058, 1064), muss bereits auf der Ebene der Landgerichte – wie in anderen Zivilprozessen auch – frühzeitig die „Spreu vom Weizen getrennt“ werden. Es dürfen nur zulässige und schlüssige Ausgangsverfahren ausgesetzt werden, da nur deren Prozessparteien ein legitimes Interesse am Ausgang des Musterverfahrens haben. Nur dieses Regelungsmodell fördert die Effektivität der Streiterledigung bei kapitalmarktrechtlichen Massenverfahren und wird dem Anspruch der Parteien auf effektiven Rechtsschutz gerecht.

Aussetzungsantrag nur noch vom Kläger

Weiter sieht die Beschlussempfehlung vor, dass nur noch der Kläger einen Aussetzungsantrag stellen kann (§ 10 Abs. 2 KapMuG-E). Der Beklagte soll keine Möglichkeit mehr haben, alle gegen sich gerichteten Verfahren, die von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängen, zu bündeln. Seine Verteidigungsmöglichkeiten würden damit erheblich und ohne Sachgrund eingeschränkt. Als Begründung wird angeführt, mit dieser Regelung die „klägerische Dispositionsbefugnis über die Art und Weise der Rechtsverfolgung“ stärken zu wollen. Ein etwaiges Interesse des Beklagten, sich nur in einem einheitlichen Musterverfahren verteidigen zu müssen, trete dahinter zurück (Empfehlungen des Rechtsausschusses, BT‑Drucks. 20/11787, 47).

Die mit dieser Änderung angestrebten vermeintlichen Rechtsschutzverbesserung für die Kläger wird allerdings in der Regel nicht erreicht werden, wenn einzelne Ausgangsverfahren parallel zum Musterverfahren geführt werden. Sofern es in den Parallelprozessen zumindest teilweise um identische Streitfragen geht, besteht – neben der Gefahr von widersprechenden Entscheidungen – das erhebliche Risiko paralleler Beweisaufnahmen in Parallel- und Musterverfahren. Denn der Sachverhalt müsste sowohl im Parallelprozess als auch im Musterverfahren ermittelt werden, so dass bei streitigen entscheidungserheblichen Tatsachen Beweis erhoben werden muss. Der Vorteil des Musterverfahrens liegt schließlich gerade in der einheitlichen Entscheidung über kollektive entscheidungserhebliche Streitfragen. Dieses Kernmerkmal des KapMuG-Modells würde mit der vorgesehenen Änderung weitgehend aufgegeben werden, da nicht einmal der Beklagte Verfahren, die auf demselben Lebenssachverhalt beruhen, in einem Musterverfahren bündeln kann. Es droht eine Zersplitterung der kapitalmarktrechtlichen Massenverfahren. Dies würde das Ziel einer effizienten Verfahrensführung und der Entlastung der Justiz geradezu konterkarieren. Es gilt stattdessen, Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagten herzustellen und beiden Seiten ein Antragsrecht auf Aussetzung des Verfahrens einzuräumen.

Vorlage von Beweismitteln

Gänzlich neu ist § 17 KapMuG-E, der die Vorlage von Beweismitteln regeln und eine Konkretisierung des Regelungsgedankens der §§ 142 ff. ZPO darstellen soll.  Die Regelung ist an § 33g GWB angelehnt (s. dazu Hellmann/Steinbrück, NZKart 2017, 164 ff.).

Bei der prozessualen Dokumentenvorlage nach § 142 ZPO stellen die Gerichte hohe Anforderungen bezüglich der Identifizierung und des behaupteten Inhalts der vorzulegenden Dokumente; eine Ausforschung der Gegenpartei soll vermieden werden (Bünnigmann in Anders/Gehle, 82. Aufl. 2024, § 142 ZPO Rz. 8). Auch nimmt § 142 ZPO dem Kläger nicht seine allgemeine Darlegungs- und Substantiierungslast ab. Diese Grundsätze sollen auch beim neuen § 17 KapMuG-E gelten, wobei die Beweismittel so genau bezeichnet werden müssen, „wie dies auf Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist„.

Die Beschlussempfehlung will mit dieser Regelung die bei kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten angeblich bestehenden wechselseitigen Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten abbauen (Empfehlungen des Rechtsausschusses, BT‑Drucks. 20/11787, 48). Dabei soll das Informationsinteresse des Antragstellers mit den Geheimhaltungsinteressen des Anspruchsgegners sorgfältig abgewogen und, sofern möglich, in einen Ausgleich gebracht werden. Dazu sieht § 17 Abs. 3 KapMuG-E eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In diesem Spannungsfeld obliegt es dem um Auskunft ersuchten Unternehmen bzw. seiner Prozessbevollmächtigten, dessen berechtigten Schutzinteressen durchzusetzen. Vielfach wird auf die zu § 33g GWB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen seien, wobei den kapitalmarktrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen wäre. Die neuen Regelungen zur Beweismittelbeschaffung werden – sofern sie denn überhaupt Eingang ins Gesetz finden – in künftigen Musterverfahren eine zentrale Rolle spielen und zu erheblichen (Neben-)Streitigkeiten mit entsprechenden Verfahrensverzögerungen führen. Warum ausgerechnet in kapitalmarktrechtlichen Haftungsstreitigkeiten größere Sachaufklärungsmöglichkeiten mit entsprechendem Ausforschungs- und Missbrauchspotential als in anderen Zivilrechtsprozessen bestehen sollen, ist nicht ersichtlich. Gerade das Ziel einer verbesserten Verfahrenseffizienz wird sicherlich nicht dadurch gefördert werden, dass nun auch im Kapitalmarkthaftungsrecht eine am US-Prozessrecht orientierte „Discovery light“ eingeführt wird.

Evaluation in fünf Jahren

Zu begrüßen ist demgegenüber die vorgesehene Evaluation des neuen KapMuG in fünf Jahren. Hier wird sich zeigen, ob die dann getroffenen Änderungen zielführend waren oder – wie hier vorhergesagt – dazu geführt haben, dass sich die Rahmenbedingungen für kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten nicht wesentlich verbessert haben.

Fazit

Der Bundestag hat das Reformgesetz noch vor der Sommerpause in der Sitzung am 13.6.2024 beschlossen, damit das derzeitige KapMuG zum 31.8.2024 nicht ausläuft. Der Bundesratsbeschluss steht noch aus; er kann in der Sitzung am 14.6.2024 oder am 5.7.2024 erfolgen. Die durch den Rechtsausschuss vorgeschlagenen Änderungen kommen sehr spät und sind überwiegend wenig zielführend, sondern vielmehr aus vielerlei Gründen hochproblematisch. Es steht zu befürchten, dass die vom Gesetzgeber angestrebte Verfahrensbeschleunigung mit diesen vorgeschlagenen Änderungen eher konterkariert als bestärkt wird.

OLG Hamburg und OLG Köln zur Gesellschaftsregistereintragung der rechtsfähigen GbR

Nach der MoPeG-Regelung des § 707a Abs. 2 Satz 1 BGB ist die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB mit der Eintragung verpflichtet, als Namenszusatz die Bezeichnungen „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. In der Literatur ist umstritten, ob bei der Eintragung einer GbR in das neue Gesellschaftsregister der Rechtsformzusatz „eGbR“ zwingend am Ende des Gesellschaftsnamens stehen muss. Das Hanseatische OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 22.4.2024 – 11 W 19/24 die Eintragung einer GbR unter dem Namen „eGbR …“, also mit vorangestelltem Rechtsformzusatz, als zulässig angesehen. Das AG Hamburg hatte als Registergericht die Eintragung abgelehnt, weil der Rechtsformzusatz am Ende angefügt, also dem Namen nachgestellt werden müsse. Mit Beschluss vom 24.4.2024  – 4 Wx 4/24 hat das OLG Köln die Eintragung einer GbR unter dem Namen „O. eGbR D.-straße N01“ sanktioniert. Der Rechtsformzusatz ist hier in den Gesellschaftsnamen integriert. Das AG Köln hatte – wie das AG Hamburg – im Rahmen der Ablehnung des Eintragungsantrags die Auffassung vertreten, dass der Rechtsformzusatz „eGbR“ dem Namen immer nachgestellt sein müsse und daher auch nicht in der Mitte des Namens platziert sein dürfe.

Das OLG Hamburg und das OLG Köln reklamieren zu Recht für ihre Auffassung, dass § 707a Abs. 2 BGB – ebenso wie § 19 Abs. 1 HGB – eine bestimmte Platzierung des Rechtsformzusatzes nicht vorschreibt, sondern vielmehr insoweit eine Gestaltungsfreiheit statuiert, solange die zur Eintragung angemeldete Namenskonfiguration keinen irreführenden Charakter aufweist. Die in der Literatur vertretene und von den Vorinstanzen zugrunde gelegte abweichende Auffassung, nach der – in Abweichung von dem für OHG und KG geltenden § 19 Abs. 1 HGB – der Rechtformzusatz „eGbR“ immer dem Gesellschaftsnamen als Kernbestandteil der Eintragung nachgestellt sein müsse, wurde in den OLG-Beschwerdeentscheidungen zu Recht abgelehnt. Zulässig sind demnach in Bezug auf die Platzierung des Rechtsformzusatzes beispielsweise folgende GbR-Eintragungen: „eGbR Schlossallee 1“ sowie „A & B eGbR Parkstraße 2“ oder „C & D Vermögensverwaltung eGbR“.

Die im Gesellschaftsregister als Subjektregister bis zur Grenze der Irreführung des Rechts- und Geschäftsverkehrs freigestellte Platzierung des Rechtsformzusatzes „eGbR“ determiniert die Art und Weise der nach § 47 Abs. 2 GBO, § 15 Abs. 1 Nr. 2 GBV erfolgenden Eintragung der eGbR in das Grundbuch als Objektregister (vgl. dazu Begründung Regierungsentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 206, 208; Mauracher Entwurf der Expertenkommission MoPeG, S. 148 ff. [https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Dokumente/MauracherEntwurf.pdf?__blob=publicationFile&v= 3, zuletzt abgerufen am 3.6.2024]). Das Gleiche gilt für die Aufnahme der eGbR als Inhaberin eines GmbH-Geschäftsanteils in die gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung neu zu erstellende Gesellschafterliste. Auch die GmbH-Gesellschafterliste hat mit Inkrafttreten des MoPeG für die GbR nur noch die Funktion eines Objektregisters, das in Bezug auf die Eintragung der GbR an das Gesellschaftsregister als Subjektregister anknüpft (vgl. Begründung Regierungsentwurf MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 108 f.; Mauracher Entwurf, S. 197; zu den Einzelheiten der Eintragung in die Gesellschafterliste unter Berücksichtigung des Voreintragungserfordernisses Wertenbruch/Alm, GmbHR 2024, 225). Entsprechendes gilt für die Eintragung der GbR in das Aktienregister nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG und in das Gesellschaftsregister oder Handelsregister gem. § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB beziehungsweise i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB als Gesellschafterin einer anderen rechtsfähigen Personengesellschaft. Die unter obligatorischer Vergabe einer Registernummer vollzogene Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister als Subjektregister entfaltet daher in Bezug auf den GbR-Namen einschließlich Positionierung des Rechtsformzusatzes „eGbR“ eine Tatbestandswirkung bei der nachfolgenden Eintragung in ein Objektregister.

 

 

 

 

Online-Dossier: Wachstumschancengesetz

Der Bundesrat hat nach intensiven politischen Auseinandersetzungen in seiner Sitzung am 22.3.2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21.2.2024 bestätigt.

Mit dem Wachstumschancengesetz sollen zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden, die die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessern und Impulse setzen, damit Unternehmen dauerhaft mehr investieren und Innovationen wagen können. Daneben werden Maßnahmen ergriffen, um das Steuersystem an zentralen Stellen zu vereinfachen und mittels Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen vor allem kleine Betriebe von Bürokratie zu entlasten. Zudem sollen Instrumente umgesetzt werden, die dazu beitragen, unerwünschte Steuergestaltungen aufzudecken und diese abzustellen.

Zeitschriftenbeiträge:

  • Heidecke/Liebe, Konzernfinanzierung: Neuerung durch § 1 Abs. 3d und 3e AStG ab dem 1.1.2024 einschließlich eines Abgleichs mit der angedachten Zinshöhenschranke im § 4l EStG-E, Ubg 2024, 333
  • Liekenbrock/Liedgens, Die außenstehende Person in der neuen Spaltungssperre des Wachstumschancengesetzes, DB 2024, 1296
  • Grotherr, Neuregelungen zu grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen und Finanzierungsdienstleistungen in einer Unternehmensgruppe durch das Wachstumschancengesetz (§ 1 Abs. 3d und 3e AStG) – Teil 2, Ubg 2024, 324
  • Grotherr, Neuregelungen zu grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen und Finanzierungsdienstleistungen in einer Unternehmensgruppe durch das Wachstumschancengesetz (§ 1 Abs. 3d und 3e AStG) – Teil 1, Ubg 2024, 241
  • Ditz/Kausch/Leucht, Wesentliche Änderungen durch das Wachstumschancengesetz, DB 2024, 1230
  • Günther, Wachstumschancengesetz: Einkommensteuerliche und gewerbesteuerliche Änderungen, EStB 2024, 109
  • Wünnemann, Aktuelle Steuerpolitik, Ubg 2024, 235
  • Schiffers, Wachstumschancengesetz in Kraft getreten!, GmbHR 2024, R116
  • Sterzinger, Aktuelle Änderungen des UStG und der UStDV durch das Wachstumschancengesetz und andere Gesetze, UR 2024, 117
  • Geberth/Bartelt, BMF: Anpassung des AEAO an das MoPeG und Art. 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes, GmbHR 2024, R59
  • Geberth/Bartelt, Vermittlungsausschuss: Beratung zum Wachstumschancengesetz am 21.2.2024, GmbHR 2024, R57
  • Flad, Aktuelle Änderungen im Umsatzsteuerrecht – insbesondere durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz und das Wachstumschancengesetz, UStB 2024, 22
  • Wünnemann, Wachstumschancengesetz – Hängepartie ohne Abschluss, DB 2024, M4
  • Wiese, Staatsfinanzierung, Schuldenbremse, Steuerpolitik – ein Ausblick auf das Unternehmensteuerrecht im Jahr 2024, GmbHR 2024, R36
  • Günther, Wachstumschancengesetz: Handlungsbedarf wegen drohender Abschaffung der Gesamthand-Steuervergünstigungen (§§ 5–7 GrEStG) ab 1.1.2024, ErbStB 2024, 54
  • Binnewies/Mückl/Olbing, Aktuelles Steuerrecht rund um die GmbH und ihre Gesellschafter 2023/2024, GmbHR 2023, 1289
  • Bleckmann, BMF: Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung, GmbHR 2023, R344
  • Schneider, Geplante Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen (§ 138l bis § 138n AO-E), DB 2023, 2468
  • Dorn, Bundesrat äußert sich kritisch zum Wachstumschancengesetz, DB 2023, M4
  • Geberth/Bartelt, Bundeskabinett: Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz), GmbHR 2023, R293
  • Forst/Schiffers, Beratungspraxis Familienunternehmen – Neue Koordinaten zur Rechtsformwahl durch das Wachstumschancengesetz?, GmbHR 2023, 966
  • Weimann, BMF zur beabsichtigten eRechnung, ASTW 2023, 787
  • Schiffers, Wachstumschancengesetz – eine erste Einschätzung, GmbHR 2023, R256
  • Geberth/Bartelt, BMF: Referententwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz), GmbHR 2023, R245
  • Wünnemann, Aktuelle Steuerpolitik, Ubg 2023, 521
  • Niermann, Rechtsänderungen im Bereich der Arbeitnehmerbesteuerung durch das Wachstumschancengesetz, DB 2023, 1944
  • Behrens/Sparr, Die Zinsschranke und die Zinshöhenschranke nach dem Entwurf eines Wachstumschancengesetzes BMF-Referentenentwurf vom 14.7.2023 und Regierungsentwurf vom 30.8.2023, Ubg 2023, 461
  • Nieskens, Es wird ernst: Die verpflichtende elektronische Rechnung im B2B-Geschäftsverkehr kommt, UR 2023, 671
  • Cordes/Glatthaar, Reform der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG und Anpassung des Optionsmodells – Entwurf eines Wachstumschancengesetzes, FR 2023, 681

Blogbeiträge:

Gesetzesmaterialien:

  • Gesetzgebungsvorgang im Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien
  • BGBl. 2024 I Nr. 108 vom 27.3.2024
  • Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 20/10410
  • Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 20/9396
  • Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 20/9341
  • Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz), BT-Drucks. 20/8628
  • Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)

Seminare, Webinare und Fortbildungen:

KapMuG-Reform: Erste Lesung im Bundestag

Am 11.4.2024 fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (BT-Drucks. 20/10942) statt. Bundesjustizminister Buschmann brachte den Entwurf mit den aus den bisherigen Publikationen bekannten Argumenten ein. Das KapMuG soll über sein derzeitiges Verfallsdatum am 31.8.2024 unbefristet und neben den zwischenzeitlich geschaffenen Instrumenten der Verbandsklage beibehalten werden. Die Verfahren sollen allerdings beschleunigt werden. Die Stellung der Oberlandesgerichte im Musterverfahren soll gestärkt werden. Anders als bisher sollen solche Parteien, die sich nicht am Musterverfahren beteiligen wollen, nicht mehr ins Musterverfahren gedrängt werden (vgl. § 8 KapMuG vs. § 10 KapMuG-RegE). Schließlich sollen Musterverfahren schneller als herkömmliche Zivilverfahren digitalisiert werden.

Die anschließende Plenardebatte zeigte, dass die weitere Entwicklung des KapMuG in den Einzelheiten offenbleibt. Rednerinnen und Redner aller Fraktionen begrüßten zwar im Grundsatz die geplante Fortführung des KapMuG und die Bemühungen der Bundesregierung um Verfahrensbeschleunigung. Im Übrigen zeigte sich ein äußert buntes Bild von Redebeiträgen, in denen ganz unterschiedliche Themen behandelt wurden:

  • Vertreter der Unionsfraktion kritisierten zu viel gesetzgeberisches Klein-Klein und vermissten einen noch größeren Wurf, der insbesondere auch materiellrechtliche Themen (welche?) einschließen solle. Überdies sprach sich die Union für eine erneute Befristung des KapMuG und entsprechende Evaluierung aus. Einen Finger in eine offene Wunde legte die Kritik, dass nach derzeitigem Stand nur das erstinstanzliche Musterverfahren beschleunigt digitalisiert werden soll.
  • Die SPD-Fraktion befürwortete, dass Kapitalanlegermusterverfahren weiterhin neben den neu eingeführten Verbandsklagen zulässig sein sollte. Sie sprach sich dafür aus, die zwangsweise Aussetzung von Ausgangsverfahren nach § 8 KapMuG beizubehalten, weil nur dies unzählige Parallelprozess vermeide. Im Übrigen sprach sich die SPD losgelöst vom Verfahrensrecht im engeren Sinne auch dafür aus, eine Ausweitung des § 33g GWB, also des Anspruchs auf Herausgabe von Beweismitteln und Erteilung von Auskünften, für kapitalmarktrechtliche Streitigkeiten zu erwägen.
  • Im zuletzt genannten Punkt pflichtete die Rednerin von Bündnis 90/Die Grünen der SPD-Vertreterin zu. Sie regte ferner an, der Gesetzgeber möge die strengen Vorgaben des Bundesgerichtshofs zum Maß der erforderlichen Abhängigkeit des Ausgangsrechtsstreits vom Musterverfahren (gemeint war wohl der Beschluss des BGH v. 30.4.2019 – XI ZB 13/18, ZIP 2019, 1615 m. Komm. Dörrscheidt/Hettenbach, EWiR 2019, 585; s. dazu auch Klöhn/Zell, ZIP 2024, 321) gesetzgeberisch lockern.

Bei einer solchen Bandbreite der Wortbeiträge, die von Details des Verfahrensablaufs über den zentralen Dreh- und Angelpunkt des kollektiven Rechtsschutzes (Opt-In oder nicht?) bis hin zum materiellen Recht gehen, kann der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nur mit Spannung erwartet werden.

Shareholder activism bei ProSiebenSat.1: Aufsichtsratsbesetzung und Abspaltung von Unternehmenssegmenten

Seit einigen Jahren ist in Deutschland ein zunehmender Aktionärsaktivismus zu beobachten (aufschlussreiche aktuelle Bestandsaufnahme bei Rieckers, DB 2024, 439, 444; aus älterer Zeit etwa Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49; Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299). Neben Öffentlichkeitskampagnen greifen aktivistische Investoren auch auf hauptversammlungsbezogene Aktionärsrechte zurück, um ihre Anliegen durchzusetzen (Überblick über die Möglichkeiten bei Schäfer/Wucherer, AG 2023, 483 Rz. 11 ff.). Hierzu gehören insbesondere Gegenanträge und Wahlvorschläge nach §§ 126, 127 AktG (s. Schäfer/Wucherer, AG 2023, 483 Rz. 31; zum Fall Brenntag in der HV-Saison 2023 Rieckers, DB 2024, 439, 444) sowie das Ergänzungsverlangen nach § 122 Abs. 2 AktG (hierzu etwa Kuthe/Beck, AG 2019, 898 ff.; Schäfer/Wucherer, AG 2023, 483 Rz. 41).

Aktionärsstruktur der ProSiebenSat.1

In der aktuellen Hauptversammlungssaison dürfte das Aktionärstreffen der ProSiebenSat.1 Media SE (im Folgenden: ProSiebenSat.1) das – aus rechtlicher und unternehmenspolitischer Perspektive – interessanteste Beispiel für den Aktionärsaktivismus sein. Die Besonderheit des Falles liegt zunächst darin, dass weder aktivistische Fonds noch Aktionärsvereinigungen noch Nichtregierungsorganisationen im Zentrum stehen, sondern ein Großaktionär: Die MFE-MEDIAFOREUROPE N.V. (im Folgenden: MFE) mit Satzungssitz in Amsterdam und Verwaltungssitz in Cologno Monzese bei Mailand, deren CEO Pier Silvio Berlusconi – der Sohn des ehemaligen italienischen Premierministers – ist und an der die Familie Berlusconi maßgeblich beteiligt ist, hält 26,58% der Aktien der ProSiebenSat.1. Rechnet man die gem. § 71b AktG stimmrechtslosen eigenen Aktien der ProSiebenSat.1 hinweg, beläuft sich der Stimmenanteil der MFE auf 27,32%. Der zweitgrößte Aktionär, die PPF Group N.V. (im Folgenden: PPF) – ein Finanzinvestor im Familienbesitz mit Satzungssitz in Amsterdam und Verwaltungssitz in Prag – ist mit 11,60% am Grundkapital der ProSiebenSat.1 beteiligt und hält 11,92% der Stimmrechte. 59,12% der Aktien bzw. 60,76% der Stimmrechte befinden sich im Streubesitz (s. die Aktionärsstruktur der ProSiebenSat.1).

Aktionärsvorschläge im Überblick

Die beiden Großaktionäre haben – zum Teil durchaus öffentlichkeitswirksam – für Wirbel gesorgt, indem sie die Verwaltungsorgane der ProSiebenSat.1 dazu gezwungen haben, fünf Vorschläge auf die Tagesordnung der Hauptversammlung 2024 zu setzen:

  • Zwei eigene Kandidaten zur Aufsichtsratswahl 2024 (MFE und PPF);
  • Abberufung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden (nur MFE);
  • Vorbereitung der Abspaltung der Unternehmenssegmente Commerce & Ventures und Dating & Video (nur MFE);
  • Neugestaltung des genehmigten Kapitals (nur MFE);
  • Erweiterung der statutarischen Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats auf M&A-Transaktionen.

Wahlvorschläge der Großaktionäre

In der diesjährigen Hauptversammlung der ProSiebenSat.1 steht als TOP 8 die Wahl von drei Aufsichtsratsmitgliedern an. Der Aufsichtsrat hat Klára Brachtlová (die eine Leitungsposition in einer Tochtergesellschaft der PPF bekleidet), Marjorie Kaplan und Pim Schmitz (der ein Director einer Holdinggesellschaft ist, deren Tochtergesellschaft im Produktionsbereich eine Geschäftsbeziehung zur ProSieben.Sat1 unterhält) zur Wahl vorgeschlagen. Die beiden Großaktionäre haben gem. § 127 AktG Wahlvorschläge für die Aufsichtsratswahl unterbreitet. Die MFE schickt Leopoldo Attolico gegen Schmitz ins Rennen. Die PPF schlägt Christoph Mainusch statt Kaplan oder Schmitz zur Wahl vor. Der Aufsichtsrat hält in seiner Stellungnahme zu den Aktionärsvorschlägen an seinem ursprünglichen Vorschlag fest.

Weil die Hauptversammlung der ProSiebenSat.1 virtuell i.S.d. § 118a AktG stattfindet, greift die Antragsfiktion nach § 126 Abs. 4 AktG i.V.m. § 127 Satz 1 AktG ein. Das führt gem. § 126 Abs. 4 Satz 2 AktG dazu, dass die ProSiebenSat.1 den Aktionären schon im Vorfeld der Hauptversammlung die Wahl der oppositionellen Kandidaten ermöglichen muss (s. dazu Rieckers in BeckOGK/AktG, Stand: 1.2.2024, § 126 AktG Rz. 65 ff.; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, 5. Aufl. 2024, § 127 AktG Rz. 21 i.V.m. § 126 AktG Rz. 72).

Die PPF will zudem sicherstellen, dass die Hauptversammlung über ihren Wahlantrag vor dem Wahlvorschlag des Aufsichtsrats abstimmt und die vorgezogene Abstimmung über ihren Antrag auch in den Briefwahlunterlagen und im Aktionärsportal zum Ausdruck kommt. Die Festlegung der Abstimmungspriorität kann die PPF gem. § 137 AktG durchsetzen, wenn eine Minderheit der Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des vertretenen Grundkapitals erreichen, die vorgezogene Abstimmung über den Aktionärsvorschlag verlangt. Da die PPF mit 11,60% an der ProSiebenSat.1 beteiligt ist, kann sie das Minderheitsverlangen nach § 137 AktG im Alleingang erfolgreich stellen (zum Vorgehen in der virtuellen HV s. Rieckers in BeckOGK/AktG, Stand: 1.10.2023, § 137 AktG Rz. 9 ff.). Allerdings muss sie dies in der Hauptversammlung selbst tun: Die Antragsfiktion des § 126 Abs. 4 AktG erstreckt sich nicht auf das Minderheitsverlangen gem. § 137 AktG (Koch, 18. Aufl. 2024, § 126 AktG Rz. 18, § 137 AktG Rz. 2 a.E.; Rieckers in BeckOGK/AktG, Stand: 1.10.2023, § 137 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, 5. Aufl. 2024, § 127 AktG Rz. 21).

Die hauptversammlungsbezogene Ausgestaltung des Minderheitsverlangens nach § 137 AktG ist eine Hürde, an dem das zweite Ziel der PPF scheitern könnte. Es spricht viel dafür, dass die Verwaltungsorgane nicht verpflichtet sind, die Briefwahlunterlagen und das Aktionärsportal von vornherein so auszugestalten, dass die von PPF bevorzugte Abstimmungsreihenfolge erkennbar ist. In dogmatischer Hinsicht schränkt § 137 AktG nämlich das Ermessen des Versammlungsleiters ein, die Reihenfolge der Abstimmung festzulegen (Spindler in K. Schmidt/Lutter, 5. Aufl. 2024, § 137 AktG Rz. 1); eine Bindungswirkung gegenüber den Verwaltungsorganen entfaltet § 137 AktG hingegen nicht. Dies ist im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Einbettung des § 137 AktG konsequent: Weil das Minderheitsverlangen im Vorfeld der Hauptversammlung noch nicht förmlich gestellt wurde, können die Verwaltungsorgane nicht daran gebunden sein. Freilich steht es den Verwaltungsorganen der ProSiebenSat.1 offen, schon in den Briefwahlunterlagen und im Aktionärsportal die von PPF beantragte Abstimmungsreihenfolge zu berücksichtigen.

In rechtspolitischer Hinsicht ist es erwägenswert, den Aktionären unabhängig vom Hauptversammlungsformat die Möglichkeit einzuräumen, das Minderheitsverlangen nach § 137 AktG schon im Vorfeld der Hauptversammlung zu stellen, und die Verwaltungsorgane im Erfolgsfall zu verpflichten, die von den Aktionären erzwungene Abstimmungsreihenfolge in den Briefwahlunterlagen und im Aktionärsportal kenntlich zu machen (darauf abzielende Vorschläge de lege lata bei Zetzsche in FS Krieger, 2020, S. 1165, 1172 f.; zurückhaltender M. Arnold in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2022, § 137 AktG Rz. 19; Koch, 18. Aufl. 2024, § 137 AktG Rz. 1). § 137 AktG will die Minderheitsinteressen stärken, indem er den Wahlvorschlag der Aktionäre gegenüber dem Vorschlag des Aufsichtsrats priorisiert; der oppositionelle Kandidat soll nicht hinter den Kandidaten des Aufsichtsrats versteckt werden (s. nur Spindler in K. Schmidt/Lutter, 5. Aufl. 2024, § 137 AktG Rz. 1; Zetzsche in FS Krieger, 2020, S. 1165, 1168 f., der vom Grundsatz prozeduraler Neutralität spricht). Die Wirkung dieser verfahrensrechtlichen Vorkehrung droht zu verpuffen, wenn sie bei der – in der Praxis von Publikumsgesellschaften durchaus relevanten (s. nur Seibt/Danwerth, AG 2021, 369 Rz. 4 ff.; Zetzsche in FS Krieger, 2020, S. 1165, 1172) – Vorfeld-Abstimmung keine Rolle spielt. Insoweit sollte der Gesetzgeber die Verfahrensmodalitäten des § 137 AktG an die Realität der Hauptversammlung anpassen und sich auch insoweit vom Mündlichkeitsprinzip verabschieden (zur nicht mehr zeitgemäßen Ausgestaltung des § 137 AktG zutr. Zetzsche in FS Krieger, 2020, S. 1165, 1172 f.).

Abberufung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Unternehmenspolitisch brisanter als die Wahlvorschläge der beiden Großaktionäre ist das auf § 122 Abs. 2 AktG gestützte Ergänzungsverlangen von MFE dahingehend, die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds auf die Tagesordnung zu setzen. Weil die Hauptversammlung gem. § 103 Abs. 1 AktG für die Abberufung zuständig ist und die MFE mit ihrem Aktienpaket den in § 122 Abs. 2 AktG vorgeschriebene Anteil am Grundkapital deutlich überschreitet, hat die ProSiebenSat.1 ihre Tagesordnung gem. § 124 Abs. 1 AktG entsprechend ergänzt.

Abberufen werden soll Rolf Nonnenmacher, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei ProSiebenSat.1 sowie der ehemalige Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, dessen Aufsichtsratsmandat erst mit dem Ablauf der Hauptversammlung 2025 endet. An Nonnenmachers Stelle soll nach dem Vorschlag der MFE Simone Scettri, ein italienischer Wirtschaftsprüfer, treten.

Die MFE begründet ihr Verlangen damit, dass Nonnenmacher in einem Zeitraum Aufsichtsratsmitglied und Prüfungsausschussvorsitzender war, auf den sich eine durch den Aufsichtsrat in Auftrag gegebene interne Untersuchung wegen möglicher Compliance-Vorfälle in Tochtergesellschaften erstreckt. Dadurch könne Nonnenmacher gerade als Vorsitzender des Prüfungsausschusses zumindest potenziell von der Untersuchung betroffen sein, so dass eine Interessenkollision nicht ausgeschlossen sei. Ein denkbarer Interessenkonflikt, der eine freie Amtsführung beeinträchtigen könne, sei vorsorglich zu vermeiden. Der Aufsichtsrat schlägt der Hauptversammlung vor, gegen die Abberufung von Nonnenmacher und die Wahl von Scettri zu stimmen, und verweist dabei zum einen auf die überlegende Qualifikation von Nonnenmacher, zum anderen auf mögliche Interessenkonflikte von Scettri, der in Italien für Ernst & Young (EY) tätig war; EY Deutschland habe als Abschlussprüfer der ProSiebenSat.1-Gruppe den von MFE ins Spiel gebrachten Compliance-Vorfall nicht beanstandet.

Um ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, muss die Hauptversammlung einen Beschluss fassen, der nach der gesetzlichen Grundregel in § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen bedarf; sachliche Anforderungen – etwa das Vorliegen eines wichtigen Grundes – stellt § 103 Abs. 1 AktG nicht auf (s. Drygala in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 103 AktG Rz. 3 f.). Indes sieht § 18 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ProSiebenSat.1 vor, dass Hauptversammlungsbeschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften oder die Satzung etwas anderes vorschreiben. § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG lässt es zu, dass die Satzung eine andere Mehrheit bestimmt. Dabei kann das Mehrheitserfordernis abgesenkt werden, so dass für die Abberufung eine einfache Stimmenmehrheit des § 133 AktG genügt (Drygala in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 103 AktG Rz. 5; Koch, 18. Aufl. 2024, § 103 AktG Rz. 3). Ausreichend ist eine Satzungsklausel, die wie § 18 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ProSiebenSat.1 generell, also für alle Hauptversammlungsbeschlüsse, gilt (s. Koch, 18. Aufl. 2024, § 103 AktG Rz. 3). Eine Satzungsregelung, die hinsichtlich der Aufsichtsratsabberufung eine von § 18 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ProSiebenSat.1 abweichende Mehrheit vorschreibt, liegt nicht vor.

Aus dem Zusammenspiel zwischen § 18 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ProSiebenSat.1 und § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG folgt, dass die Hauptversammlung der ProSiebenSat.1 die Abberufung von Nonnenmacher mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen kann. Ob diese Mehrheit erreicht wird, lässt sich freilich noch nicht sicher vorhersagen. Die Hauptversammlungspräsenzen der ProSiebenSat.1 lagen in den Jahren 2021 bis 2023 bei ca. 52% bis 57%. Wird sich die Beteiligungsquote auch 2024 in dieser Größenordnung bewegen, ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die MFE mit ihrem Stimmenanteil von ca. 27% die Abberufung von Nonnenmacher im Alleingang beschließen kann. Es kann aber auch sein, dass sie die alleinige einfache Mehrheit (knapp) verfehlt und auf die Stimmen anderer Aktionäre angewiesen sein wird. Ob die PPF den Vorstoß unterstützen wird und wie sich die Stimmrechtsberater positionieren, ist nicht überliefert. Die Hauptversammlung 2023 hat Nonnenmacher mit 95,73% der abgegebenen gültigen Stimmen bei einer Beteiligung von 54,79% des eingetragenen Grundkapitals entlastet. Es bleibt abzuwarten, wie viele Aktionäre 2024 der Argumentation von MFE folgen, Nonnenmacher im Rahmen des Abberufungsbeschlusses ihr Misstrauen aussprechen und die weitere Umbildung des Aufsichtsrats vorantreiben.

Vorbereitung der Abspaltung von zwei Unternehmenssegmenten

Für viel Diskussionsstoff sorgt zudem das Ergänzungsverlangen der MFE zur Vorbereitung der Abspaltung von zwei Unternehmenssegmenten. Auch insoweit ist die Hauptversammlung zuständig (s. § 83 Abs. 1 AktG und § 125 UmwG i.V.m. §§ 13, 63 ff. UmwG), so dass die ProSiebenSat.1 nicht umhinkam, die Tagesordnung gem. § 122 Abs. 2 AktG wie von MFE verlangt zu ergänzen und die Ergänzung gem. § 124 Abs. 1 AktG bekanntzumachen. In rechtstechnischer Hinsicht erinnert das Vorgehen der MFE an den (gescheiterten) Brownspinning-Versuch der Enkraft Capital GmbH bei der RWE AG (s. dazu Fuhrmann/Döding, AG 2022, R168). Überdies ist der Vorstoß im Lichte der Entwicklungen zu sehen, die auch in anderen Marktbereichen zu beobachten sind: So haben etwa die Volkswagen AG mit Traton SE, die Daimler AG (heute Mercedes-Benz Group AG) mit Daimler Truck Holding AG und die Siemens AG mit der Siemens Healthineers AG sowie der Siemens Energy AG die früheren Unternehmenssparten als eigenständige Unternehmen an die Börse gebracht. Ein ähnlicher Schritt steht seit längerer Zeit bei Thyssenkrupp AG in der Diskussion.

Derzeit lässt sich die Unternehmensstruktur von ProSiebenSat.1 in drei Segmente unterteilen: Entertainment, Commerce & Ventures und Dating & Video. Die Abspaltung soll sich auf die letzten beiden Segmente erstrecken, die nach dem Vorschlag von MFE von eigenständigen – bestehenden oder neu zu gründenden – Rechtsträger geführt werden sollen. Diese Rechtsträgen sollen börsennotiert sein, so dass sie als Aktiengesellschaften organisiert sein müssten. Der Aktionärskreis von ProSiebenSat.1 und der neuen Gesellschaften soll im Ausgangspunkt identisch sein; eine Konzernstruktur soll also – anders als bei Volkswagen, Daimler und Siemens – nicht entstehen. Der Beschlussvorschlag lässt dem Vorstand der ProSiebenSat.1 aber die Möglichkeit offen, von der Vorbereitung der Abspaltung abzusehen und sich von den Segmenten Commerce & Ventures und Dating & Video auf eine andere Art und Weise – etwa durch einen Verkauf – zu trennen. Begleitet wird das Ergänzungsverlangen durch den Vorschlag, das genehmigte Kapital neu zu gestalten (s. dazu auch den Vorstandsbericht) und die in der Satzung verankerten Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats auf M&A-Transaktionen ab einer gewissen Schwelle zu erweitern.

Die MFE will erreichen, dass sich die ProSiebenSat.1 künftig nur noch auf das Segment Entertainment fokussiert. Die Zusammensetzung der ProSiebenSat.1 als ein Konglomeratunternehmen bringt nach der Einschätzung der MFE zu wenige Synergievorteile mit sich; zudem ist sie mit zu vielen Nachteilen verbunden. Vor diesem Hintergrund soll es für die einzelnen Segmente vorteilhafter sein, als selbständige Unternehmen mit einer eigenen „Equity Story“ am Markt zu agieren. Die Verwaltungsorgane der ProSiebenSat.1 weisen diese Argumente zurück. Sie empfehlen keine Abspaltung und wollen sich auf eine wertmaximierende Veräußerung der beiden Segmente fokussieren, die vorbehaltlich der Marktbedingungen über die nächsten 12 bis 18 Monate erfolgen soll.

Bemerkenswert ist der Umstand, dass sich die MFE und die Verwaltungsorgane in der Sache einig sind: Die ProSiebenSat.1 soll sich über kurz oder lang von den Segmente Commerce & Ventures und Dating & Video trennen. Während eine Einigkeit über das „Ob“ herrscht, gehen die Meinungen über das „Wie“ auseinander: Die Verwaltungsorgane setzen allein auf einen Verkauf der beiden Segmente, der (liquide) Mittel in die Unternehmenskasse spülen würden. Die MFE hält eine solche Maßnahme an sich für sinnvoll, will aber die Trennung auch dann auf umwandlungsrechtlichem Wege vollziehen, wenn der Verkauf nicht gelingen sollte. Für den Großaktionär steht demnach nicht die Verbesserung der Kassenlage, sondern die strategische Neuausrichtung von ProSiebenSat.1 im Vordergrund: Die Abspaltung führt – anders als der Verkauf – nicht zu einem Mittelzufluss bei ProSiebenSat.1. Beschließt die Hauptversammlung 2024 wie von der MFE vorgeschlagen, wächst der Druck auf den Vorstand der ProSiebenSat.1, den Verkauf möglichst zeitnah abzuwickeln, um seine Vorstellungen von den Trennungsmodalitäten durchzusetzen.

Allerdings sind die aktienrechtlichen Hürden für die Beschlussfassung hoch: Nach § 83 Abs. 1 Satz 3 AktG bedarf der Beschluss der Mehrheit, die für die Maßnahme – also für die Abspaltung – erforderlich ist, also gem. §§ 125, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG „einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt.“ Wie bei der Abberufung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden hängt der Erfolg der Maßnahme vom Abstimmungsverhalten der PPF und der Streubesitzaktionäre ab; eine bedeutende Rolle dürfte die Positionierung der Stimmrechtsberater spielen. In inhaltlicher Hinsicht sind die Aktionäre in ihrem Abstimmungsverhalten weitgehend frei: Die Festlegung der Trennungsmodalitäten ist eine unternehmerische Entscheidung, so dass die Hauptversammlung einen breiten Ermessensspielraum genießt. Ihre Entscheidung dürfte kaum wegen Inhaltsfehler angreifbar sein.

Fasst die Hauptversammlung den Beschluss mit der qualifizierten Mehrheit des § 83 Abs. 1 AktG i.V.m. §§ 125, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG, ist die Abspaltung noch nicht ausgemacht. Der Vorstand der ProSiebenSat.1 hätte nach wie vor die Option, die Segmente Commerce & Ventures und Dating & Video zu verkaufen. Auch wenn der Verkauf misslingt, ist die Abspaltung nicht sicher. In einem solchen Fall muss der Vorstand „lediglich“ den Spaltungs- und Übernahmevertrag vorbereiten, über den die Hauptversammlung 2025 nach Maßgabe der §§ 125, 13, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG zu beschließen hat; erforderlich ist wiederum eine Dreiviertel-Kapitalmehrheit. Der Weg zur Spaltung ist also noch weit.

Bundesrat: Zustimmung zum Wachstumschancengesetz

Das im Bundesrat zunächst gescheiterte Wachstumschancengesetz stand am 22.3.2024 erneut zur Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundesrats. Im Anschluss an die bereits erfolgte Verhandlungsrunde mit einer unechten Einigung im Vermittlungsausschuss hatte der Bundestag am 23.2.2023 bereits seine Zustimmung erteilt (s. bereits den Geberth/Bartelt, Blog-Beitrag v. 22.2.2024GESRBLOG0001740). Nunmehr hat auch der Bundesrat der vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Fassung des Gesetzes final zugestimmt. Damit ist das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Mit der Verkündung des Gesetzes ist in naher Zukunft zu rechnen.

OLG Schleswig bejaht Vorrang der separaten Vorkaufsrechtsausübung beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen – keine Erstreckung auf gesamten Anteilsverkauf analog § 467 Satz 2 BGB

I. Gesetzlicher Grundsatz der separaten Vorkaufsrechtsausübung

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 7. Februar 2024 (GmbHR 2024, Ausgabe 7 m. Anm. Wertenbruch/Döring) – im Anschluss an BGHZ 168, 152 = WM 2006, 1598 und gegen eine verbreitete Literaturauffassung – beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen der Ausübung eines einzelnen, auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters bezogenen statutarischen Vorkaufsrechts den grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem in § 464 Abs. 2 BGB geregelten Grundsatz der Vertragsidentität eingeräumt. Nach § 464 Abs. 2 BGB muss der Vorkaufsberechtigte den Inhalt des vom Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag prinzipiell in toto übernehmen. Wenn aber mehrere Gegenstände verkauft werden, an denen nur zum Teil oder eigenständige Verkaufsrechte bestehen, dann kann ein Vorkaufsrecht in Bezug auf einen einzelnen davon erfassten Verkaufsgegenstand separat ausgeübt werden. Nach § 467 Satz 1 BGB ist in dieser Konstellation ein verhältnismäßiger Teilkaufpreis zu ermitteln und vom Vorkaufsberechtigten zu entrichten. Das OLG Schleswig hat zu Recht auf Grundlage der im konkreten Fall tatsächlich erfolgten separaten Vorkaufsrechtsausübung eine doppelt analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB prinzipiell abgelehnt und wegen drohenden Vollzugs des Paketverkaufs eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung erlassen.

II. Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht statt doppelt analoger Anwendung des § 467 Satz 2 BGB – Darlegungs- und Beweislast

Auch eine mehrfach analoge Anwendung des § 467 Satz 2 BGB kann beim Paketverkauf von GmbH-Geschäftsanteilen und Bestehen separater statutarischer Vorkaufsrechte vor allem deshalb keine geeignete Problemlösung darstellen, weil diese kaufrechtliche Vorschrift einseitig auf das Vorliegen eines Nachteils aufseiten des durch die separate Vorkaufsrechtsausübung verpflichteten Mitverkäufers und nicht auf die Interessen des anderen Mitverkäufers sowie der verkaufsberechtigten Gesellschafter auf der Gegenseite abstellt (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Allein nach Kaufrecht kommt es daher bei separater Vorkaufsrechtsausübung nicht zu einer Erstreckung auf das von den Verkäufern im Rahmen der Vertragsfreiheit vordefinierte gesamte Anteilspaket. Da bei den üblichen wechselseitigen Vorkaufsrechten an GmbH-Geschäftsanteilen sowohl die Berechtigten als auch die Verpflichteten als Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegen, kann sich beim Paketverkauf – und daher auch im Fall des OLG Schleswig – eine Obliegenheit zur einheitlichen Ausübung der Vorkaufsrechte aus dieser zentralen mitgliedschaftlichen Verpflichtung ergeben (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Insoweit ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, die § 467 Satz 2 BGB auch im Rahmen einer weitgehenden Analogie nicht gewährleisten könnte. Zu beachten ist aber, dass die separate Vorkaufsrechtsausübung der gesetzliche Regelfall ist mit der Folge, dass die Paketverkäufer die Darlegungs- und Beweislast für eine auf einheitliche Vorkaufsrechtsausübung gerichtete Treuebindung der vorkaufsberechtigten Mitgesellschafter tragen (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2024, Ausgabe 7). Dem Vorkaufsberechtigten obliegt allerdings eine sekundäre Darlegungslast.

III. Beschränkte gesellschaftsvertragliche Lösungsmöglichkeiten – Tragweite von statutarischen Anbietungsrechten

Im Rahmen der Gestaltung einer GmbH-Satzung kann zwar die Frage der Art der Ausübung wechselseitiger Vorkaufsrechte bei Vorliegen eines Paketverkaufs besonders geregelt werden. Der bei Eintritt eines konkreten Vorkaufsfalls gegebenen Interessenlage und den sonstigen relevanten Umständen könnte dann aber nur schwer hinreichend Rechnung getragen werden. Auch dies belegt, dass die vorkaufsrechtliche Problematik eines Paketverkaufs im Streitfall letztlich nur auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gelöst werden kann. Die in der Praxis verbreiteten statutarischen Anbietungspflichten können die Vereinbarung von mitgliedschaftlichen Vorkaufsrechten zwar ergänzen, aber die hier in Rede stehenden Probleme bei der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vermeiden (vgl. zum Wesen der Anbietungspflicht in GmbH-Satzungen BGHZ 48, 141 = WM 1967, 927; Seibt in Scholz, 13. Aufl. 2022, § 15 GmbHG Rz. 118). Im Fall des BGH lautete die darauf bezogene Satzungsklausel: „Jeder zum Verkauf gelangende Anteil am Stammkapital ist zunächst jedem Gesellschafter gemäß dessen Anteil am Stammkapital und, soweit eine Übernahme nicht erfolgt, der Gesellschaft selbst anzubieten“ (BGHZ 48, 141, 145 = WM 1967, 927, 928). Lehnt ein vorkaufsberechtigter Gesellschafter nach Anbietung eines oder mehrerer Geschäftsanteile den Ankauf ab, so wird dadurch sein Verhalten bei einem nachfolgenden Anteilsverkauf mit Auslösung des Vorkaufsfalls weder gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich determiniert. Für den Gesellschafter als Adressaten einer aktuellen Anbietung ist in Bezug auf die Kaufentscheidung in erster Linie von Bedeutung, ob ein wirtschaftliches Interesse an der Aufstockung der Beteiligung zu konstatieren ist und der Kaufpreis ohne größere Schwierigkeiten finanziert werden kann. Kommt es im Anschluss an die Ablehnung des Ankaufs nach satzungskonformer Anbietung zur Entstehung des Vorkaufsfalls gem. § 463 BGB durch Anteilsverkauf, so kann für die Ausübung des Vorkaufsrechts stattdessen die Abwehr des Eintritts des vom Vorkaufsberechtigten als nicht akzeptabel klassifizierten Anteilskäufers im Vordergrund stehen. Der vorkaufsberechtigte Mitgesellschafter handelt daher grundsätzlich nicht widersprüchlich oder in sonstiger Weise treuwidrig, wenn er deswegen nunmehr das am konkreten Geschäftsanteil bestehende Vorkaufsrecht ausübt. Ob im Falle eines Paketverkaufs die Vorkaufsrechte einheitlich ausgeübt werden müssen, ist auch hier im Wege einer Interessenabwägung auf Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu klären.

SEC mit neuen ESG-Offenlegungspflichten für börsennotierte Unternehmen

In den letzten Monaten berichteten Medien immer wieder von Anti-ESG-Kampagnen und -Bewegungen in den USA, so dass die Wahrnehmung entstand, Nachhaltigkeit sei für den amerikanischen Kapitalmarkt und das Finanzwesen kein Thema mehr. Nun aber – am 6.3.2024 – legte die US-Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörde Vorschriften „zur Verbesserung und Vereinheitlichung“ der klimabezogenen Offenlegung von börsennotierten Unternehmen und bei Wertpapieremissionen vor. Das Paket besteht aus einem Factsheet der SEC über die neuen Anforderungen und einem umfangreichen SEC-Dokument.
Die SEC kommt nach eigenen Aussagen dem grundsätzlichen Investorenwunsch nach, standardisierte und belastbare Informationen über die finanziellen Auswirkungen klimabezogener Risiken auf das Geschäftsmodell oder einzelne Bereiche zu erhalten. Es geht dabei insbesondere um eine bessere (umfassendere) Beurteilung des Risikomanagements eines Unternehmens. Transparenz muss bspw. hergestellt werden hinsichtlich
  • allen klimabezogenen Risiken, die wesentlich sind, d.h. finanzielle Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie oder die Geschäftsergebnisse haben;
  • Aktivitäten, die unternommen werden, um die identifizierten Risiken zu mindern oder Anpassungsmaßnahmen umzusetzen;
  • Überwachung durch die Geschäftsleitung und die Rolle des Managements in Bezug auf die wesentlichen klimabezogenen Risiken;
  • Scope-1-Emissionen und/oder Scope-2-Emissionen bei großen und mittleren Unternehmen;
  • Kosten und Verluste, die durch Unwetter und andere Naturereignisse im jeweiligen Geschäftsjahr entstanden sind.
Die endgültigen Vorschriften treten 60 Tage nach deren Veröffentlichung im Bundesregister (Federal Register) in Kraft und sollen dann schrittweise ab 2025 Anwendung finden.

Vermittlungsausschuss: Sog. unechtes Vermittlungsergebnis zum Wachstumschancengesetz

Am 21.2.2024 hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat getagt und unter anderem über das Wachstumschancengesetz beraten. Am Ende der Verhandlungen gab es ein sog. unechtes Vermittlungsergebnis. Zwar konnte der im Vorfeld erarbeitete Kompromiss, der nur noch ein Entlastungsvolumen von 3,2 Mrd. € beinhaltet, mit einer Mehrheit der Stimmen beschlossen werden, allerdings ohne die Stimmen der CDU- und CSU-Mitglieder in diesem Gremium. Das Ergebnis bedarf nun aber im weiteren Verfahren noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Sollte also die Zustimmung von CDU/CSU im Bundesrat ausbleiben, kann eine erneute Beratung im Vermittlungsausschuss erforderlich werden. Die Unionsparteien machen ihre Zustimmung weiterhin davon abhängig, dass die Ampelkoalition die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Agrardiesel rückgängig macht.

Das Vermittlungsergebnis lässt sich nur im Abgleich mit dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 (vgl. Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Bundestags) analysieren. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 können wie folgt zusammengefasst werden:

Bereits im Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzte und nur deshalb nicht mehr im Gesetz enthaltene Maßnahmen:

› Steuerliche Anpassungen der Abgabenordnung (AO) und anderer Gesetze an das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) einschließlich der befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer.

› Reform und Anpassung der Zinsschranke im Zuge der ATAD-Umsetzung (§ 4h EStG, § 8a KStG).

› Verzicht auf die Besteuerung der Soforthilfe Dezember 2022 (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG).

› Anpassung der Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG).

› Datenaustausch der Kranken- und Pflegeversicherung: Die Einführung des neuen Verfahrens wurde um zwei Jahre verschoben. Neuer Starttermin ist der 01.01.2026 (§ 52 Abs. 36 Satz 3 und 4 EStG).

Mangels Einigung aus dem Gesetz gestrichene Maßnahmen:

› Einführung einer steuerlichen Investitionsförderung in Ergänzung zu den bestehenden Projektförderungen für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 15 % der begünstigten Aufwendungen.

› Mitteilungspflichten in Bezug auf innerstaatliche Steuergestaltungen.

› Erweiterung des Verlustrücktrags auf drei Jahre sowie Anhebung des Höchstbetrags auf 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € ab dem 01.01.2024 bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2025. Ab dem Veranlagungszeitraum 2026 sollte der Höchstbetrag von ursprünglich € 1 Mio. bzw. € 2 Mio. bei Zusammenveranlagung dauerhaft auf € 5 Mio. bzw. € 10 Mio. bei Zusammenveranlagung angehoben werden (§ 10d Abs. 1 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter und den Abschreibungsmöglichkeiten zu den Sammelposten durch Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter von € 800 auf € 1.000 und für Sammelposten von € 1.000 auf € 5.000 sowie Senkung der Auflösungsdauer der Sammelposten auf drei Jahre für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden (§ 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.000 € (§ 3 Nr. 73 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen von € 28 auf € 30 und von € 14 auf € 15 ab dem 01.01.2024 (§ 9 Abs. 4a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen von 110 € auf 150 € ab dem 01.01.2024 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Anhebung der Förderung bei der energetischen Gebäudesanierung um zehn Prozentpunkte auf 30 % der Aufwendungen, sofern die Sanierung in 2024 oder 2025 erfolgt. (§ 35c Abs. 1a EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Das vorzeitige Auslaufen des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz bereits zum 29.02.2024 (§ 28 Abs. 5 und 6 UStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Umsatzbesteuerung der Landwirte, Anpassung des Durchschnittssatzes für 2024 (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG-E laut Bundestagsbeschluss). Die Maßnahme soll nochmal überprüft werden, auch mit Blick auf Beihilfefragen.

Durch den Vermittlungsausschuss nochmal geänderte Maßnahmen:

› Verlustvortrag § 10d EStG: Anhebung der Prozentgrenze von 60 % auf nur noch 70 % (statt 75 % laut Bundestagsbeschluss) für 4 Jahre (2024 bis 2027) bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Auf die entsprechende Regelung bei der Gewerbesteuer laut Bundestagsbeschluss wird verzichtet.

› Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG-E): Degressive Abschreibung in Höhe von bis zu 20 % (statt 25 % laut Bundestagsbeschluss) höchstens dem 2-fachen (statt dem 2,5-fachen laut Bundestagsbeschluss) der linearen Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 (statt nach dem 31.12.2023 laut Bundestagsbeschluss) und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind.

› Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude mit 5 % (statt 6 % laut Bundestagsbeschluss) mit Baubeginn ab 01.10.2023 befristet auf 6 Jahre (§ 7 Abs. 5a EStG-E).

› § 7g EStG: Anhebung der Sonderabschreibung für Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 € im Jahr vor der Investition nicht überschreiten, von derzeit 20 % der Investitionskosten auf 40 % (statt 50 % laut Bundestagsbeschluss) der Investitionskosten für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter.

› Firmen- und Dienstwagenbesteuerung – Anhebung der Bruttolistenpreisgrenze ohne Entfall der alternativen Reichweitengrenze: Es bleibt bei der vom Bundestag beschlossenen Anhebung des Höchstbetrags für die Inanspruchnahme des Viertels der 1%-Bemessungsgrundlage für die private Nutzung bei rein elektrischen Firmenwagen (inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge), die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden, von € 60.000 auf € 70.000 Listenpreis (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG-E). Darüber hinaus sollte laut Bundestagsbeschluss die Bemessungsgrundlage bei der Bewertung der Entnahme für die private Nutzung betrieblicher Elektrofahrzeuge, die nicht in den Genuss der Viertel-Regelung kommen, und extern aufladbarer Hybridelektrofahrzeuge nur noch dann zur Hälfte anzusetzen sein, wenn das Fahrzeug einen Kohlendioxidausstoß von höchstens 50 Gramm je gefahrenem Kilometer hat. Nunmehr hat man sich allerdings darauf verständigt, dass die aktuell vorgesehene Alternative einer elektrischen Mindestreichweite des Fahrzeugs von mindestens 80 Kilometern nicht ab 2025 entfallen soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 Nr. 5 EStG-E laut Bundestagsbeschluss).

› Die Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuer-Abzugsverfahren (Aufhebung von § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) soll nicht rückwirkend zum 01.01.2024 (laut Bundestagsbeschluss), sondern zum 01.01.2025 erfolgen.

› Forschungszulage; §§ 3 und 4 FZulG: Ausweitung der förderfähigen Aufwendungen auf bestimmte Sachkosten und Anhebung der maximal förderfähigen Bemessungsgrundlage von bisher 4 Mio. € auf 10 Mio. € (statt auf 12 Mio. € laut Bundestagsbeschluss) ab dem Tag nach der Gesetzesverkündung (statt ab 01.01.2024 laut Bundestagsbeschluss); zusätzlich bleibt es bei der Erhöhung für kleine und mittlere Unternehmen um 10 Prozentpunkte.

› Die ursprünglich für Anfang 2024 angedachten Änderungen des InvStG sollen nicht rückwirkend, sondern überwiegend erst mit Gesetzesverkündung Wirksamkeit entfalten.

Vermittlungsausschuss: Einigung zum Wachstumschancengesetz läuft auf Hochtouren

Mit den Steuerentlastungen des Wachstumschancengesetzes will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die lahmende Wirtschaft anschieben. Länder und Kommunen hatten allerdings kritisiert, dass bei ihnen der Großteil der Steuermindereinnahmen anfallen sollte. Deswegen wurde – vor allem mit den Stimmen der Union – der Gesetzentwurf im Bundesrat blockiert.

Am 9.2.2024 hat man in einer Arbeitsgruppe, die den für den 21.2.2024 geplanten Termin des Vermittlungsausschusses vorbereitet, eine weitgehende Einigung mit der Union erzielt. Demnach soll das Entlastungsvolumen für die Wirtschaft nur noch 3,2 Mrd. € pro Jahr betragen. Das Volumen wird damit in etwa halbiert. Vor allem die Kommunen werden nicht so stark belastet. Auf sie sollen 555 Mio. € der erwarteten Steuermindereinnahmen des Staates entfallen, auf den Bund knapp 1,4 Mrd. € und auf die Länder knapp 1,3 Mrd. €.

Dem Vernehmen nach ist das Kernstück des geplanten Gesetzes, die geplante Prämie in Höhe von 15 Prozent der Gesamtsumme bei Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, nicht mehr in dem Paket enthalten ebenso wie die von der Ampel-Koalition vorgesehene Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen.

Die Einigung zum Wachstumschancengesetz steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Einigung zu einer Forderung, die von der Union während den Verhandlungen erhoben wurde: Die Ampel soll die kürzlich von ihr beschlossenen Maßnahmen zum Agrardiesel zurücknehmen. Diese Forderung kann zwar nicht mehr in das laufende Gesetzgebungsverfahren eingefügt werden, allerdings könnte der Vermittlungsausschuss sich darauf einigen, sie in einem künftigen Verfahren unterzubringen.